Befragung von 300 Auto-Managern Innovationsdruck in Autobranche so hoch wie nie zuvor

Audi-Prototyp AiTrail mit ausbaubaren Hängematten-Rücksitzen: Innovative Ideen hat vor allem der eigene Arbeitgeber, meinen die befragten Manager
Foto: Audi
Die Umstellung auf Elektroantriebe ist kostspielig und schwierig, bei Mobilitätsdienstleistungen lauert ein Haufen neuer Konkurrenten, dazu kommen aktuell noch stagnierende oder rückläufige Absatzzahlen: Nach Jahren des weltweiten Wachstums befindet sich die Automobilindustrie nun in schwierigen Zeiten.
Doch wie kommt die Branche mit dem steigenden Druck zurecht? In welchen Bereichen erodiert das bisherige Geschäftsmodell am stärksten? Wie gut sieht sich die Branche selbst in punkto Innovationen gerüstet, und wo müssen die Autobauer und Zulieferer noch dringend nachlegen?
Diesen Fragen ging das zur Wirtschaftszeitung "Financial Times" gehörende Beratungs- und Forschungsinstitut Longitude im Auftrag des 3D-Druck- und Prototypenspezialisten Protolabs nach. Per Telefonumfrage befragte Longitude im Sommer 300 Manager der Automobilbranche, dazu kamen sieben ausführliche Interviews mit Führungskräften.
Ein Ergebnis der Studie überraschte den Auftraggeber Protolabs dabei besonders: "Das Selbstvertrauen der Autoindustrie in die eigene Innovationskraft ist stark. Aber wenn es um die Mitbewerber ging, war es weniger stark ausgeprägt", sagt Protolabs Europe-Geschäftsführer Björn Klaas.
Sieben von zehn Befragten sehen aktuell hohen Innovationsdruck

KD Busch/compamedia
In Zahlen ausgedrückt: 82 Prozent der Befragten gaben sich zuversichtlich, dass ihr Unternehmen in den kommenden 12 Monaten die sich ändernden Kundenwünsche befriedigen könne. 77 Prozent sehen sich gut gerüstet, mit neuen Wettbewerbern zu konkurrieren. Und mehr als zwei Drittel, nämlich 69 Prozent, meinen auch neue Märkte erobern zu können.
Innovationsdruck in Autobranche so hoch wie nie zuvor
Dabei sieht sich die Autobranche selbst einem hohen Druck ausgesetzt. 69 Prozent der Manager gaben an, dass sie noch nie unter so hohem Innovationsdruck standen wie aktuell. Etwas mehr als die Hälfte erwartet, dass ein neuer Konkurrent mit einem revolutionären Fahrzeug ihre Märkte in Unruhe versetzen könnte.
Während die Manager ziemlich selbstbewusst sind, was den Erfolg ihres eigenen Unternehmens anlangt, sind sie für die Mitbewerber deutlich pessimistischer. Denn knapp die Hälfte der Befragten, exakt 49 Prozent, meinen, dass der Rest der Branche nicht gut vorbereitet ist auf die künftigen Umwälzungen.
Gleich 52 Prozent der Befragten meinen sogar, dass mindestens eine traditionelle europäische Automarke in den kommenden drei Jahren ihr Geschäft einstellen muss. Das war eine der Auswahlmöglichkeiten bei der Frage nach jenen Ereignissen, die die Befragten in den nächsten 36 Monaten als wahrscheinlich einschätzen. "Die Befragten glauben, dass sich einer der Mitbewerber da nicht behaupten kann", interpretiert es Klaas.
Drei Gesellschafts-Trends setzen der Autobranche zu

Insgesamt zeigt die Befragung drei Trends auf, für die Automanager überzeugende Angebote finden müssen. Das Verhalten der Konsumenten ändert sich schnell. Vor allem in Städten wird Autofahren für Autobesitzer mühsamer, Parkmöglichkeiten werden weniger und Verbraucher denken viel stärker über die Umweltbelastung nach.
Weltweit kommen für die Branche auch noch neue Wettbewerber hinzu. In China etwa hat der Staat eine Quote für Elektroautos vorgegeben und fördert Dutzende Start-ups, die nun als neue Mitbewerber antreten.
Zudem gerät das traditionelle Geschäftsmodell des Autoverkaufens zunehmend aus den Fugen: Wichtiger wird die Autonutzung, nicht mehr der Autobesitz. Gleich 56 Prozent der Befragten meinen, dass sich in den kommenden fünf Jahren immer mehr Konsumenten vom Autokauf verabschieden werden und viel stärker auf Carsharing setzen.
Automanager meinen, dass sie bei Innovationen schneller werden müssen
Wohl auch deshalb setzen Europas Autohersteller offenbar ihren Fokus auf Innovationen. Sechs von zehn Befragten gaben an, dass sie ihre Innovationsaktivitäten noch beschleunigen müssen. Die Geschwindigkeit für die Umsetzung von Neuerungen erkennt die Branche also als wichtig an. Das Selbstvertrauen der Branche ist davon aber nicht erschüttert. "Viele sind bei ihren eigenen Fähigkeiten sehr optimistisch", sagt Klaas. "Die Befragten wissen, dass sie in punkto Technologie immer an der Spitze waren. Und der Enthusiasmus ist auch bei der Elektromobilität da".
Allerdings, so meint Klaas, hat die Autoindustrie - anders als etwa lange Zeit der stationäre Handel - die Warnzeichen erkannt. Und gerade einige deutsche Hersteller müssen nun eine Umdeutung ihres eigenen Markenkerns hinbekommen. Denn drei Viertel der Befragten erklärten, dass der Kunde künftig nicht mehr der Fahrer, sondern eher der Passagier sein wird. Markenpositionierungen, die ganz stark in Richtung Selbstfahren und Fahrfreude gehen, werden damit ein Stück weit obsolet.
In punkto Innovationskraft gibt es bei den traditionellen Autoherstellern aber wohl noch Defizite, die auch die eigenen Mitarbeiter erkennen. Zwar gaben die Befragten an, dass das eigene Unternehmen sehr gut auf Kundenfeedback reagiert. Allerdings: Nur etwas mehr als ein Drittel gab an, dass es im eigenen Unternehmen eine gut ausgebaute, firmenweite Innovationskultur gebe.
Die Treiber für die Innovationszyklen, auch das kam in der Studie raus, sind aber je nach Region durch unterschiedliche Faktoren getrieben. In China etwa sorgen staatliche Vorgaben für Elektromobilität aktuell für Innovationen. In Europa erfolgt der Stimulus eher durch die Gesetzgebung und steuerliche Vergünstigungen. "In westlichen Märkten ist das eher durch Nachfrage getrieben, nicht so sehr durch Regulative. Das ist etwas langsamer, aber vehementer", so Klaas.
Noch eine Entwicklung haben die Studienautoren ausgemacht: Fahrzeuge werden künftig stärker nur für einen bestimmten Zweck optimiert - etwa als Personentransporter in der Stadt. Das dürfte künftige Fahrzeugserien teils deutlich kleiner machen - statt hunderttausender Stück werden dann eben nur ein paar zehntausend Fahrzeuge für einen bestimmten Anwendungsfall hergestellt. Davon dürfte auch Studienauftraggeber Protolabs profitieren - denn das Unternehmen ist auch auf den Bau von Kleinserienwerkzeugen spezialisiert.