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Elektroauto-Infrastruktur: Wie Tesla mit Schnellladern die Welt vernetzt

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Teslas Supercharger - Fazit Eine neue Epoche für die Elektroautos

Unser Fazit nach einem langen Tag auf Teslas elektrischem Highway: Die Supercharger katapultieren das Elektroauto in eine neue Epoche. Der Weg aus der Nische bleibt zwar lang, doch er wird komfortabler.

An einem Tag mit dem Auto von München nach Amsterdam - das klingt nicht weiter spektakulär, und ist es doch. Denn seit kurzem ist es erstmals möglich, die 900-Kilometer-Strecke in diesem Zeitraum bequem mit einem Elektroauto zurückzulegen.

Das hätte vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten. Denn eines haben sämtliche großen Autohersteller bisher unisono betont: Strombetriebene Fahrzeuge eignen sich aufgrund ihrer geringen Reichweite nicht für Langstreckenfahrten. Dass es doch geht, beweist ausgerechnet ein gerade mal zehn Jahre alter Autoproduzent aus Kalifornien.

Tesla  hat in Deutschland vier Schnelllestationen entlang der Autobahn errichtet, an denen die Luxuslimousine Model S in etwa einer halben Stunde wieder so viel Saft in die Batterien gepumpt bekommt, dass die Elektroautos weitere 250-300 Kilometer fahren können. Das ist revolutionär.

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Unterwegs mit dem Tesla Model S: Supercharger-Netz im Test

Foto: manager magazin online

Doch ist es nicht ein gravierendes Defizit, dass Fahrer die Strecke mit einem Benzin- oder Dieselauto inklusive unvermeidbarer Pause(n) vermutlich etwa 90 Minuten schneller zurücklegen, wie der Live-Test ergeben hat? Dass so gesehen ein Fiat Panda ein mindestens 70.000 Euro teures Model S bezwingt?

Ja - und nein.

Ja, weil 90 Minuten nun mal 90 Minuten sind. Wer auf sehr langen Strecken so schnell wie möglich sein muss, trifft mit dem Tesla wohl nicht die richtige Wahl. Den Flieger in Amsterdam haben wir auch deshalb nicht bekommen, weil wir auf der Strecke vier Mal Strom tanken mussten (allerdings hätten wir bei moderater Fahrweise zu Beginn die erste Station auslassen können, lässt sich im Rückblick sagen).

Ja auch deshalb, weil die 90 Minuten Zeitverlust auf 900 Kilometern noch nicht die ganze Wahrheit über die Nachteile aussagen, die Fahrer mit Elektroautos noch haben. Was ist, wenn an der Strecke, die ich fahren muss, gar kein Supercharger ist? Diesen Fall wird es selbst dann geben, wenn Tesla wie versprochen im kommenden Jahr das Supercharger-Netz in Deutschland drastisch ausbaut.

Sind Autos die idealen Mittelstrecke-Verkehrsmittel?

Trotzdem ist es gut möglich, dass Elektroautos den derzeit bestehenden Zeitnachteil auf der Langstrecke in den kommenden Jahren und Jahrzehnten durch Vorteile ausgleichen, die Verbrenner nicht haben.

Also: Nein, die 90 Minuten Zeitverlust auf 900 Kilometern sind auf Dauer nicht gravierend, weil Teslas erste Supercharger noch immer eine Art Mosaikstein vom Gesamtbild Elektromobilität sind, wenn auch ein sehr großer.

In den Vorreiter-Ländern USA und Norwegen zeigt sich: Sobald eine kritische Masse von Elektroautos auf den Straßen ist, sprießen Ladesäulen auf Parkplätzen von Unternehmen, Einkaufszentren und an Bahnhöfen wie Pilze aus dem Boden. Das müssen keine Supercharger sein. Gleichwohl stellen viele Ladesäulenbetreiber wie etwa Hotels den Strom kostenlos zur Verfügung, weil sie sich davon mehr Kunden erhoffen. Dass jemand Benzin verschenkt, kommt dagegen eher selten vor.

Nein, der Zeitverlust ist auch deshalb nicht gravierend, weil fraglich ist, ob viele Menschen durchgehende 900-Kilometer-Touren an einem Tag im Auto runterspulen - oder ob andere Verkehrsmittel für diese Distanzen nicht besser geeignet sind.

Was das Model S verführerisch macht - und wo Tesla noch aufholen muss

Autos spielen ihre Vorteile auf kurzen und mittleren Strecken wohl besser aus. Übrigens auch der Tesla: Die 600 Kilometer lange Strecke von Bad Rappenau in Baden-Württemberg bis zum Amsterdamer Flughafen Schiphol haben wir in sechseinhalb Stunden inklusive Lade- und Essenspausen bewältigt - kaum langsamer als mit einem Verbrenner.

Und das völlig lautlos und sehr geschmeidig: Das Fahren war mit dem Model S war eher ein Vergnügen als eine Pflichtübung. Die unmittelbare Kraft, die den 2,2 Tonnen-Wagen beim Druck aufs Gaspedal nach vorne schiebt, sucht ihresgleichen selbst im Reich der Luxuslimousinen. In der Performance-Version, die wir fuhren, schafft das Fahrzeug den Sprint von 0 auf 100 Stundenkilometer in 4,6 Sekunden - und das mit vollem Drehmoment von Anfang an. Auch die Beschleunigung bei höherem Tempo meistert das Auto ebenso mühe- wie geräuschlos.

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Elektroautopionier: Mit welchen Stromern Tesla angreift

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Am Innenraum des Tesla gibt es ebenfalls nur wenig auszusetzen. Das Platzangebot der mehr als zwei Meter breiten Limousine ist riesig, das Fach in der Mittelkonsole schluckt locker ein ganzes iPad samt Kabel. Fondspassagiere können ihre Beine problemlos ausstrecken. Auch bei höheren Geschwindigkeiten scheppert und knarzt nichts, das Fahrzeug ist so verarbeitet, wie man es von Fahrzeugen der Luxusklasse gewohnt ist.

Luxus ohne Assistenten

Bei ein paar Dingen gibt es schon noch Potenzial nach oben. Fahrer von teuren Limousinen könnten einige der Assistenzsysteme vermissen, die beim Fahren für mehr Sicherheit sorgen. Teslas Model S hat zwar einen gut funktionierenden Tempomaten, doch eine automatische Abstandskontrolle, Spurhalteassistenten oder automatische Notbremssysteme fehlen. Die bordeigene Navigation funktioniert zuverlässig. Übliche Extras wie eine Anzeige geltenden Höchstgeschwindigkeit oder eine Auswahl unter mehreren möglichen Routen bietet sie allerdings nicht.

Die Bedienung aller Fahrzeugfunktionen über den riesigen Touchscreen funktioniert gut, ist jedoch nicht immer ganz praktisch. Und manche Programme, etwa der Browser zum Internetsurfen, sind noch eher rudimentär als durchdacht. Auch die verschiedenen Anzeigen zur Messung der wahrscheinlichen Reichweite erschließen sich nicht auf Anhieb. Es braucht schon ein wenig Erfahrung, um etwa den Unterschied zwischen der sogenannten Rated Range im Tacho oder der Average Range basierend auf den letzten 50 gefahrenen Kilometern zu verstehen.

Der Unterschied ist allerdings für die Planung der Ladestopps durchaus wichtig. Letztlich sind das jedoch alles Kritikpunkte, die Interessenten kaum vom Kauf eines Model S abhalten werden. Denn wer längere Strecken per Elektroantrieb zurücklegen will, hat derzeit einfach keine andere Wahl als ein Model S. Elektroautos, die eine ähnliche Reichweite bieten, sind in den kommenden Jahren nicht in Sicht. Die einzige Alternative wäre die Bahn - doch die bietet selbst in der ersten Klasse wohl kaum ein ähnliches Fahrgefühl wie der kalifornische Nobelwagen.

Lesen Sie hier den gesamten Live-Test in chronologischer Reihenfolge nach.

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