Volkswagens Konzernstrategie Herbert Diess will Tesla 2025 überholen

Will Volkswagen zum Tech-Riesen ummodeln: Konzernchef Herbert Diess
Foto: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto / imago images/EibnerSeinen Vertrag hat er gerade bis Herbst 2025 verlängert bekommen - nun will Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess (62) so richtig Tempo machen beim Umbau in Richtung Tech-Konzern: Mit seinen elf Fahrzeugmarken bereite sich der Autokonzern Volkswagen darauf vor, in der neuen Mobilitätswelt eine führende Rolle zu spielen, sagte Diess zur Präsentation der nächsten Etappe der Konzernstrategie bis 2030.
In den kommenden Jahren will Volkswagen den CO2-Fußabdruck pro Auto über den gesamten Lebenszyklus um ein Drittel senken. Das heutige robuste und margenstarke Geschäft mit Verbrennungsmotoren soll die Umstellung auf E-Mobilität finanzieren und beschleunigen. Gleichzeitig sollen die Margen von E-Autos durch niedrigere Batterie- und Produktionskosten sowie steigende Stückzahlen verbessert werden. In zwei bis drei Jahren werden sich die Margen der beiden Technologien in etwa angeglichen haben, schätzt der Autokonzern.
Welche Rolle Elektroautos und Software in den kommenden Jahren im Konzern bekommen - das erläuterte Diess heute ziemlich detailliert. Die Transformation vom Verbrenner zum Elektroauto ließ er dabei schon fast hinter sich. Die Pläne stehen fest, Haken dran. Er gibt in der Strategie "New Auto" ein anderes großes Versprechen. Volkswagen will erreichen, was Apple, Google und Amazon in der Tech-Welt geschafft haben: Das Auto als das am stärksten vernetzte Gerät der Welt zum rollenden Geschäftsmodell ausbauen.
VW soll Tesla schon 2025 überholen
Die klare Kampfansage von Diess: Volkswagen will auch bei Elektroautos Marktführer werden, der E-Anteil soll global 2030 etwa 50 Prozent erreichen. Den Rivalen Tesla will er dabei überrunden. Die Fahrzeugkonzepte näherten sich langsam an, auch bei den Komponenten konsolidiere sich die Technik, sagte Diess in Richtung Elon Musk. "2025 sollten wir eine gute Chance zum Überholen haben".
Auch darüber hinaus hat Diess ehrgeizige Ziele. Er peilt für den Konzern, der heute in der Regel auf sechs bis sieben Prozent Umsatzrendite kommt, schon 2025 acht bis neun Prozent an. Basis dieses Versprechens ist die Annahme, dass die Umsätze der Autoindustrie sich bis 2030 mehr als verdoppeln könnten. Die Volkswagen-Strategen gehen davon aus, dass branchenweit dann zwei Billionen Euro Softwareeinnahmen zusätzlich realistisch sind. Der Umsatz der gesamten Autoindustrie könnte so von heute gut zwei Billionen Euro auf rund fünf Billionen Euro in 2030 steigen.
Die Grundidee: Aufgesetzt auf die künftige Konzernarchitektur SSP, sollen die Funktionen der Volkswagen-Elektromodelle fast komplett per Software-Update freischaltbar sein für autonomes Fahren und andere mobile Dienstleistungen, immer gegen Aufpreis. Mobilitätsdienste mit autonom fahrenden Autos etwa könnten für den Konzern auf mehreren Ebenen "hoch profitabel" sein, sagt Diess. Volkswagen müsse die Flottendienste dabei nicht einmal unbedingt selbst betreiben.
Das Problem: Volkswagen ist noch nicht so weit. Insbesondere die Softwareeinheiten tun sich schwer. Die IT-Tochter Cariad ist noch im Aufbau, der Konzern investiert hier jährlich rund 2,5 Milliarden Euro. Auch das gemeinsam mit Ford geführte Joint Venture Argo ist noch nicht am Ziel.
Damit das alles funktioniert, hat Diess ähnlich wie schon sein Vorgänger Matthias Müller (68) Konzerninitiativen eingesetzt. So soll sich Finanzvorstand Arno Antlitz (51) um Fixkostenoptimierung und ein verbessertes Betriebskapital kümmern und die fälligen Milliardeninvestionen absichern. Technikchef Thomas Schmall (57) soll das Ausrollen der Batteriezellenwerke organisieren; die dritte der angekündigten sechs Gigafabriken wird wahrscheinlich in Spanien gebaut.
Neue Kooperation soll Schwäche in China beseitigen
In den Konzerninitiativen müssen sich die verantwortlichen Vorstände aber auch um die Problemregionen kümmern. Nordamerika etwa ist schon seit 20 Jahren eine Zone des Misserfolgs; dort will Volkswagen das Elektrifizierungstempo künftig deutlich erhöhen. Die Hoffnung liegt auf US-Präsident Joe Biden (78), der die CO2-Ziele verschärfen und die Elektroförderung erhöhen will.
Diess will sich mit der Schwäche in den USA nicht zufriedengeben. Der Konzernchef sagte, er peile für die USA künftig einen Marktanteil von etwa 10 Prozent für die gesamte Volkswagen-Gruppe an. Das entspräche in etwa einer Verdoppelung des heutigen Anteils.
Aber auch China hat sich zuletzt zur Krisenzone entwickelt; die Absätze entwickeln sich unüblich schwach. Und das sind sie nicht gewohnt in Wolfsburg. Diess will dort vor allem in Sachen Elektro expandieren, so baut er die Kooperation mit der chinesischen Batteriezellenfirma Gotion aus: Die in Salzgitter geplante Batteriezellfabrik will Volkswagen zusammen mit dem chinesischen Partner bauen. Der Konzernchef begrüßte die Kooperation mit der Ankündigung, er wolle Volkswagen zu einem der Top-3-Batteriezellenhersteller der Welt entwickeln.
Ab 2025 soll in Salzgitter die Produktion der Einheitszelle für das Volumensegment starten, von der sich Europas größter Autobauer deutliche Kostensenkungen verspricht. In Schweden plant Volkswagen zusammen mit den Batteriezellspezialisten Northvolt bereits die Produktion von Premiumzellen.
Als Standort für eine dritte große Batteriezellfabrik komme Spanien in Frage, bestätigte VW nun. Dort prüfe der Konzern zusammen mit einem strategischen Partner die Option für den Aufbau einer Gigafabrik mit einer Jahreskapazität von ebenfalls 40 Gigawattstunden. Außerdem will die VW-Gruppe die Fertigung ihrer geplanten Elektro-Kleinwagenserie ("Small BEV") ab 2025 in Spanien ansiedeln. Eine konkrete Investitionsentscheidung hänge in diesem Fall unter anderem davon ab, ob es staatliche Unterstützung hierfür gebe.
Betriebsrat fordert zweites Batteriezellenwerk in Deutschland
Das südeuropäische Land, so betonte die VW-Führung nun, werde "eine strategische Säule in der Elektrostrategie". Ein strategischer Partner werde noch gesucht.
Der Betriebsrat sprach sich in einer Stellungnahme für ein zweites Batteriezellenwerk neben der geplanten Gigafabrik in Salzgitter aus. Der Konzern sei dieser zweiten Zellfabrik mit der neuen Strategie einen entscheidenden Schritt näher gerückt.
Konkret sei vereinbart worden, dass der Vorstand grundsätzlich bereit sei, eine weitere Zellfabrik in Deutschland zu realisieren. Für eine entsprechende Entscheidung über eine solche Investition sei die "nötige Wirtschaftlichkeit und die politische Unterstützung durch eine künftige Bundesregierung ausschlaggebend". Der Vorstand werde entsprechende Möglichkeiten für einen deutschen Standort sondieren. Ziel seien wettbewerbsfähige Bedingungen für eine zweite Gigafabrik in Deutschland.