Neue Elektroauto-Strategie Warum Volvo-Chef Samuelsson auf Online-Rabatte verzichtet

Volvo Cars stellt ab 2030 komplett auf Elektroautos um - und will diese ausschließlich online verkaufen. CEO Hakan Samuelsson erklärt im Interview, was das für die Autohändler bedeutet und wie er mit E-Autos bald Gewinne schreiben will.
Schwenkt voll auf Elektroantriebe und Onlinevertrieb um: Volvo-Cars-CEO Håkan Samuelsson (69)

Schwenkt voll auf Elektroantriebe und Onlinevertrieb um: Volvo-Cars-CEO Håkan Samuelsson (69)

Foto: © Ina Fassbender / Reuters/ REUTERS

manager magazin: Herr Samuelsson, Sie haben heute angekündigt, dass Volvo ab 2030 ausschließlich batterieelektrische Autos verkaufen wird. Bisher bietet Volvo mit dem XC40 Recharge ein einziges Voll-Elektroauto an, in diesem Jahr kommt mit dem E-Crossover C40 noch ein weiteres hinzu. Ist vor diesem Hintergrund Ihr Plan zur Vollelektrisierung nicht etwas überehrgeizig?

Håkan Samuelsson: Das glaube ich nicht. Innerhalb von zehn Jahren hat sich in puncto Elektrifizierung eine Menge verändert, wie ein Blick zurück ins Jahr 2010 zeigt. Wir haben mit unseren Kunden gesprochen, die finden Elektroautos sehr attraktiv. Wir haben natürlich genaue Produktentwicklungspläne. Als ersten Schritt werden wir sicherstellen, dass im Jahr 2025 die Hälfte unserer Modelle vollelektrisch angetrieben ist. Dann werden wir wissen, was wir brauchen, um die Marke Volvo vollelektrisch zu machen.

Und Sie meinen, dass Ihnen dabei keine bisherigen Autokäufer abspringen?

Ich würde sagen, dass Volvo-Kunden sogar mehr an Elektroantrieben interessiert sind als durchschnittliche Autokäufer. Volvo stand immer für Sicherheit und Familienorientierung – und nicht unbedingt für Sportwagen. Ich denke deshalb, dass Elektrifizierung und Nachhaltigkeit eine sehr natürliche Ergänzung für das ist, wofür Volvo steht.

Bisher machen Ihre Konkurrenten im Autobereich aber kaum oder gar keine Gewinne mit dem Verkauf reiner Elektromodelle. Wie will Volvo denn künftig profitabel arbeiten?

Das müssen Sie im Zeitverlauf betrachten. Aktuell ist es richtig, dass Elektroautos höhere Kosten haben. Aber in vier Jahren, wenn die Hälfte unserer Neuwagen elektrisch angetrieben sein wird, werden wir eine Hybridversion und eine reine Elektroversion etwa eines XC90 haben. Ich glaube, dass dann die reine Elektroversion des XC90 noch immer einen höheren Preis als die Hybridversion haben wird. Die Kosten für Batterien und Elektromotor werden 2025 aber intern günstiger sein als die einer Hybridmotorisierung. Wir werden dann auf der Kostenseite den Break-even erreichen. Die Attraktivität eines Elektromodells für unsere Kunden wird aber dann höher sein als der vergleichbare Hybridantrieb. Für uns wird das dann auch profitabler sein, als traditionelle Motorisierungen zu verkaufen.

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Dafür krempeln Sie auch gleich Ihr bisheriges Vertriebsmodell um: Die reinen Elektroautos werden künftig ausschließlich online verkauft. In Deutschland haben sich die Händler ihrer Konkurrenten beschwert, dass sie beim Onlineverkauf weniger verdienen. Wie haben Ihre Händler die Online-Verkaufsstrategie aufgenommen?

Ich war persönlich in Deutschland und habe mit einigen Händlern gesprochen. Wir hatten darüber eine aus meiner Sicht sehr gute und offene Diskussion. Wir starten mit einem wirklich neuen Transaktionsgeschäft. Kunden erwarten mehr Transparenz, sie wollen sehen, welche Modelle aktuell verfügbar sind, was sie bieten und was sie tatsächlich kosten. Kunden wollen nicht mehr mehrere Händler abklappern, um das beste Angebot zu bekommen. Deshalb werden all unsere Elektromodelle in ganz Deutschland denselben Preis haben, und der wird sehr gut sein. Das wird nicht mehr der Listenpreis sein, den man verhandeln konnte.

Welche Rolle haben Ihre Händler künftig?

Um Offline und Online dasselbe Kundenerlebnis zu bieten, werden wir auch starke und direkte Kundenbeziehungen mithilfe unserer Händler aufbauen. Dafür werden wir in bessere Online-Plattformen investieren, das ist unser Job. Die Händler werden die Kommunikation mit den Kunden von Angesicht zu Angesicht übernehmen. Die Autos werden auch wie bisher von den Händlern an die Kunden ausgeliefert. Wir werden eine stärkere Onlinepräsenz haben, weil das unsere Kunden so wollen. Was wir nicht tun werden, ist Modelle online günstiger anzubieten oder Rabatte zu geben. Online wird unser neuer Weg, unsere bisherigen Autos zu präsentieren und sämtliche Elektroautos.

Wovon werden Volvo-Händler dann in Zukunft leben? Bisher haben sie ja am Verkauf jedes Neuwagens mitverdient, auch am Service. Das bedeutet bei den wartungsärmeren Elektroautos auch weniger Geschäft …

Unsere Händler werden für das Ausliefern des Autos eine Vergütung erhalten. Heute heißt das Neuwagen-Marge, in Zukunft werden sie eine Auslieferungsprämie bekommen. Natürlich werden die Händler sich auch weiter um Reparaturen kümmern. Das hat zwar nichts mit dem Onlineverkauf zu tun, aber natürlich wird die Elektrifizierung die Nachfrage nach der Autowartung senken. Das ist eine Herausforderung für uns alle.

Werden Ihre Händler das ohne Weiteres mitmachen?

Wir werden den Händlern Wachstum bieten. Wenn sie die Herausforderung annehmen, werden sie wachsen. Wir haben zuletzt deutlich bei den Zulassungen zugelegt, auch in Deutschland im vergangenen Jahr, und das haben wir weiterhin vor. Wenn sie den Kunden das geben können, was sie wollen, werden sie auch schneller als die Mitbewerber wachsen können. Da unterscheiden sich die Änderungen für die Händler gar nicht so dramatisch vom E-Commerce. Die Elektrifizierung von Volvo kommt ja auch nicht über Nacht.

Und was wird für die Händler wegfallen?

Sehr langfristig gesehen können unsere Händler nicht mehr in besonders große Autohäuser investieren. Denn künftig brauchen wir Qualität in unseren Schauräumen. In zehn Jahren müssen die Autohäuser für Neuwagen dann nicht mehr so groß und exklusiv wie heute sein, weil einfach mehr online abgewickelt werden wird.

In vielen Ländern hält aber auch die lückenhafte Schnelllade-Infrastruktur Autokäufer vom Erwerb eines reinen Elektro-Neuwagens ab. Erwägt Volvo deshalb eigene Investitionen in die Ladeinfrastruktur – wie es etwa Tesla oder deutsche Autohersteller mit dem gemeinsamen Ladeanbieter Ionity und eigenen Infrastruktur-Initiativen  tun?

Für den Übergang müssen wir sicherstellen, dass die Ladeinfrastruktur gut ist. Natürlich können wir auch weitere Investitionen fördern. Doch das Beste, was wir als Autobranche dafür tun können, ist meiner Meinung nach mehr Elektromodelle auf den Markt zu bringen. Dann steigt unsere Glaubwürdigkeit, dafür auch mehr Unterstützung zu verlangen. Wir bevorzugen dabei Partnerschaften. Am wichtigsten ist uns dabei, dass Volvo-Fahrer Ladestationen gut finden können und dort in einer sehr angenehmen Art und Weise bezahlen können. Das werden wir in Kürze anbieten, über Googles Android-Software, die wir in unseren Elektroautos einsetzen.

Was passiert in naher Zukunft mit Ihren bisherigen Vorzeige-SUVs, dem XC60 und dem XC90? Werden die auf der bestehenden Basis elektrifiziert, oder von Grund auf überarbeitet?

Wir werden sie komplett neu aufsetzen. Unsere jetzigen beiden Elektroauto-Modelle, der XC40 Recharge und der neue Crossover C40, basieren auf der sogenannten CMA-Plattform, die nun für Batterieelektro-Antrieb umgestaltet wurde. Der nächste Schritt ist eine oder zwei weitere Plattformen, die eine Evolution der bisherigen sein werden. Die werden allerdings völlig neue Außenhüllen bekommen.

Und die neuen Plattformen werden dann gar keine Verbrennungsmotoren mehr ermöglichen?

Nein, eine Plattform wird auch einen Plugin-Hybridmotor unterbringen können. Es wird aber auch rein elektrische Autos geben, so wie etwa der jetzt präsentierte Crossover C40. Wir werden ein Portfolio haben, dass diesen Übergang innerhalb von zehn Jahren ermöglicht. Wir werden aber nicht mehr viel Geld in Verbrennungsmotoren oder Hybridantriebe stecken. Unsere konventionellen Antriebe lagern wir in ein eigenes Jointventure mit unserer Mutter Geely aus. Volvo wird also keine Verbrenner-Erblast haben und wir werden künftig nur mehr an Elektroantrieben arbeiten. Elektromotoren und Batterien werden unsere neue Kernkompetenz und alles ersetzen, was wir früher in puncto Verbrennung, Performance und Kraftstoffeinspritzung hatten.

Das gemeinsame Motoren-Joint-Venture von Volvo und Geely wird auch Daimler mit Hybridaggregaten beliefern. Könnte es auch bei reinen Elektroantrieben eine Zusammenarbeit zwischen Volvo und Daimler geben?

Aktuell haben wir keinen solchen Plan. Batterien und Elektromotoren sind ein neues, sehr wichtiges Gebiet. Wir müssen dabei auch kooperieren, wir können nicht alles machen. Im Prinzip sind wir dafür sehr offen. Aber aktuell gibt es keine Diskussionen bezüglich irgendeiner Zusammenarbeit mit Daimler auf diesem Gebiet.

Herr Samuelsson, vielen Dank für das Gespräch.

wed
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