
Opel-Marketingchefin Tina Müller "Du bist wahnsinnig, mach das bloß nicht"
Das Interview wurde auf der Hauptbühne des SPOBIS 2017 öffentlich geführt. Die Zitate von Tina Müller stammen ausschließlich aus dem Gespräch mit Moderator Philipp Klotz.
SPONSOR S : Frau Müller, Sie waren von 2011 bis 2014 dreimal Marketingmanagerin des Jahres. Was war Ihr Erfolgsrezept?
Tina Müller: Das haben andere entschieden. Ich habe in meiner alten Branche noch Shampoos und Gesichtscreme verkauft, jetzt sind es Autos. Das Interessante ist, dass sich die Markeninstrumente über die Branchen hinweg übertragen lassen. Und wenn man die richtigen Knöpfe drückt, kann man auch mehr verkaufen und Marktanteile gewinnen.
SPONSOR S : Als Sie 2013 zu Opel gewechselt sind, ging es Opel gelinde gesagt nicht gut. Das Unternehmen musste hohe dreistellige Millionenverluste ausweisen. Innerhalb von zweieinhalb Jahren wurde dreimal der CEO ausgewechselt, Werke mussten geschlossen werden. Was hat Sie dennoch gereizt an Opel?
Tina Müller (Jahrgang 1968) ist seit August 2013 für die Adam Opel AG tätig. Sie verantwortet als Chief Marketing Officer (CMO) und Member of the Management Board der Opel Group die gesamte strategische Marken- und Produktführung des Automobilkonzerns und das europäische Urban-Mobility-Geschäft von General Motors sowie den Konnektivitätsservice "Onstar". Vor ihrem Wechsel zu Opel war Müller in der Kosmetikbranche tätig. Ihre Karriere startete sie als Trainee bei L'Oréal Deutschland und wechselte dann zunächst zu Wella. Anschließend war sie von 1995 bis 2013 17 Jahre lang in unterschiedlichen Positionen für Henkel tätig, zuletzt als Corporate Senior Vice President, Regional Head West Europe und CMO im Bereich Beauty Care, wo sie unter anderem die Traditionsmarke Schwarzkopf führte.SPONSORs 4/17
Müller: Schlimmer konnte es ja nicht mehr werden (lacht). Ehrlich gesagt, hatte ich den Wechsel auch nicht geplant. Ich war eigentlich innerhalb der Kosmetikbranche auf dem Weg zu einem anderen Unternehmen. Und irgendwann bekam ich dann einen Anruf, ich sollte Karl-Thomas Neumann (Vorsitzender der Geschäftsführung der Opel Group, Anm. d. Red.) kennenlernen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt gar nicht, wer Karl-Thomas Neumann ist und hatte mich bis dahin überhaupt nicht mit der Automobilindustrie beschäftigt.
SPONSOR S : Sie haben Herrn Neumann aber trotzdem getroffen.
Müller: Ich hatte damals zwei bis drei Wochen Zeit, um mich vorzubereiten. Unter anderem bin ich auch zu einigen Autohändlern gefahren und habe mir die Krise leibhaftig angeschaut. Nach den ersten Gesprächen erwuchs dann auch die Motivation, die Herausforderung anzunehmen und es zu versuchen. Ich wusste natürlich, dass es sehr risikoreich sein würde und es auch schiefgehen könnte. Viele in meinem Familien- und Bekanntenkreis sagten zu mir: "Du bist wahnsinnig, mach das bloß nicht." Andere sagten: "Du kannst das nicht schaffen, das ist unmöglich." Und sicherlich hatte vor dreieinhalb Jahren kaum einer darauf gewettet, dass man die Marke nochmals drehen kann. Aber mich hat das herausgefordert und es sind sehr harte dreieinhalb Jahre Arbeit geworden. Mittlerweile geht es voran, Schritt für Schritt, und wir verkaufen wieder deutlich mehr Autos. Wir arbeiten daran, dass Herr Watzke nur noch Insignia fährt und seinen Zweitwagen, die S-Klasse, ganz stehen lässt. Wenn wir das erreicht haben, sind wir wirklich am Ziel (lacht).
SPONSOR S : Ihr größter Coup war sicherlich die Kampagne "Umparken im Kopf". Wie kam es dazu?
Müller: Ich wusste damals, dass wir als Erstes versuchen müssen, das Image zu drehen. Dass es nicht mehr peinlich ist, Opel zu fahren. Und das geht nur über emotionale Kommunikation. Da gibt es in erster Instanz kein anderes Mittel, wenn man noch keine innovativen Produkte hat. Schon bevor ich anfing, habe ich daher als Erstes die Agentur besucht.
SPONSOR S : Weshalb?
Müller: Es ging damals um die Kampagne für den neuen Insignia. Ich habe mir angeguckt, was die Agentur vorbereitet hatte. Im Automobilbereich ist die Kommunikation einer Modellreihe immer sehr produktfokussiert. Ich habe damals gesagt: Wir müssen erst einmal darüber sprechen, dass diese Marke ein Problem hat. Und wir müssen dieses Problem angehen. Der erste Film, den wir dann innerhalb von wenigen Wochen zusammen gemacht haben, war der Flugzeugspot mit Jürgen Klopp. Das war eigentlich der Anfang.
SPONSOR S : Und dann kam "Umparken im Kopf".
Müller: Genau. Als der Kreativchef von Scholz & Friends mir diesen Slogan präsentierte, wusste ich innerhalb von drei Sekunden: Der sitzt. Das ist Autosprache, das sagt genau das aus, was wir versuchen wollen, bei unserer Zielgruppe zu erreichen.
SPONSOR S : Was wollten Sie erreichen?
Müller: Dass die Konsumenten nochmals über Opel nachdenken, uns nochmals eine Chance geben und die alten Klischees und Vorurteile zur Marke abbauen. Die Kampagne entstand innerhalb von wenigen Wochen mit sehr viel Durchschlagskraft.
SPONSOR S : Wie wichtig war dabei der Sport - für die Kampagne, aber auch für Sie?
Müller: Ich habe im Kosmetikbereich früher viel mit Testimonials zusammengearbeitet. Und als ich zu Opel kam, war ich sehr froh, dass Jürgen Klopp schon da war. Mir war natürlich klar, was für eine Zugkraft er und das BVB-Sponsoring haben würden. Und ich glaube, der Erfolg unseres Fußball-Sponsorings war eine ganz entscheidende Säule für den Turnaround der Marke Opel.
SPONSOR S : Woran machen Sie das fest?
Müller: Es geht doch vor allem um die Frage: Macht Sponsoring die Marke attraktiver und führt es zur Kaufbereitschaft? Wir wissen, dass seit 2011 bis heute die Attraktivität der Marke Opel deutlich gestiegen ist.
SPONSOR S : Können Sie das auch mit Zahlen belegen?
Müller: Die Fußballinteressierten, die wissen, dass Opel Sportsponsoring betreibt, beurteilen die Marke deutlich positiver als die Nicht-Fußballinteressierten. Und das Beste: Diejenigen, die Opel als Fußballsponsor kennen, haben Opel bei der Kaufentscheidung mit 26 Prozent im Relevant Set. Bei denjenigen, die Opel nicht als Fußballsponsor kennen und auch nicht fußballinteressiert sind, sind es zehn Prozent.
"Ein bisschen Lokalpatriotismus"
SPONSOR S : In den 90er-Jahren war Opel einer der prominentesten Sportsponsoren und hatte Hauptsponsorships mit großen Clubs wie dem FC Bayern München, dem AC Mailand oder Paris St. Germain. Mittlerweile kooperiert Opel neben dem BVB in Deutschland eher mit kleineren Clubs wie dem 1. FSV Mainz 05 und dem SC Freiburg. Woher kommt diese neue Fokussierung?

Mutterkonzern (100 Prozent): PSAStammsitz: RüsselsheimMitarbeiter: 38.000, davon über 19.000 in DeutschlandAbsatz Opel (2016) : 1,162 Millionen Fahrzeuge (+46.000 gegenüber 2015)Jahresverlust Europa-Geschäft GM: 257 Mio. Dollar (2015: 813 Mio. Dollar)Vorsitzender der Geschäftsführung Opel Group: Karl-Thomas NeumannAufsichtsratsvorsitzender: Dan Ammann (President General Motors)Marketingverantwortung: Tina Müller (Chief Marketing Officer)Marketing Director: Christian LöerDirector Product Marketing: Andreas MarxLeiter Markenkommunikation & Sponsoring: Michael TheisSponsorships (Ebene, Laufzeit, Summe p. a.) :
- Champion-Partner Borussia Dortmund (2. Ebene, 2017/18, 1,7 Mio. Euro)
- Stadion-Naming-Right Opel Arena Mainz (2020/21, 2 Mio. Euro)
- Premium-Sponsor SC Freiburg (2. Ebene, 2016/17, 600.000 Euro)Markenbotschafter: Jürgen Klopp (bis Ende 2017/18)Agentur (Sponsoring): Team FeldmannQuelle: SPONSORs 4/2017
Müller: Wir können uns auch nur gewisse Dinge leisten. Das ist der erste Grund. Andererseits müssen wir auch immer entscheiden, was zur Marke passt. Nicht jeder Club in der Bundesliga deckt sich auch mit unseren Markenwerten. Das Wichtige im Sponsoring ist eine gewisse Deckungsgleichheit - allerdings keine komplette. Sie wollen durch das Sponsoring ja auch etwas zur Marke addieren und können nicht nur das Gleiche transportieren. Also brauchten wir Clubs, die mit ihrer Marke schon ein bisschen weiter sind als Opel. Das hat sehr gut funktioniert.
SPONSOR S : Meinen Sie damit auch Ihr neues Stadion-Namensrecht in Mainz?
Müller: Das Engagement in Mainz ist natürlich auch ein bisschen Lokalpatriotismus. Wir sitzen in Rüsselsheim. Das ist für die vielen Tausend Mitarbeiter toll und funktioniert sehr gut. Und man darf natürlich nicht vergessen, dass wir mit dem BVB den zweitgrößten deutschen Top-Club im Portfolio haben.
SPONSOR S : Sie legen bei Ihren Engagements ein großes Augenmerk auf die Aktivierung der Sponsorships. Zuletzt, beim Trainingslager des BVB, wurde mit den Spielern und Trainern ein neues Format "Quiz-Taxi" umgesetzt. Wie entstehen solche Themen?
Müller: Das ist unterschiedlich. In Zusammenarbeit mit dem Club, manchmal sind es Agenturideen oder sie kommen aus dem eigenen Team. Für uns geht es darum, Sympathie aufzubauen. Und nicht nur darum, zu zeigen, Opel sponsert den BVB. Die Bekanntheit von Opel in Deutschland liegt bei über 90 Prozent, es bringt uns wenig, wenn Opel nur auf der Bande steht.
SPONSOR S : Sondern?
Müller: Wir wollen heutzutage doch alle unterhalten werden. Es geht darum, interessante Inhalte zu finden und Botschaften zu transportieren, die auf den eigenen Kanälen ausgespielt werden. Der Kampf in den sozialen Medien ist riesig und Sie müssen heute schon relativ viel Geld in die Hand nehmen, damit Ihre Werbung auf Facebook überhaupt gesehen wird. Daher müssen die Inhalte besser, humorvoller, interessanter, neuer oder einzigartiger als andere sein. Videos sind dabei das Format, mit dem Sie heute arbeiten müssen. Das "BVB-Quiz- Taxi" haben innerhalb weniger Tage eine Million Menschen gesehen.
SPONSOR S : Wie sind die Clubs in den sozialen Medien aus Ihrer Sicht aufgestellt?
Müller: Es gibt klare Kräfteverteilungen in der Digitalisierung der Clubs auf Social Media. Bayern München hat über 40 Millionen Facebook-Fans, der BVB 15 Millionen und der Rest der Bundesliga wahrscheinlich unter einer Million. Das zeigt, wie wichtig es für uns ist, mit dem BVB zusammenzuarbeiten, mit dem wir eine hervorragende Zusammenarbeit haben. In der Tat würden wir uns aber von den kleineren Clubs wünschen, dass sie mehr tun und für mehr Publikum auf den sozialen Medien sorgen.
SPONSOR S : Sie könnten diese Missstände selbst beseitigen. Würde Sie eigentlich auch ein Wechsel ins Sportbusiness reizen?
Müller: Nachdem ich aus der Kosmetik- in die Automobilindustrie gewechselt bin, kann ich mir grundsätzlich alles vorstellen. Wahrscheinlich habe ich auch mehr Sportkenntnisse, als ich vor meinem Wechsel zu Opel Autokenntnisse hatte. Es gibt wohl kaum eine Branche in Deutschland, wo es noch mehr Potenzial in Sachen Frauenaffinität gibt wie in der Automobilbranche. Aber es wird ja besser. Ich habe bei BMW und auch bei Mercedes mittlerweile Kolleginnen bekommen, mit denen ich mich auch austausche.
SPONSOR S : Opel engagiert sich neben dem Fußball auch stark im Umfeld der ProSieben-Sendung "Germany's next Topmodel" (GNTM). Wie stellen Sie dort die Authentizität der Marke sicher?
Müller: Ich würde Ihnen dazu gern eine Geschichte erzählen: Vergangenes Jahr sprach mich hier in Düsseldorf eine Bekannte an und meinte, sie musste mit ihrer Tochter ins Opel-Autohaus, weil sie unbedingt einen Opel Adam wollte. Darauf sagte ich: "Das ist doch toll. Ich hoffe, es hat geklappt." Darauf sagte sie: "Nein, meine Tochter ist erst elf Jahre alt."
"Noch können wir uns das nicht leisten"
SPONSOR S : Was leiten Sie aus dieser Geschichte ab?
Müller: Ich hoffe, dass die Tochter uns noch ein paar Jahre treu bleibt. Die Geschichte zeigt doch, dass das Sponsoring bei "GNTM" deshalb so erfolgreich ist, weil wir das Auto in die Sendung bekommen. Und zwar nicht nur in die Werbepause, sondern auch in das redaktionelle Umfeld. Es gibt in der Sendung immer eine Challenge mit den jungen Models, die etwas mit dem Opel Adam zu tun hat. Wir werden in diesem Jahr zum ersten Mal etwas ausprobieren, damit die Fans über Augmented und Virtual Reality live dabei sein können und mehr sehen können als im Fernseher. Sie erleben es auf dem Second Screen, also in einem 360-Grad-Umfeld. Sicherlich greift "GNTM" sehr stark die junge Zielgruppe ab, die manchmal auch ein bisschen zu jung ist. Wir wissen aber, dass eine frühkindliche Prägung im Marketing super funktioniert.
SPONSOR S : Sie sprechen die Verbindung aus Sponsoring und Vertrieb an. Mit BVB-Spieler Marco Reus haben Sie über eine Vertriebsaktion 150 Autos verkauft. Ist das die Königsdisziplin des Sponsorings?
Müller: Wenn Marco Reus 150 Autos verkauft, dann ist das die Königsdisziplin. Am Ende zählt, was wir verkaufen, und danach beurteile ich auch jedes Sponsoring. Danach wird auch jedes Jahr "GNTM" neu bewertet: Machen wir es weiter oder nicht? Was sind neue Fernsehformate? Und natürlich wird auch jedes Club-Sponsoring vor Vertragsende wieder neu bewertet und dabei entschieden, ob es Sinn macht - auch im Vergleich zu anderen Maßnahmen. Wir können den Euro ja nur einmal ausgeben. Ich muss Daten und Fakten haben, darüber hinaus aber auch ein Gefühl, wo das Geld am sinnvollsten investiert ist.
SPONSOR S : Verglichen mit anderen Automobilmarken ist es auffällig, dass Opel einen Bruchteil der Sponsoringsumme von Volkswagen, Audi oder Mercedes ausgibt. Hätten Sie gern ein größeres Sponsoringbudget?
Müller: Natürlich, als Marketingchefin gibt man immer gern mehr aus für die Marke. Wir sind im Sponsoring nicht im zweistelligen Millionenbereich und dafür aber sehr effizient. Im Branchenranking sind wir ganz klar die Nummer vier. Nach VW, Mercedes und Audi, aber vor allen anderen Automobilmarken. Und wir machen nicht mal ein Trikotsponsoring. Eigentlich sind wir immer nur Autopartner. Für dieses limitierte Budget ist es das ziemlich Erfolgreichste, was man mit dem Eingesetzten machen kann.
SPONSOR S : Ist ein Trikotsponsorship denn künftig wieder ein Thema für Opel?
Müller: Bei meinen männlichen Kollegen im Vorstand ist es immer ein Thema. Die träumen alle davon, dass Opel wieder auf dem Trikot steht. Ich bin dann immer diejenige, die mit der Rechenmaschine kommt und sagt: "Noch können wir uns das nicht leisten." Das liegt aber natürlich auch daran, dass sich Männer per se noch viel mehr für Fußball begeistern können. Deshalb ist es auch wichtig, jemanden innerhalb des Vorstands zu haben, der das Thema doch ein wenig rationaler sieht. Ich hoffe aber, dass ich meinen Kollegen ihren Wunsch irgendwann erfüllen kann.
SPONSOR S : Wenn Sie träumen: Welches Trikot ist es dann?
Müller: Die Brust des BVB wäre schon schön (lacht).
SPONSOR S : Frau Müller, vielen Dank für das Gespräch.
Der obige Text stammt aus SPONSORs, dem führenden deutschsprachigen Anbieter von Informationen aus dem Sportbusiness.