Umweltexperte zum VW-Abgasskandal "Es ist nur Zufall, dass es Volkswagen als erstes erwischt hat"

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Foto: DPAAxel Friedrich war Abteilungsleiter "Umwelt und Verkehr" beim Umweltbundesamt, er berät Institutionen wie die Weltbank und kämpft seit Jahren entschlossen für die Reduzierung der Schadstoff-Emissionen im Straßenverkehr. Mit manager-magazin.de sprach der Umweltexperte über den Abgasskandal bei Volkswagen und die möglichen Konsequenzen daraus.
mm.de: Herr Friedrich, Volkwagen hat zugegeben, bei den Abgaswerten in den USA getrickst zu haben. Laut den Kontrolleuren, die den Betrug aufgedeckt haben, soll das Ganze über eine sogenannte "Defeat Device Software" gelaufen sein. Können Sie mal erklären, wie so etwas funktioniert?

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Friedrich: Das ist eine Software, mit der sich erkennen lässt, ob das Fahrzeug sich im Straßenverkehr oder auf dem Prüfstand befindet. Welche Situation gegeben ist, dafür gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen: Drehen sich nur zwei Rädern von vieren, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Auto normal im Straßenverkehr unterwegs ist, eher gering. Auch eine fehlende Anzeige beim GPS oder wenn der Motor beschleunigt aber der Beschleunigungssensor nichts anzeigt, sind das Hinweise, dass sich der Wagen womöglich auf dem Prüfstand befindet. Und je nach Situation lässt sich auch das Emissionsverhalten steuern.
mm.de: Haben Sie die Enthüllungen schockiert?

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Friedrich: Nein. Das ist ja im Grunde nichts Neues. VW ist ja nicht der erste Hersteller, der deswegen Ärger am Hals hat. Alle möglichen Hersteller, darunter auch Hyundai und Toyota, hatten schon solche Probleme und haben deshalb zum Teil sogar schon Millionenstrafen gezahlt. Neu ist nur, dass es in diesem Fall auch für Dieselfahrzeuge gilt.
mm.de: Die US-Behörden sind dafür bekannt, dass sie empfindliche Strafen verhängen. Wieso geht ein Autobauer wie Volkswagen in den USA das Risiko ein, erwischt zu werden?
Friedrich: Gründe, zu solchen Tricks zu greifen, gibt es viele. Vielleicht hat man ein Fahrzeugteil entwickelt und merkt plötzlich: es gibt Probleme. Dann ändert man eben die Software. Oder man will den Kunden einfach nichts zumuten. Ob das Leistungseinbußen sind, ein höherer Kraftstoffverbrauch oder die Unannehmlichkeit, Harnstoff in den Wagen füllen zu müssen.
mm.de: Heißt das, Sie gehen davon aus, dass auch in Europa getrickst wird?
Friedrich: Ja. Es ist nur Zufall dass es Volkswagen als erstes erwischt hat. In Europa gibt es noch eine ganze Reihe anderer Fälle. Nur bei uns prüft keiner nach. Wir machen die Augen zu und tun so, als sei alles in Ordnung.
mm.de: Denken Sie, die Problematik ist der Politik bekannt?
Friedrich: Ja, die Problematik ist bekannt. Aber die Verknüpfung zwischen der Autoindustrie und der Politik sind eng. In anderen Ländern wie Italien, Schweden oder Frankreich ist es allerdings auch nicht besser. Aber wenn ich ein Gesetz mache, muss ich das auch nachprüfen. Wer nicht nachprüft, wird beschissen. Das ist in allen Bereichen des Lebens so.