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Volkswagen verliert Marktführerschaft: Die Lieblingsautos der Brasilianer

Foto: Paulo Whitaker / REUTERS

VW als größter Verlierer der Brasilien-Krise Wie Volkswagen seine eigene Hochburg schleifen lässt

Von Arvid Kaiser

Für die Ära nach Ferdinand Piëch muss der Volkswagen-Konzern noch neue Glaubenssätze finden. Der Altmeister und Immer-noch-Großaktionär war nie um knorrige Weisheiten verlegen. Eine davon, vor zwei Jahren dem "Spiegel" diktiert: "Wir verstehen Europa, wir verstehen China, und wir verstehen Brasilien, aber wir verstehen die USA bislang nur in einem begrenzten Maße."

Wie wahr, wird dieser Ausspruch nun wohl in Wolfsburg empfunden - mit Blick auf die USA. Doch der Diesel-Skandal kostet auch in Europa Marktanteile, die aus China gewohnten Wachstumsraten gehören der Vergangenheit an. Und Brasilien?

Das größte Land der Südhalbkugel, jahrelang als Wachstumsmarkt gefeiert, steht am Rand einer veritablen Depression. Der Automarkt schrumpfte im vergangenen Jahr um ein Viertel. Für die Marke Volkswagen , die dort zwischenzeitlich mehr Autos absetzte als auf dem deutschen Heimatmarkt, ging es noch stärker abwärts als für alle Konkurrenten: um 38 Prozent. Volkswagen ist jetzt hinter Fiat  und General Motors  auf den dritten Platz abgerutscht. Der Marktanteil hat sich in fünf Jahren annähernd halbiert.

27 Jahre lang Marktführer - und jetzt auf Rang 10

Beispielhaft zeigt der Volkswagen Gol (ohne F, der Name kommt vom portugiesischen Wort für ein Fußballtor), wie dem Konzern das Verständnis für den brasilianischen Markt verloren zu gehen scheint - und damit auch eine der wichtigsten Stützen für die Ambition als weltweite Nummer eins.

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"Der Gol war 27 Jahre in Folge nationaler Marktführer", heißt es stolz bei Volkswagen. War. Denn 2015 rutschte er auf den 6. Platz der Verkaufsstatistik, im Monat Dezember sogar auf den 10. ab. Für das Gesamtjahr stehen weniger als 83.000 Neuzulassungen zu Buche - in den Jahren 2009 bis 2013 waren es regelmäßig um die 300.000. Unter den meistgesuchten Modellen des Fachmagazins "Quatro Rodas" taucht der Gol gar nicht mehr auf.

Noch zu Jahresbeginn soll eine lang erwartete neue Version des Gol auf den Markt kommen - aber nicht als kompletter Modellwechsel wie zuletzt 2008, sondern nur mit einem weiteren Facelift. "Alle Varianten mit Reflektoren an der hinteren Stoßstange", zählt zu den aufregenderen Versprechen des Herstellers. Drinnen soll es mehr Infotainment geben, spekuliert die Motorpresse.

Technisch aber steht das Auto, das einst der Stolz brasilianischer Ingenieure war (das erste Modell mit Flexfuel-Antrieb, der sowohl Benzin als auch aus Zuckerrohr gewonnenen Ethanol verträgt), immer noch auf der Plattform des Polo IV. Der wurde in Deutschland von 2001 bis 2009 gebaut.

Volkswagen gibt den Anspruch als Nummer eins bewusst auf

Die Brasilianer wenden sich moderneren Fahrzeugen zu, die nicht unbedingt teurer sind - wie die direkten Wettbewerber Chevrolet Onix, Fiat Palio, Hyundai HB20 oder Ford Ka. Selbst der hauseigene Miniwagen Volkswagen Up, seit zwei Jahren im Land produziert, wird als direkter Ersatz wahrgenommen, weil auch der Gol unter "Einsteigermodelle" rubriziert wird.

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"Wer auf ein Auto gehofft hatte, das wie der Golf oder der Audi A3 auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) aufbaut, muss bis zur nächsten Generation in zwei Jahren warten", heißt es auf dem Portal "Carsale".

Der MQB wird neben den Konzernstrategen zwar vor allem ausgewiesene Auto-Aficionados und weniger die Normalkunden interessieren. Doch die Botschaft bleibt hängen: Allzu neu, aufregend und modern wird der Gol erstmal nicht. 2018 vielleicht, dann auch mit Potenzial zur weltweiten Vermarktung zumindest in Schwellenländern.

Die Investitionen in deutsche Premiummarken kommen zur Unzeit

Dem Wirtschaftsblatt "Isto É Dinheiro" zufolge, das mit dem neuen Brasilien-Chef des Konzerns David Powels sprach, hat Volkswagen do Brasil kurzfristig gar nicht den Anspruch, wieder Nummer eins zu werden. "Wir haben schon ähnliche Perioden in Brasilien durchgemacht, aber nie den Blick für die Zukunft verloren", äußert der gelernte Controller Powels Zuversicht.

Bis 2018 plant er mit Investitionen von zehn Milliarden Real (wegen des schwachen Wechselkurses nur noch 2,3 Milliarden Euro) in die brasilianischen Werke. Aber es muss sich eben rechnen. Und ein teurer Modellwechsel inmitten eines schrumpfenden Markts hat darauf geringe Chancen. Der leicht erneuerte Gol kann allenfalls vermeiden, den Anschluss an die Spitze ganz zu verlieren.

Es ist genau die Haltung, für die der finanzgetriebene Fiat-Boss Sergio Marchionne von den Car Guys in Wolfsburg so oft verspottet wurde: Was soll ich in neue Modelle investieren, wenn die Nachfrage nicht stimmt?

An anderer Stelle wagt der Konzern mehr. Seit Oktober ist auch die Premiummarke Audi mit eigener Produktion des A3 im Werk São José dos Pinhais vertreten - analog zu den deutschen Oberklasse-Wettbewerbern BMW  und Daimler , die ebenfalls brasilianische Produktionslinien hochgezogen haben oder noch dabei sind, ungeachtet der Krise. Doch trotz des Milliardenaufwands schaffen diese Marken es bislang alle nicht in die Top 50 der meistverkauften Autos in Brasilien.


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