Probleme, welche Probleme? Elon Musk weiß die Aktionäre nach einem mehr als verdoppelten Quartalsverlust einmal mehr wieder einzufangen
Foto: APDer Elektroautobauer Tesla ist im zweiten Quartal tiefer in die roten Zahlen gefahren, zugleich aber nährte Firmenchef Elon Musk am Mittwoch nach Börsenschluss einmal mehr die Hoffnung, dass der Autobauer zum Jahresende trotzdem einen Gewinn ausweisen werde. Ob Musk damit das operative Ergebnis (Ebit) oder das Konzernergebnis nach Steuern meinte, ließ er offen. Da Tesla im abgelaufenen Quartal zugleich seinen Umsatz deutlich erhöht hatte, entschieden sich die Aktionäre nach kurzem Zögern, den neuerlichen Versprechungen zu glauben: Die Aktie von Tesla kletterte in der Spitze um rund 10 Prozent.
Dabei hatte Tesla im zweiten Quartal den Verlust auf 718 Millionen Dollar (615 Millionen Euro) mehr als verdoppelt, teilte die Firma am Mittwoch nach US-Börsenschluss mitteilte. Im Vorjahreszeitraum lag der Fehlbetrag bei 336 Millionen Dollar. Dass Tesla das Jahr mit einem Gewinn abschließen wird, glauben zwar viele Analysten nicht. Doch Tesla stehe kurz davor, "nachhaltig profitabel" zu werden, versprach Musk.
Seinen Umsatz steigerte Tesla um über 40 Prozent auf 4,0 Milliarden Dollar. Damit kletterte der Verlust deutlich schneller als die Erlöse. Das Unternehmen geht davon aus, bis Ende August wöchentlich 6000 Model 3 zu produzieren. Danach soll das Tempo rasch weiter steigen. Musk wolle die Produktion so schnell wie möglich auf bis zu 10.000 Stück pro Woche auszuweiten, schrieb er zugleich im Brief an die Aktionäre.
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Im abgelaufenen Quartal produzierte Tesla insgesamt 53.339 Fahrzeuge, ausgeliefert davon wurden lediglich 40.768. Gründe für die große Diskrepanz nannte Tesla zunächst nicht. Davon waren nach Unternehmensangaben 18.449 Stück Model 3.
Nur 18.449 Model 3 verließen im letzten Quartal die Fabrik
Musk steht wegen der Produktionszahlen des Models 3 unter großem Druck. Bei dem Projekt hat es seit dem vergangenen Jahr immer wieder Rückschläge gegeben. Das Unternehmen hat wiederholt erklärt, kein frisches Kapital zu benötigen. Einige Analysten gehen dagegen davon aus, dass der Schritt bis Ende des Jahres fällig wird.
Tesla wies zum Quartalsende 2,2 Milliarden Dollar an Barmitteln aus. Dem Autobauer kommt dabei zugute, dass die Kunden für Hunderttausende Model-3-Vorbestellungen Anzahlungen leisten müssen. Teslas Ausgaben übersteigen die Einnahmen aber weiter deutlich. Dass Teslas Liquiditätsprobleme offenbar größer sind als der Konzern selbst öffentlich zugesteht, wurde zuletzt daran deutlich, dass Tesla von seinen Lieferanten rückwirkend (!) deutliche Preisnachlässe für bereits bezahlte Rechnungen einforderte.
Das Model 3 als Hoffnungsträger soll nach dem Willen von Musk eigentlich den Massenmarkt erobern. Doch die von ihm versprochene günstige Version für rund 35.000 Dollar bleibt vorerst ein Phantom. Bislang verließen mindestens 50.000 Dollar und noch teurer ausgestattete Model-3-Variante das Werk.
Kaufprämie in den USA kassieren bislang vor allem die Luxus-Tesla-Käufer
Das ist ärgerlich für die breite Masse der Tesla-Fans in den USA, die mitunter schon 2 Jahre und länger auf ihr Elektroauto warten und mit fortschreitender Zeit Gefahr laufen, gar keine staatliche Kaufprämie mehr zu bekommen. Denn die gibt es in voller Höhe von rund 7500 Dollar nur für die ersten 200.000 ausgelieferten Tesla - und halbiert sich danach jeweils alle sechs Monate, bis sie ganz wegfällt. Tesla hatte unlängst erklärt, die 200.000 E-Autos irgendwann im Jahresverlauf 2018 zu erreichen.
Gut möglich, dass deshalb noch mehr enttäuschte Tesla-Fans ihre Bestellung stornieren, was die Liquiditätsengpässe des Autobauers eher vergrößern dürfte: Nach Insiderberichten soll Tesla bis Anfang Juni 23 Prozent der Kunden die Anzahlung von 1000 Dollar zurückgezahlt haben. Tesla dementierte die Zahlen, nannte aber keine anderen.
Tesla-Fabrik: Die Verluste bei Tesla steigen rasant
Foto: Tesla MotorsStatt die Kunden eines vorbestellten günstigen Model 3 zu besänftigen, stellte Musk unlängst lieber eine rund 78.000 Dollar teure aufgemotzte Version des Model 3 vor, mit der er sich bewusst an zahlungskräftigere Kunden wendet. Das ist angesichts knapper Kassen nachvollziehbar - denn die Gewinnmargen sind am oberen Ende der Preisspanne bekanntlich deutlich höher. Allerdings wird das 2003 gegründete Unternehmen, das noch nie einen Jahresgewinn abgeliefert hat, an der Börse nach Einschätzung von Analysten auch deshalb so hoch gehandelt, weil Anleger Tesla zutrauen, mit seinen Elektroautos aus der Luxus-Nische herauszufahren und ein echter Massenhersteller zu werden.
Mit diesem Elektroauto will Tesla den Massenmarkt erobern - wegen Produktionsproblemen wird das Model 3 aber erst Anfang 2019 in Deutschland ausgeliefert. Wir hatten die Gelegenheit, ein US-Importmodell einen Tag lang in der Schweiz und Deutschland zu testen. Und waren überrascht ...
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... denn Tesla hat bei dem 4,6 Meter langen Elektroauto, das in Deutschland ab rund 40.000 Euro verkauft werden soll, vieles richtig gemacht. Unser Testwagen war mit dem größeren 75 kWh-Akku ausgestattet und hatte die neueste Version des Autopilot-Assistenzsystems an Bord - er dürfte in Deutschland etwas über 50.000 Euro kosten. Eine Besonderheit zeigte sich schon beim Einsteigen ...
... unser Testmodell ließ sich mit einer Chipkarte aufschließen, die an die B-Säule gehalten wird. Um die Türen zu öffnen, muss man dann den bündig eingelassenen Türgriff an der richtigen Stelle reindrücken. Das sieht zwar schick aus, erschwert aber das Öffnen der Türe mit einer Hand.
Innen empfängt das Model 3 mit einem fast schon skandinavisch schlichten Innenraum - und einem Riesen-Bildschirm, über den fast alle Fahrzeugfunktionen gesteuert werden. Bei Knöpfen und Hebeln hat Tesla gespart: Links des Lenkrads sitzt der Blinkerhebel, der auch als Lichthupe fungiert und die Scheibenwischer aktiviert. Rechts vom Steuer befindet sich der Gangwahlhebel, der während der Fahrt auch Abstandsradar und Autopilot ein- und ausschaltet. Im Lenkradkranz gibt es noch zwei Drehknöpfe, und ...
... in der Türe einen Türöffnungknopf und die Fensterheber. Links unten an den Vordersitzen sorgen je drei Knöpfe für die richtige Sitzeinstellung. Das war's - und diese Einfachheit erwies sich als sehr wohltuend. Auch die klassische Armatur mit Tachometer hinter dem Lenkrad hat Tesla weggelassen ...
... statt dessen wird die Geschwindigkeit permanent und gut lesbar im großen Touchscreen angezeigt. Einzig die Außenspiegel-Verstellung via Touchscreen erwies sich als eher unpraktisch. Dafür funktionierte der Autopilot erstaunlich gut, auch in engeren Kurven oder Baustellenabschnitten. Und er warnt auch klar vernehm- und lesbar, wenn die Hände nicht das Lenkrad bewegen. Wer sämtliche Warnungen ignoriert, kann den Autopiloten für den Rest der Fahrt nicht mehr aktivieren.
Beim automatisiertem Fahren liegt Tesla unserem ersten Eindruck nach durchaus auf Augenhöhe mit der deutschen Konkurrenz. Das Außendesign des Wagens muss sich nicht vor BMW und Co. verstecken. Der Wagen sieht von allen Seiten elegant und kraftvoll aus. Auf unserer mehrstündigen Testfahrt funktionierte der Elektroantrieb ebenso leise wie zuverlässig, auch die Reichweitenanzeige war präzise - selbst nach kurzer, stromzehrender Beschleunigung auf 215 km/h und 10 Minuten bei 170 km/h. Kurvenwedeln beherrscht das Model 3 souverän, die Federung fanden wir angenehm.
Bei der Verarbeitung war unser Testwagen, der eine 3000er-Seriennummer trug, aber noch nicht auf dem Niveau der deutschen Premium-Konkurrenz. Da schlossen manche Fugen nicht so richtig bündig ab ...
... auch einige Gummiabdichtungen sahen noch eher nach Handarbeit als nach industrieller Serienfertigung aus. Mittlerweile hat Tesla aber bereits 30.000 Model 3 produziert und dürfte einige der Produktionsmängel beseitigt haben, die bei unserem Testwagen noch auf den zweiten Blick auffielen. Auf den Vordersitzen herrscht tatsächlich Premium- und Luxusambiente, doch bei den Rücksitzen ...
... hat Tesla gespart und merklich weniger Wert auf schönes Design gelegt. Die Hinterbank ist eher hart gepolstert und fällt sehr niedrig und schmal aus. Mit 1,80 Meter Körpergröße muss man sich da zu einem Z zusammenfalten, um zu sitzen. Trotzdem stößt man schnell an den Hartplastik-Umrandungen des Vordersitzes an. Immerhin haben Hinterbänkler zwei USB-Anschlüsse zur Verfügung - unterhalb der Luftauslässe, die eher nach 90-Jahre-Mittelklassewagen als nach modernem Elektroauto aussehen.
Auch hinten leistet sich das Model 3 keine Extravaganzen. Den Kofferraumdeckel muss man ganz klassisch mit der Hand anheben - wer deutsche Luxusautos mit ihren elektronischen Heckklappen gewohnt ist, muss sich da etwas umgewöhnen. Wirklich störend ist das aber nicht, zumal der Kofferraum zwar nicht üppig, aber ausreichend dimensioniert ist.
Hier passen vier bis fünf kleinere Kabinenkoffer oder zwei bis drei größere rein. Unter der Motorhaube ist noch Platz für eine größere Reisetasche, insgesamt schluckt der Tesla 345 Liter an Ladevolumen - in etwa so viel wie ein aktueller Golf. Unser Fazit: Wenn Tesla die Produktion in den Griff bekommt, müssen sich die deutschen Nobelauto-Hersteller ins Zeug legen. Denn für 40.000 Euro aufwärts bietet Tesla ein Elektroauto an, das durchaus praktikabel ist - und eine Menge Fahrspaß bietet.