Beurlaubter Entwicklungschef Hackenberg: In Erklärungsnot
Foto: REBECCA COOK/ REUTERSIn der Affäre um gefälschte Abgaswerte bei Volkswagen liegen der internen Revision des Unternehmens erste Geständnisse vor.
Mehrere VW-Ingenieure hätten bei Befragungen übereinstimmend ausgesagt, die Manipulations-Software im Jahr 2008 installiert zu haben, berichtete die "Bild am Sonntag". Zu diesem Zeitpunkt habe der Dieselmotor EA 189, der bei VW seit 2005 entwickelt worden war, kurz vor der Serienproduktion gestanden.
Damals sei keine Lösung gefunden worden, mit der sowohl die Abgasnormen als auch die Kostenvorgaben für den Motor hätten eingehalten werden können.
Deshalb sei entschieden worden, die Manipulations-Software zu verwenden, gaben die VW-Ingenieure laut "BamS"-Bericht zu Protokoll. Anderenfalls hätte das für den Konzern überaus wichtige Motorenprojekt gestoppt werden müssen. Die manipulierten Motoren sind weltweit in Diesel-Fahrzeugen von VW eingebaut, allein in Deutschland in 2,8 Millionen Autos.
Unklar ist laut "BamS" weiterhin, wer die Anweisung zur Installation der Manipulations-Software gab.
In den Befragungen durch die VW-Konzernrevision hätten mehrere Ingenieure Vorwürfe gegen den damaligen Entwicklungschef Ulrich Hackenberg erhoben. Dieser habe von dem Betrug zumindest gewusst und ihn angeblich sogar in Auftrag gegeben. Zu seiner Rolle lägen allerdings widersprüchliche Aussagen vor, berichtete die Zeitung. Audi-Vorstand Hackenberg, der jahrelang bei VW als Entwicklungschef tätig war, war vor einer Woche beurlaubt worden. Laut "BamS" wollte er sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Wie die Zeitung weiter berichtete, verwendete Volkswagen für die Manipulationen auch eine Software des Zulieferers Continental. Während bei den in Nordamerika eingesetzten 2,0-Liter-Dieselmotoren Bosch-Technologie eingesetzt wurde, habe VW bei der kleineren 1,6-Liter-Variante auf Motorsteuerungen, Einspritzpumpen und Einspritzdüsen von Continental zurückgegriffen.
Pötsch hält Lage für existenzbedrohend
Continental-Sprecher Felix Gress sagte der "BamS", sein Unternehmen habe keine Hinweise auf einen Missbrauch seiner Technik gehabt: "Die von uns gelieferte Software konnte keine Abgaswerte manipulieren." Das umstrittene Programm für die Zulassungstests habe VW eigenständig hinzugefügt.
Gemeinsam mit den Zulieferern bereitet Volkswagen derzeit eine Rückrufaktion vor, um die verbotene Technik aus den Diesel-Fahrzeugen zu entfernen. Während bei der Bosch-Software offenbar ein Computer-Update in der Werkstatt genügt, soll es beim Continental-System laut teurer und aufwändiger sein, da auch beim Motor Veränderungen erforderlich seien.
Die Lage bei VW beurteilen offensichtlich nicht nur außenstehenden Beobachter und Experten als ernst. Auch der designierte VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sieht den Autobauer in einer äußerst prekären Lage. Pötsch habe bei einer internen Veranstaltung in Wolfsburg von einer "existenzbedrohenden Krise für den Konzern" gesprochen, berichtete die Zeitung "Welt am Sonntag" vorab. Demnach sei er aber sicher, die Probleme lösen zu können, wenn alle mitzögen: "Das kriegen wir hin".
Dem Bericht zufolge steht auch das geplante Investitionsbudget von mehr als 100 Milliarden Euro bis 2018 auf dem Prüfstand. Da sei viel Luft zum Sparen, zitierte die Zeitung einen Insider. Auch im Sommer 2014 gestartete Effizienzprogramme sollten noch mal verschärft werden. VW lehnte eine Stellungnahme ab.
VW droht Mammutverfahren - was Anleger jetzt wissen müssen
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... ist die Personalie Michael Horn. Er wird trotz des Abgas-Skandals weiter das Geschäft von Volkswagen in den USA leiten.
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... Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg, der gegen seine Suspendierung wehrt und jegliche Verantwortung im Abgasskandal bestreitet. Der Manager war 2007 zusammen mit Winterkorn von Audi nach Wolfsburg gewechselt. Er gilt als Erfinder des Baukastensystems, das Volkswagen derzeit bei immer mehr Marken einführt.
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Ex-Gewerkschaftsboss Huber ist offiziell nur stellvertretender Vorsitzender. Den Top-Job hält er kommissarisch, bis Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch im November übernimmt - so zumindest der Plan. Schon auf der Hauptversammlung im Mai zeigte er sich aber als besonnener Moderator.
Bernd Osterloh ist der starke Mann auf der Arbeitnehmerbank - im besonderen Volkswagen-System damit aber auch eine Art Co-Chef, der schon einmal einen eigenen Sparkatalog einreicht, höhere Effizienz fordert oder wichtige Personalien im Management mit entscheidet. Der Chef des Konzernbetriebsrats verdankt seine Position dem vorigen großen VW-Skandal: Sein Vorgänger Klaus Volkert musste vor zehn Jahren wegen der Affäre um Bestechung von Betriebsräten zurücktreten.
Als zweiter Vertreter der Beschäftigten ist Betriebsratsvize Stephan Wolf seit zwei Jahren im Aufsichtsrat, und auch in dessen Präsidium. Die Arbeitnehmervertreter wollen vor allem Ruhe in den Konzern bringen.
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Konzernpatriarch Ferdinand Piëch war im April nach seiner Niederlage im Machtkampf mit Vorstandschef Winterkorn zurückgetreten. Der Platz des Aufsichtsratschefs ist deshalb verwaist - ausgerechnet jetzt, da dem Konzern Milliardenstrafen drohen, der Aktienkurs einbricht und nun auch Winterkorns Position neu besetzt werden muss. Piëch selbst, von manchen noch als graue Eminenz von Volkswagen gefürchtet, konnte inmitten des Trubels in Ruhe die Automesse IAA besuchen.