US-Elektroautobauer triumphiert an der Börse Darum ist Tesla zu Recht mehr wert als Ford

Fahrzeuge vom Typ Tesla Model S
Foto: © Elijah Nouvelage / Reuters/ REUTERS
Der Wahnsinn an der Börse hat dieser Tage einen Namen: Tesla. Die Aktien des US-Elektroautobauers haben sich seit Mitte November um zwei Drittel auf etwa 300 Dollar verteuert - Rekordhoch. Knapp 50 Milliarden Dollar ist die Firma von Chef Elon Musk jetzt wert und damit nach General Motors zweitwertvollster Autobauer in den Staaten. Amerikas Auto-Ikone Ford hat Tesla auf Platz drei verdrängt.
Drehen die Investoren jetzt völlig durch?
Keinesfalls. Es gibt gute Gründe dafür, den Aufsteiger aus dem Silicon Valley derzeit höher zu bewerten als viele etablierte Autobauer.
Auf den ersten Blick mutet der Tesla-Hype bizarr an. Das zeigt gerade der Vergleich mit Ford. Dieser bringt auf den ersten Blick ein eindeutiges Ergebnis:
- Tesla hat im vergangenen Jahr gerade einmal 76.000 Autos ausgeliefert, Ford setzte 6,7 Millionen ab - fast 90-mal mehr
- Beim Umsatz ist das Bild nicht ganz so drastisch, aber ähnlich: Tesla erlöste 2016 etwa sieben Milliarden Dollar, Ford dagegen 152 Milliarden - fast 22-mal mehr
- Tesla hat für 2016 einen Nettoverlust von 675 Millionen Dollar ausgewiesen, Ford verzeichnete einen Nettogewinn von 4,6 Milliarden Dollar.
All diese Informationen sind für die Bewertung der Tesla-Aktie allerdings weitgehend belanglos. Denn wie bei allen jungen, stark expandierenden Firmen zählt auch für die Kalifornier nicht was ist oder was war, sondern was wird. Oder genauer: was werden kann.
Nichts anderes tun die Investoren bei Tesla - sie setzen auf Risiko in der Hoffnung, dass das Unternehmen in den nächsten Jahren zu dem wird, was Ford schon jetzt ist, nämlich zu einem profitablen Autobauer. Es gibt gute Gründe zu der Annahme, dass es genau dazu kommen wird:
Strukturell verdient Tesla bereits jetzt gutes Geld. Im vierten Quartal 2016 lag die Bruttomarge des Unternehmens bei 19 Prozent, in den drei Quartalen davor waren es 28, 22 und erneut 22 Prozent. Das ist deutlich mehr als Ford vorweisen kann (im Schnitt der vergangenen vier Quartale: 16,2 Prozent) und beispielsweise auch Daimler (Schnitt: 21 Prozent).
Tesla als Maß aller Dinge in der Autowelt - das ist nicht mehr völlig unrealistisch

Nur weil Tesla-Chef Musk extrem viel Geld für die eigene Expansion ausgibt, rutscht das Unternehmen in vielen Quartalen klar ins Minus. Dieses unter anderem für die Fabrikerweiterung in Fremont und die Gigafactory (Nevada) aufgewendete Geld fließt aber direkt in den Wert des Unternehmen - Kurssteigerungen sind daher prinzipiell auch mit echten Werten hinterlegt. Auch deshalb verzeihen Anleger eine Kapitalerhöhung nach der anderen.
Die hohe Bruttomarge belegt unterm Strich, dass Tesla profitabel Autos bauen kann. Tendenziell dürfte diese Fähigkeit noch zunehmen: Je mehr der Elektroauto-Hersteller den Fertigungsprozess verbessert und skaliert, desto höher der Profit pro Auto. Fährt das Unternehmen eines Tages die Investitionen herunter, sprudeln bei Bedarf auch echte Gewinne.
Hinzu kommt, dass Herstellungskosten für Elektroautos generell sinken. Da Tesla bisher keine echte Konkurrenz in dem Segment hat, gibt es wenig Rabatt-Druck.
Was zudem häufig übersehen wird: Tesla wirkt klein, ist aber mit weitem Abstand Weltmarktführer bei Elektroautos, gemessen am Umsatz. Sieben Milliarden Dollar hat 2016 kein anderes Unternehmen mit Batteriefahrzeugen erlöst. Die Kalifornier sind daher auch als Einkaufsmacht für Batterie-Rohstoffe und Elektromotor-Komponenten schon jetzt weit vorn.
Musk erwartet Bruttomarge von 25 Prozent für das Model 3
Einzigartig ist zudem das unternehmenseigene Supercharger-Netz mit etwa 5300 Ladepunkten auf mehreren Kontinenten. Anfangs war der Strom kostenlos, inzwischen verlangt Tesla von den Fahrern Geld. Das Unternehmen ist potenziell also Autohersteller und Tankstellenbetreiber in einem.
Wenn Tesla in der zweiten Jahreshälfte 2017 wie geplant das vergleichsweise günstige Model 3 auf den Markt bringt (ab 35.000 Dollar), wächst der Vorsprung wohl noch einmal erheblich. Laut (veralteten) Unternehmensangaben sind 400.000 Model 3 vorbestellt. Die aktuelle Zahl könnte deutlich darüber liegen.
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Schon im kommenden Jahr will Tesla jedenfalls 500.000 Autos bauen. Für den neuen Mittelklassewagen rechnet Musk mit einer Bruttomarge von 25 Prozent - bei einem Umsatz von 20 Milliarden Dollar pro Jahr soll der Wagen fünf Milliarden Dollar Gewinn abwerfen.
Das sind Ansagen an den Finanzmarkt, die überheblich klingen. Doch sie sind auch die Grundlage für den aktuellen Tesla-Hype. Musk muss sich an ihnen messen lassen. Floppt das Model 3, floppt auch Tesla. Schlägt das Fahrzeug ein, dürfte dem Unternehmen der Durchmarsch gelingen.
Tesla als Maß aller Dinge in der Autoindustrie - dazu muss es also nicht kommen, es ist aber auch nicht mehr völlig unrealistisch. Zumal die Branche inzwischen beinahe einhellig einen Siegeszug der Elektroautos erwartet und das in nicht allzu ferner Zukunft. Teslas Wachstumspläne, inklusiv Ausbau der größten Fabrik der Welt in den USA, passen zudem perfekt zu Donald Trumps Wahlkampfversprechen, auch die produzierende US-Industrie wieder "groß" zu machen.
In einem solchen Szenario ist die Firma von Elon Musk als Frühstarter und Platzhirsch mit extrem starker Marke vielversprechend positioniert. Vielversprechender jedenfalls als Ford.