"Wir haben noch nicht aufgegeben" Herbert Diess sieht Volkswagen nur "ein Gramm oder so" vor CO2-Ziel

Herbert Diess bei der Präsentation des VW ID.3 auf der IAA im September 2019
Foto: Wolfgang Rattay / REUTERSVolkswagen-Konzernchef Herbert Diess (62) sieht die EU-weiten CO2-Emissionsziele für die eigene Neuwagenflotte in Reichweite. Von den härteren Abgasgrenzwerten sei man nur "ein Gramm oder so" entfernt, sagte der Manager der "Financial Times" . "Wir haben noch nicht aufgegeben, aber es wird sehr eng, die Flottenziele zu erreichen."
Volkswagen habe noch immer eine Chance. Das hänge auch davon ab, wie viele Fahrzeuge mit niedrigen Emissionswerten im Rest des Jahres noch verkauft werden könnten. Autohersteller wie VW setzen vor allem auf Elektroantriebe, um die Ziele der EU zu erreichen.
Der Verkaufsstart des Elektromodells VW ID.3 hatte sich jedoch wegen Softwareproblemen in den September verzögert. Zudem scheint sich die Hoffnung auf den Durchbruch im Massenmarkt bislang kaum zu erfüllen. In Deutschland registrierte das Kraftfahrtbundesamt im September 1771 Neuzulassungen des ID.3. Der Hoffnungsträger schaffte es damit zum Start nicht unter die Top 50 der meistverkauften Autos, anders als die Elektromodelle Renault Zoe und Tesla Model 3. Immerhin: Im E-Automekka Norwegen erreichte der ID.3 mit 1989 Neuzulassungen die Spitze der Verkaufscharts und ein Achtel Marktanteil an allen Neuwagenverkäufen.
Ebenfalls im September schloss Volkswagen ein Abkommen mit dem chinesischen Joint-Venture-Partner SAIC und dessen britischer Marke MG Motor, um einen gemeinsamen Pool zu bilden - ähnlich wie Fiat Chrysler sich CO2-Gutschriften von Tesla erkauft. MG verkauft jedoch nur rund 1200 Elektroautos im Monat.
Erstmals drohen Bußgelder
Die Corona-Pandemie habe der Konzern zunächst sogar für hilfreich beim Flottenziel gehalten, sagte Diess der "FT". Denn angesichts des Absatzeinbruchs herkömmlicher Modelle mit Verbrennungsmotoren wäre es leichter, bei unverminderter Produktion von Elektroautos und Plug-in-Hybriden einen grüneren Produktmix hinzubekommen. "Doch es stellte sich als weiterhin schwierig herauf, weil wir auch beim Absatz von Elektrofahrzeugen verloren haben", so Diess.
In diesem Jahr müssen Hersteller in der Europäischen Union (EU) unter gewissen Ausnahmen den Grenzwert von 95 Gramm ausgestoßenem Kohlendioxid (CO2) je gefahrenem Kilometer im Schnitt ihrer neu verkauften Autos einhalten. Erstmals drohen Bußgelder beim Verfehlen der Ziele.
Für Autohersteller gelten dabei je nach Marktsegment teils höhere individuelle Werte, etwa weil zum Beispiel Daimler und BMW vorwiegend schwerere Fahrzeuge verkaufen. Daimler ist laut "FT" auf Kurs, obwohl es noch vor Kurzem schlecht aussah. "Mit einem sehr guten vierten Quartal können wir es noch schaffen", beharrte Konzernchef Ola Källenius (51) jüngst im manager-magazin-Interview .
Diess: "Von 2023 an sollten wir überhaupt keine Probleme mehr haben"
Als Einführungsphase dürfen in diesem Jahr noch die emissionsreichsten 5 Prozent der Fahrzeuge aus der Flotte herausgerechnet werden, diese Übergangsregelung entfällt 2021. In diesem Jahr verkaufte Elektroautos, die unabhängig von den tatsächlichen Emissionen mit null Gramm in die Rechnung eingehen, zählen doppelt.
Einige Konzerne hatten angesichts schleppender Elektroautoverkäufe befürchtet, wegen der neuen Regeln mit Milliardenstrafzahlungen belastet zu werden. Je verkauftem Fahrzeug und überschrittenem Gramm CO2 im Durchschnitt werden 95 Euro fällig, was sich schnell läppern kann. Die Verkaufsförderung für Plug-in-Hybride und Elektroautos in der Pandemie hat den Elektroautos jedoch einen deutlichen Schub beim Marktanteil gegeben. Volkswagen-Vertriebsmanager Christian Dahlheim hatte vergangene Woche bereits von einem "engen Rennen" gesprochen.
Insgesamt sprach Diess von einem "Marathon", in dem es auf die Ergebnisse in einzelnen Jahren nicht so sehr ankomme. Im kommenden Jahr werde es für seinen Konzern mit dem Verkaufsstart des elektrischen Kompakt-SUV VW ID.4 schon einfacher, und "von 2023 an sollten wir überhaupt keine Probleme mehr haben".