Tesla-Chefentwickler Jerome Guillen "Wir wollen 500.000 Autos im Jahr verkaufen"

Jerome Guillen brachte bei Daimler das Carsharing-Konzept Car2Go auf den Weg - und wechselte anschließend zu Tesla. Im Interview erzählt Guillen, wie ihn Tesla-Chef Elon Musk überzeugte, wie Tesla seine "Giga-Factory" auslasten will - und welche Wettbewerber ihn beeindrucken.
Tesla Model "D": Auch für das neue Modell wird es keinen Range-Extender und keine Plugin-Variante geben, Tesla bleibt dem reinen Elektroantrieb treu. "Wir konzentrieren uns auf die Technik, die wir für die beste halten. Keine Kompromisse", sagt Jerome Guillen.

Tesla Model "D": Auch für das neue Modell wird es keinen Range-Extender und keine Plugin-Variante geben, Tesla bleibt dem reinen Elektroantrieb treu. "Wir konzentrieren uns auf die Technik, die wir für die beste halten. Keine Kompromisse", sagt Jerome Guillen.

Foto: KEVORK DJANSEZIAN/ AFP

mm: Herr Guillen, Ihr langjähriger Kooperationspartner Daimler  hat gerade seinen verbliebenen Tesla-Anteil verkauft. Waren Sie überrascht, als Sie davon gehört haben?

Jerome Guillen: Verstehen Sie bitte, dass ich mich zu dem Thema nicht äußern kann.

mm: Tesla hat den Antrieb für die Elektroversion der Mercedes-B-Klasse geliefert, die gerade in den USA auf den Markt gekommen ist. Daimler  hätte diese Kooperation gerne auch in der nächsten Generation fortgesetzt. Tesla hat abgelehnt. Warum wollen Sie den Auftrag nicht?

Guillen: Hinter der Entscheidung, ob Sie ein gemeinsames Projekt ausbauen oder nicht, steht ein komplexer Prozess. Das Geschäftsmodell bietet immer etliche Optionen. Tesla und Mercedes haben bei der B-Klasse bislang eng zusammen gearbeitet, wir sind mit der Marktreaktion sehr zufrieden. Aber vergessen Sie nicht: Tesla ist immer noch ein kleines Unternehmen, wir haben ein gewaltiges Programm vor der Brust.

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Foto: Florian Renner für manager magazin

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mm: Herr Guillen, Sie haben selbst lange für Daimler gearbeitet. Sie haben die Projektgruppe Business Innovations geleitet, in der Funktion direkt an Vorstandschef Dieter Zetsche berichtet. Und dann sind Sie von einem der Top-Konzerne der Branche zum kalifornischen Niemand Tesla  gewechselt. Warum?

Guillen: Die Zeit bei Daimler war großartig. Dieter Zetsche hat mir eine tolle Aufgabe gegeben; das von mir damals entwickelte und auf den Weg gebrachte Smart-Projekt Car2Go hat sich inzwischen zu einem großen Erfolg entwickelt. Das befriedigt natürlich, auch im Nachhinein. Aber Tesla war für mich damals die größere Herausforderung.

mm: Und das größere Risiko.

Guillen: Risiken können reizvoll sein. Elon Musk bot mir an, das Model S marktreif zu machen und die Produktion aufzubauen. Er hatte damals kein anderes Auto in der Pipeline, und das erste Projekt, der Roadster war ausgelaufen. Hätte das Model S nicht funktioniert, gäbe es Tesla heute nicht mehr. Viel mehr Verantwortung geht nicht.

mm: Es gab damals viele Zweifler, auch am Model S, ...

Guillen: ..., die gibt es heute auch wieder: an unserem nächsten Modell, dem SUV Model X, an unserer Batterie-Fertigung. Wir werden die Zweifler überzeugen. Elon Musk hat damals von uns gefordert, das Model S zum besten Auto der Welt zu machen. Elon sagte nicht "das beste Elektroauto", er sagte "das beste Auto, keine Kompromisse". Ich denke, wir haben es geliefert.

mm: Sie setzen bei Tesla auf rein batterie-elektrisch angetriebene Autos. Toyota bringt 2015 das erste Serienmodell mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt. Viele deutsche Konkurrenten vertrauen vor allem auf Mischformen, Verbrennungsmotoren gekoppelt mit steckdosentauglichen Elektroaggregaten. Solche Modelle kommen zum Teil auf mehr als doppelt so große Reichweiten wie der Tesla S. Ist das nicht ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Plugin oder auch Range Extender?

Guillen: Wir glauben an unsere Strategie, und die Verkaufszahlen geben uns Recht. 2014 werden wir unseren Absatz nahezu verdoppeln. Nur die begrenzte Kapazität unseres Werks verhindert, dass wir noch mehr Autos verkaufen.

"Norweger reisen im Model S bis an die Cote d'Azur"

mm: Tesla könnte auch eine Plugin-Variante des Model S anbieten, allein schon um nicht alles auf eine Karte zu setzen und so das Risiko des Scheiterns zu minimieren.

Guillen: Für Große mag es sich lohnen zu diversifizieren. Ein vergleichsweise kleines Unternehmen wie Tesla würde das überfordern. Also konzentrieren wir uns auf die Technik, die wir für die beste halten. Keine Kompromisse, wie ich schon sagte. Schauen Sie auf Ihren Laptop. Hat der zusätzlich zur Batterie einen kleinen Benzinmotor? Nein, warum auch. Die Batterie ist optimal. Und das gleiche gilt für Autos.

mm: Beim Auto ist die Reichweite vermutlich wichtiger als beim Laptop. Auch Sie möchten auf einer Urlaubsreise sicher nicht alle 400 Kilometer eine längere Zwangspause einlegen, um die Batterie Ihres Autos aufzuladen. 500 Kilometer mehr können über die Wahl zwischen Tesla S und, nur als Beispiel, Panamera S E-Hybrid entscheiden.

Guillen: Niemand fährt 900 Kilometer am Stück, ohne zwischendurch einen kleinen Toilettenstopp einzulegen. Und das Model S an unseren Supercharger-Stationen aufzuladen, dauert nicht länger als die Toilette zu besuchen und einen Kaffee zu trinken.

mm: In Deutschland gibt es gerade 17 Supercharger-Stationen. Wie soll das ausreichen?

Guillen: Erstens werden wir das Netz noch ausbauen. Zweitens erzählen mir Freunde in Südfrankreich staunend von den vielen norwegischen Urlaubern an der Cote d'Azur, die im Model S aus Skandinavien angereist sind. Tesla scheint sich also auch auf der Langstrecke zu bewähren.

mm: Wenn Sie die Konzepte der Konkurrenten betrachten: wen sehen Sie als Ihren härtesten Gegner?

Guillen: Persönlich bin ich beeindruckt von BMWs Project i. Die haben viel Geld in die Entwicklung von i3 und i8 investiert; sie haben ein eigenes Konzept für Marketing und Vertrieb dieser Modelle entwickelt. Es wäre schön, so etwas gäbe es häufiger.

mm: Sie wünschen sich mehr Konkurrenz?

Guillen: Davon würden wir profitieren. Erstens ist es in der aktuellen Phase wichtig, dass mehr Autofahrer den Elektroantrieben vertrauen. Und je mehr Hersteller E-Modelle anbieten, desto schneller wird sich dieses Vertrauen entwickeln.

mm: Und zweitens?

Guillen: Zweitens ist es Elon Musks eigentliche Mission, den Übergang zu einem nachhaltigen Verkehrskonzept zu beschleunigen. Zur Transportwelt der Zukunft, sozusagen. Das ist uns wichtiger, als möglichst viele Autos zu verkaufen. Aber das kann Tesla nicht im Alleingang schaffen. Deshalb haben wir auch die Patente für die Nutzung unserer Batterien frei gegeben. Es soll möglichst keine technischen Hürden geben.

"Eine Halbierung der Batteriekosten sollte möglich sein"

mm: Wollen Sie nicht eher zusätzliche Kunden für die Batterien locken, die Sie künftig in Ihrer Giga-Factory bauen werden?

Guillen: Sie haben Angst um die Auslastung unserer Giga-Factory? Das ist rührend. Aber ich kann Sie beruhigen. Wir wollen künftig 500.000 Autos im Jahr bauen und verkaufen, und das wird uns auch gelingen.

mm: Wann wird es so weit sein?

Guillen: Vielleicht 2020, vielleicht ein wenig früher. Jedenfalls nicht, bevor wir in drei oder vier Jahren unser drittes Modell auf den Markt bringen werden. Für diese Autos wird unser Batteriewerk die Akkus liefern. Und falls Kapazität frei bleiben sollte, wollen wir die zusätzlichen Akkus für die Produktion kleiner Power-Stationen nutzen, mit denen zum Beispiel Hausbesitzer Strom speichern können.

mm: In der Giga-Factory werden Sie andere Batterien als die im Model S eingesetzten Akkus produzieren.

Guillen: Sagen wir, die Batterien werden optimiert sein, auch was ihre Leistungsstärke angeht. Vor allem aber werden wir Geld sparen. Elon Musk hat das Ziel ausgegeben, die Kosten um 30 Prozent zu senken. Wir profitieren nicht nur von den höheren Stückzahlen. Denken Sie allein an den Transport. Bislang beziehen wir unsere Batterien aus Japan. Die 30 Prozent sind eine sehr konservative Schätzung. Da wollen wir deutlich mehr erreichen. Eine Halbierung der Kosten sollte möglich sein.

mm: Sie sprechen mittelfristig von 500.000 Autos, die Sie verkaufen wollen. Wo steht Tesla in zehn oder 15 Jahren?

Guillen: Genau lässt sich das natürlich schwer prognostizieren. Aber eins ist klar: Tesla wird ein im Vergleich zu 2014 sehr großes Unternehmen sein.

mm: So groß wie Volvo ? So groß wie BMW ?

Guillen: Lassen Sie uns abwarten, wie gut sich unser drittes Modell verkaufen wird,...

mm: ...ein - so ist es angekündigt - vergleichsweise günstiges Auto, geplant als elektrisches Gegenstück zu Modellen wie BMWs 3er, ...

Guillen: ... mit diesem Model 3 sollten wir unsere Verkaufszahlen signifikant steigern. Und danach werden wir auch genauer wissen, wie es weiter geht. Aber eins ist schon jetzt klar: Wir arbeiten schnell. Sehr schnell.

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