Börsengang des Autobauers Die verdeckten Unwuchten bei Volvo Cars

Vorfahrt Richtung Elektrozeitalter: Volvos erstes reines E-Modell ist der XC40 Recharge - der allerdings noch auf einer konventionellen Plattform aufbaut
Foto: Volvo CarsEs soll einer der größten Börsengänge in Europa in diesem Jahr werden, hieß es im Vorfeld – bevor es bei der ganzen Sache zu rumpeln anfing. 25 Milliarden schwedische Kronen (etwa 2,5 Milliarden Euro) wollte der schwedische Autobauer Volvo, der seit 2010 dem chinesischen Autokonzern Geely gehört, mit dem Gang an die Börse einnehmen. Doch Anfang dieser Woche musste Volvo die Erwartungen nach unten revidieren. Nun erwartet der Konzern Erlöse von 20 Milliarden Kronen, also etwas mehr als zwei Milliarden Euro. Der Stückpreis der Aktien liegt mit 53 Kronen am unteren Ende der Preisspanne. Und Volvo startet an der Stockholmer Nasdaq-Börse einen Tag später als ursprünglich avisiert, nämlich erst am Freitag.
Grund der Verschiebung: Die institutionellen Investoren stören sich unter anderem an der starken Rolle von Geely bei Volvo. Geely hatte zunächst seinen nahezu vollen Zugriff auf Volvo gelockert, indem der Mutterkonzern auf eine Mehrzuteilungs-Option verzichtete - und damit nach dem Börsengang einen geringeren Anteil an Volvo halten wird als ursprünglich geplant. Doch das reichte nicht. Deshalb senkten die Chinesen zu Beginn der Woche auch den in Aussicht gestellten Ausgabepreis der Volvo-Aktie, um das Unternehmen für Kleinanleger attraktiver zu machen. Über das Wochenende habe es "intensive Gespräche mit Investoren" über die Bewertung von Volvo gegeben, gab Volvo-Chef Håkan Samuelsson gegenüber der "Financial Times" zu . Geely sei großzügig gewesen, die Preisspanne niedriger anzusetzen, das gebe Spielraum für neue Investoren.
Mit dem Gang aufs Parkett tut sich Volvo nicht zum ersten Mal schwer. Bereits vor drei Jahren standen die Schweden knapp vor der Erstnotiz, mussten sie wegen der damaligen Handelsstreitigkeiten zwischen den USA, Europa und China allerdings auf Eis legen. Nun will Volvo die Kapitalmärkte um frisches Geld anzapfen für seine im März angekündigten Elektrifizierungs-Pläne: Bis 2030 will die Marke nur noch Elektroautos verkaufen.
Doch das ist – wie bei allen klassischen Premiumherstellern – ein weiter Weg. Tesla ausgenommen, beginnt bei den meisten Anbietern die Massenfertigung reiner E-Autos erst allmählich. Bei Volvo standen rein elektrische Modelle zuletzt für 3 Prozent des gesamten Volvo-Absatzes von 662.000 Fahrzeugen. Die Marke bietet aktuell zwei reine E-Modelle an, den XC40 Recharge und seinen Crossover-Bruder C40. Beide bauen auf einer Plattform auf, die hauptsächlich für Verbrennungsmotoren konzipiert wurde. Damit haben die Schweden zwar die Massenfertigung im Griff, müssen aber auch viele Kompromisse bei der maximalen Batteriekapazität und Raumangebot im Inneren eingehen.
Abhilfe soll künftig eine neue, für reine E-Antriebe optimierte Plattform schaffen, die Volvo im Verbund mit dem Mutterkonzern Geely entwickelt hat. Auch die gemeinsame Tochter Lynk&Co soll sie nutzen, ebenso wie die Beteiligung Polestar.
Für die Volvo-Mutter ist der IPO in jedem Fall ein gutes Geschäft
Den einstigen Volvo-Haustuner Polestar haben die Schweden zum eigenständigen Anbieter von sportlicheren Elektroautos umgemodelt – und er ist für Analysten ein wesentlicher Grund, warum sie die Volvo-Aktie nun fair bewertet sehen. Das Unternehmen, an dem Volvo aktuell 49 Prozent hält und als Technik- und Teilespender fungiert, soll im kommenden Jahr per Spac-Börsenhülle an die Börse gehen. Die bislang kolportierte Polestar-Bewertung: 20 Milliarden US-Dollar. Damit wäre Polestar aus dem Stand mehr wert als die schwedische Traditions-Automarke, deren neue Bewertung nun bei knapp 18 Milliarden Dollar liegt. Dabei hat Polestar im vergangenen Jahr gerade mal 10.000 Fahrzeuge verkauft, ein Zweiundsechzigstel des globalen Volvo-Absatzes.
Volvo-Chef Samuelsson, dessen Vertrag gerade bis Ende 2022 verlängert wurde, muss sich auch aus weiteren Gründen auf unruhige Zeiten einstellen. Zuletzt musste Volvo den Abgang zahlreicher Topmanager verkraften – was darauf hindeutet, dass die Umsetzung der reinen Elektrolehre bis 2030 nicht ganz einfach wird. Analysten mosern auch, dass die Margen des Autoherstellers in der Vergangenheit nicht gerade auf Premium-Niveau waren. Zwischen 2017 und 2019 lag Volvo im Schnitt bei unter 6 Prozent operativer Marge, meint etwa das Analysehaus Jeffries, BMW schaffte da fast das Doppelte.
Einen klaren Gewinner des Börsengangs gibt es trotz aller jüngsten Turbulenzen: die Konzernmutter Geely. Sie hat im Jahr 2010, knapp nach der Finanzkrise, 1,8 Milliarden Dollar für die schwedische Marke bezahlt. Der IPO am Freitag bewertet Volvo mit dem Zehnfachen des damaligen Preises. Obendrauf kommt dann noch der Volvo-Anteil an Polestar, wenn die E-Auto-Tochter im kommenden Jahr freundlich an der Börse empfangen wird.