"Erheblicher Nachbesserungsbedarf" VWs Hoffnungsträger ID.3 enttäuscht im Test

Der Volkswagen ID.3 rollt in Zwickau vom Band
Foto: Matthias Rietschel / REUTERS

Der Volkswagen ID.3 rollt in Zwickau vom Band
Foto: Matthias Rietschel / REUTERSMitten im Aufbruch in die Elektromobilität muss Volkswagen-Chef Herbert Diess (61) einen Dämpfer hinnehmen. Das neue Elektroauto ID.3, das dem Wolfsburger Autokonzern den Weg ins Elektrozeitalter ebnen und VW auf Augenhöhe mit Tesla bringen soll, fiel beim Test eines Branchenmagazins durch. Der rein batteriegetriebene Wagen habe zwar mit seinen Fahreigenschaften überzeugt, bei der Elektronik und der Verarbeitung, gebe es aber "erheblichen Nachbesserungsbedarf", berichtete die Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" am Mittwoch aus ihrer aktuellen Ausgabe. Volkswagen verwies darauf, dass es sich um ein seriennahes Fahrzeug gehandelt habe und kündigte an, die in dem Testbericht angesprochenen Punkte zu prüfen.
Bei dem Testbericht fällt auf, wie rigoros das Magazin den ID.3 beurteilt: Obwohl der getestete Wagen mit einem Preis von fast 49.000 Euro in der Liste stehe (vor Abzug der möglichen Umweltprämie von 9480 Euro), erfülle das Auto nicht die bei VW gewohnten hohen VW-Ansprüche an Passgenauigkeit der Karosserieteile, minimale Spaltmaße, hochwertige Materialien und Details. Laut "Auto, Motor und Sport" zeigt auch die Elektronik in dem seriennahen Testwagen deutliche Schwächen.
Das Infotainment fahre nur langsam hoch und das Navigationsgerät bleibe oft mehrere Hundert Meter orientierungslos hängen. Auch der Akku liefere "keine üppigen Reichweiten". So schaffe der ID.3 bei defensiver Fahrweise zwar knapp 360 Kilometer. Im Test inklusive Autobahn- und Stadtfahrten sei der Akku dagegen nach rund 260 Kilometern leer. Antrieb und Fahrwerk funktionierten dagegen perfekt.
Der Test kommt sowohl für Volkswagen als auch für Konzernchef Diess höchst ungelegen. Am Freitag wird der erste ID.3 an einen Kunden in Deutschland übergeben. Tesla-Chef Elon Musk ist den Wagen vergangene Woche bei einer Stippvisite in Deutschland im Beisein von Diess auf dem Braunschweiger Flughafen Probe gefahren. Diess wirbt seit Wochen auf dem Karriere-Netzwerk LinkedIn für den Wagen, von dessen Erfolg sein Verbleib an der Konzernspitze abhängt.
Für VW ist der Start des ID.3 ein wichtiger Meilenstein - es ist das erste von rund 22 Millionen Fahrzeugen, die auf Basis des neuen Elektrobaukastens MEB bis 2028 weltweit produziert und ausgeliefert werden sollen. Die ersten rund 30.000 Fahrzeuge sind bereits fest bestellt. Die Produktion des ID.4, des ersten Elektro-SUV der Wolfsburger, ist bereits angelaufen.
Der Marktstart des ID.3 hatte sich allerdings zur Zitterpartie entwickelt. Angekündigt hatte VW ursprünglich, dass das Modell "im Sommer 2020" ausgeliefert werden sollte, doch wegen massiver Softwareprobleme verzögerte sich der Start um einige Wochen. Angesichts der massiven Umsatzausfälle durch die Folgen der Corona-Krise setzen die VW-Händler große Hoffnungen in den Verkauf des Elektroautos.
Die Nachfrage hat die Erwartungen nach Angaben des Konzerns weit übertroffen, die Lieferzeit beträgt anstelle der üblichen vier bis sechs Wochen inzwischen rund vier Monate. Sollten die Kunden nun unzufrieden mit dem Modell sein, wäre das für VW eine Katastrophe.
Außenmaße wie ein Golf, Raumangebot wie ein Passat, eine Reichweite ab 330 Kilometern und ein Basispreis von knapp 30.000 Euro: Mit diesen Eckdaten schickt VW seinen ID.3 gegen Tesla ins Rennen. Nach langem Hin und Her ist nun offiziell klar: Ab der 37. Kalenderwoche 2020, also im Zeitraum 7. bis 13. September, werden die ersten ID.3-Fahrzeuge in den meisten Ländern Europas ausgeliefert.
Angekündigt hatte VW ursprünglich, dass der ID.3 "im Sommer 2020" ausgeliefert werden sollte, nun hat sich der Marktstart um wenige Wochen verzögert. Der Grund dafür waren massive Softwareprobleme, über die manager magazin bereits im Dezember 2019 berichtete. Die Probleme beim ID.3-Anlauf waren auch mit ein Grund dafür, dass VW-Chef Herbert Diess vor kurzem die Kontrolle der Marke VW abgeben musste - nach einem heftigen Streit mit dem Aufsichtsrat.
Der Elektro-Kompaktwagen ist das wichtigste, weil volumenträchtigste Modell, mit dem Diess den Wolfsburger Autobauer zum Primus der Elektromobilitäts-Ära machen will. Kein Wunder, dass Diess das Projekt "Volks"-Elektrowagen seit seinem Wechsel von BMW zu VW im Jahr 2014 maßgeblich vorantrieb. Im Herbst 2016 zeigte VW auf dem Pariser Autosalon erstmals eine Konzeptstudie des I.D., wie der Wagen damals noch hieß ...
... gemeinsam mit dem damaligen Konzernchef Matthias Müller präsentierte Diess, damals noch als Chef der Marke VW, den Wagen der Weltöffentlichkeit. Anders als bei früheren VW-Modellen geizte VW bereits in der Entwicklungsphase nicht mit Fingerzeigen, wohin die Elektro-Reise gehen sollte ...
... im Jahr 2017 etwa stellten die Wolfsburger in den USA einen Prototypen der geplanten VW-ID-Elektroautoreihe vor, den ID. Buzz. Die Anleihen am Bulli waren kaum zu übersehen - und taktisch klug. Denn in den USA hat der Bulli als Vehikel der Hippie-Ära Kult-Status - VW wollte so auch einen Schwenk weg vom Dieselsünder-Image schaffen. Im August 2017 bekräftigte VW dann, dass die Studie Buzz in Serie gehen werde, Ende des Jahres ...
... fuhr VW auf der L.A. Motorshow dann gleich drei Prototypen (im Bild) der künftigen I.D.-Elektroautofamilie auf. Auf dem Genfer Autosalon im März 2018 zeigte Diess als Markenchef dann noch ein viertes mögliches Modell, den ID. Vizzion. Der sei "der emotionalste Volkswagen", lobte Diess damals die Leistung seiner Entwickler. Ein Monat später wurde Diess dann zum neuen Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns befördert. Im November 2018 entschied der Konzern, das Werk im sächsischen Zwickau zur Elektroauto-Fabrik umzurüsten ...
... kurz zuvor gab VW auch Details zu seiner neuen Elektroauto-Plattform preis, auf der der ID.3 als erstes Fahrzeug entstehen sollte. Daraufhin rollte eine veritable Meldungswelle zur Elektroauto-Hoffnung des Konzerns an ...
... es gab erste Bilder des Fahrzeugs und die Ankündigung, dass man den E-Volkswagen wie bei Tesla Monate vor der offiziellen Präsentation bereits online vorreservieren könne. Am 8. Mai 2019 war es dann so weit, VW-Vertriebschef Jürgen Stackmann ...
startete in Berlin die Online-Bestellungen und zeigte eine nur geringfügig verhüllten finalen ID.3.-Prototypen in einem Glaskubus. 30.000 ID.3 "First Edition" ließen sich online vorreservieren, diese Vorbestellungs-Marke knackte VW dann bis Anfang September 2019. Auf der VW-Vorabendveranstaltung zur Automesse IAA stellte Diess dann endlich ...
... die Serienversion des Elektrowagens vor. "Der ID.3 ist mehr als ein neues Modell. Das ist das Auto, das jetzt von uns erwartet wird", erklärte Diess in seiner Rede. Der Wagen sei der Auftakt einer großen Elektro-Offensive, die sich durch den ganzen Konzern ziehe, machte Diess damals noch die Bedeutung klar. Ärgerlich nur ...
... liefen deshalb noch vergleichsweise "dumm" vom Band, wie manager magazin Ende 2019 berichtete. Die Software sollte erst später aufgespielt werden. Von den internen Problemen war natürlich keine Rede, als Bundeskanzlerin Angela Merkel im November 2019 das Werk besuchte.
Wie heftig die Software-Probleme tatsächlich waren, enthüllte manager magazin Ende Februar 2020. Das neue Betriebssystem kommt auch in der neuen, 8. Generation des VW-Bestsellers Golf zum Einsatz - dessen Auslieferung deshalb Mitte Mai 2020 ebenfalls gestoppt werden musste.
Mitten in der Coronakrise und trotz der Softwareprobleme bei den zwei wichtigsten Modellen forderte Diess gegenüber dem Aufsichtsrat auch noch eine vorzeitige Vertragsverlängerung: Das führte zum Eklat. Bereits Ende Mai berichtete manager magazin, dass Diess Vertragsverlängerungswunsch nicht entsprochen wurde und der VW-Konzernchef im heftigen Clinch mit seinen Betriebsräten liege.
Am 9. Juni folgte der Paukenschlag: Diess musste seine Funktion als VW-Markenchef an Ralf Brandstetter abtreten und gilt seither als angeschlagen - auch wenn er nun versucht, den Clinch mit den Arbeitnehmern zu kitten. Der holprige Start des ID.3, soviel lässt sich jetzt schon sagen, hat Diess Macht erstmal kräftig beschnitten.
startete in Berlin die Online-Bestellungen und zeigte eine nur geringfügig verhüllten finalen ID.3.-Prototypen in einem Glaskubus. 30.000 ID.3 "First Edition" ließen sich online vorreservieren, diese Vorbestellungs-Marke knackte VW dann bis Anfang September 2019. Auf der VW-Vorabendveranstaltung zur Automesse IAA stellte Diess dann endlich ...
Foto: Kay Nietfeld/ dpaMitten in der Coronakrise und trotz der Softwareprobleme bei den zwei wichtigsten Modellen forderte Diess gegenüber dem Aufsichtsrat auch noch eine vorzeitige Vertragsverlängerung: Das führte zum Eklat. Bereits Ende Mai berichtete manager magazin, dass Diess Vertragsverlängerungswunsch nicht entsprochen wurde und der VW-Konzernchef im heftigen Clinch mit seinen Betriebsräten liege.
Foto: Sebastian Willnow/ DPAMit dem Produktionsstart im Zwickauer Werk im November 2019 begann für Volkswagen eine neue Ära. Ein knappes Jahr später bekommen die ersten Kunden ihre E-Mobile von VW. 33 Milliarden Euro will der Konzern bis 2024 in die Elektromobilität investieren, ein Drittel davon in der Kernmarke VW. Die Elektrowette wurde zuletzt noch erhöht: Eine Million E-Autos will der Konzern nun bis 2023 bauen. Bis 2025, der bisherigen Zielmarke, sollen es dann schon 1,5 Millionen sein.
Im Zentrum der Offensive steht das Modell ID 3, das in Zwickau bereits vom Band läuft und im Sommer 2020 auf den Markt kommen soll: der Elektro-Volkswagen mit Einstiegspreisen unter 30.000 Euro.
Zeitgleich startet im selben Segment die achte Generation des Bestsellers VW Golf - wie das Vorgängermodell auch schon mit Elektro-Hybridvarianten. Im Lauf des Jahrzehnts will der Volkswagen-Konzern aber auf bis zu 75 reinelektrische Modelle kommen.
Die meisten davon sind als Teil der Modellfamilie ID auf der Plattform Modularer Elektrifizierungsbaukasten (MEB) geplant. Der Elektro-Crossover ID 4, basierend auf der Studie ID Crozz (Bild von der Automesse IAA 2017), soll ebenfalls noch 2020 kommen.
"Spätestens 2022" will Volkswagen mit dem ID Vizzion in die elektrische Oberklasse vorstoßen. Sicherheitshalber bekommt das Produktionsfahrzeug, anders als die Konzeptautos, auch ein Lenkrad - ganz so weit ist die Technik fürs vollautonome Fahren wohl doch noch nicht.
Ebenfalls 2022 heißt das Zieldatum für den ID Buzz, die Neuauflage des VW-Bullis. Mit einer Studie namens Budd-E fand der MEB seine erste Anwendung.
Natürlich ist auch ein SUV im Programm: Der ID Roomzz wurde auf der Automesse Shanghai Auto Show 2019 vorgestellt.
In Los Angeles legte VW mit dem ID Space Vizzion nach - einem Elektro-Kombi, der 2021 auf die Straßen kommen soll.
Auf dem Genfer Autosalon 2019 setzte sich Konzernchef Herbert Diess in den ID Buggy. Das Spaßgefährt zeigt, welche Modellvielfalt auf der Plattform kostengünstig zu produzieren sein soll.
Die übrigen Konzernmarken setzen teils auf eigene Elektrostrategien. Audi hat schon vor zehn Jahren die eigene Marke E-tron eingeführt, seit 2019 sind rein batteriebetriebene SUV auf dem Markt. Inzwischen wird bei Audi unter neuer Führung ein ganz anderes Konzept entwickelt, um Teslas Führung in der Elektrooberklasse anzugreifen. Projektname: Artemis, Ziel für den Marktstart: 2024. Das erste Modell mit dem Arbeitstitel Landjet soll ausdrücklich kein SUV werden, sondern eine Kombilimousine.
Porsche will bald nur noch den Sportwagen-Klassiker 911 mit Verbrennungsmotor anbieten. Der zum Jahresende 2019 erstmals ausgelieferte Taycan steht für vollelektrische Autos im sechsstelligen Preissegment.
Skoda will seine Elektro-Crossover-Visionen (im Bild eine Variante von der IAA 2017) 2020 in die Produktion bringen. Die Elektromarke iV wird bereits als Zusatz für E-Varianten herkömmlicher Modelle wie Superb oder Citigo verwendet.
Seat bekommt einen größeren Auftrag: Aus dem in Genf vorgestellten Konzeptauto el-Born soll eine Plattform für kleine Elektroautos mit Einstiegspreis unter 20.000 Euro entwickelt werden, die dann auch in anderen Konzernmarken eingesetzt werden kann.