Sixt verschmilzt Carsharing und Autovermietung "Die Sixt-Flotten sollen ineinander atmen"

Von Wilfried Eckl-Dorna
Alexander Sixt ist Strategiechef des gleichnamigen Autovermieters und der älteste Sohn des Firmengründers Erich Sixt

Alexander Sixt ist Strategiechef des gleichnamigen Autovermieters und der älteste Sohn des Firmengründers Erich Sixt

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Mit seiner neuen, globalen Mobilitätsplattform "One" bietet Deutschlands größter Autovermieter Sixt nun Automiete, Carsharing und Fahrdienste in einer einzigen App an. Strategiechef Alexander Sixt erläutert, weshalb Sixt nach dem Ausstieg bei DriveNow in den Carsharing-Markt zurückkehrt, was sich für den klassischen Automiet-Kunden ändert - und warum er bisher China bisher meidet.

manager-magazin.de: Herr Sixt, vor einem Jahr sind Sie bei DriveNow ausgestiegen und haben ihren 50-Prozent-Anteil an dem Carsharing-Dienst an BMW zurückverkauft. Nun verschmelzen sie die klassische Autovermietung mit Kurzfristmieten, kehren also doch wieder ins Carsharing-Geschäft zurück. Warum?

Alexander Sixt: Carsharing und Automieten sind im Prinzip das Gleiche: Kunden mieten ein Auto auf Zeit und zahlen dafür Geld. Am Ende ist es egal, ob sie das Auto in einer Station abstellen, ob die nun physisch oder digital ist - oder ob das Auto auf der Straße steht. Die einzig entscheidende Frage ist, wie nahe der Kunde am Angebot ist.

Diesem Thema nähern wir uns nun von zwei Seiten. Auf der einen Seite steht die Digitalisierung der Autovermietung über "Sixt rent". Unser Kunde kann nun 30 Minuten vor der Abholung sein Wunschfahrzeug aussuchen. Er kann dann mit seinem Smartphone direkt zum Mietwagen gehen, ihn über die Sixt-App öffnen und losfahren. Das funktioniert an normalen Stationen oder an digitalen Countern. Auf der anderen Seite bieten wir künftig Fahrzeuge im Freefloat-Carsharing an, die dann direkt auf der Straße parken und sich per Smartphone bzw. über unsere App mieten lassen.

Das funktioniert dann also ähnlich wie bei DriveNow?

Ja, mit Sixt Share können sie minutenweise Fahrzeuge mieten, wenn sie in den Geschäftsgebieten wohnen. Das Freefloat-Geschäft weiten wir aber in Richtung Autovermietung aus. Kunden müssen die Fahrzeuge nicht mehr im eigenen Geschäftsgebiet abgeben, sondern können auch weiterfahren. Sie können den Wagen etwa an nächsten Sixt-Station in einer anderen Stadt oder in deren Geschäftsgebiet zurückgeben. Da verschwimmen nun die Grenzen. Wir wollen Konsumenten vermitteln, dass Sixt nicht nur eine Autovermietung ist - sondern dass man über uns das gesamte Mobilitätsspektrum abdecken kann.

An Mietwagen stellen Kunden wohl andere Anforderungen punkto Sauberkeit. Werden Sie künftig deshalb nur einen Teil ihrer Gesamtflotte für das Carsharing verwenden - und den größeren Teil für die klassische Vermietung reservieren?

Nein, wir sehen da keinen großen Unterschied. Bis auf die Sauberkeit ist das exakt das gleiche Produkt. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass wir die gesamt Flotte Carsharing-fähig machen. Jetzt gehen wir aber erst mal sukzessive weiter. Die genaue Zahl, mit der wir im Carsharing starten, will möchte ich aber aus Wettbewerbsgründen nicht kommunizieren.

Angedeutet hatte Sixt einen solchen Schritt schon im Sommer. Warum hat das dann doch länger gedauert?

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Wir stellen unsere Produkte erst vor, wenn sie wirklich fertig sind. Unsere neue App hat neben der Autovermietung und dem Carsharing noch eine dritte Dimension dazubekommen: Über "Sixt ride" können sie nun einen Fahrer bestellen. In 250 Städten bieten Sixt-Partner über unsere App nun Fahrdienste an. Dazu zählen so große Spieler wie Lyft, aber auch kleinere wie Cabify oder das deutsche Taxigewerbe. Das haben wir in nur einem halben Jahr umgesetzt. Es war ein Kraftakt, diese Plattform so zu bauen, dass sie skalierbar ist.

Warum arbeiten Sie bei ihrem Fahrdienst-Angebot mit mehreren Playern zusammen?

Bisher hat sich kein einziger Fahrdienst-Anbieter weltweit durchgesetzt. In den USA gibt es Uber und Lyft, in China dominiert Didi, in Europa ist das Feld eher fragmentiert. Über unsere App ist die Nutzererfahrung gleich, ob sie nun eine Fahrt vom Flughafen München zum Vier-Jahreszeiten-Hotel buchen oder vom New Yorker Flughafen JFK zur Penn Station. Wir wollen aber mit den Fahrdienst-Anbietern keinesfalls in Konkurrenz treten. Unser Geschäft ist es, Kunden international da Autos anzubieten, wo sie sie brauchen. Deshalb haben wir für die Fahrdienste Partner an Bord geholt.

"Wir integrieren, um die eine Mitwagenbuchung mehr zu machen"

Zurück zum Carsharing: Wie wird Sixt da in deutschen Städten auftreten?

Anfänglich werden unsere Carsharing-Autos mit unseren Logos beklebt sein. Wir müssen der Öffentlichkeit ja jetzt erstmal zeigen, dass es bei Sixt nun auch Carsharing gibt. Mittelfristig wird sich das aber immer stärker mit unseren normalen Fahrzeugen durchmischen. Die Sixt-Flotten sollen ineinander atmen. Wenn die Nachfrage im Carsharing runtergeht, können wir das in der Autovermietung kompensieren und umgekehrt. Wir glauben, dass Carsharing nur gemeinsam mit der Autovermietung ein interessantes Produkt ergibt. Nur das stationsunabhängige "Autoteilen" alleine wird auf lange Sicht eine Nische bleiben.

Warum das?

Aktuell ist das auf wenige europäische Metropolen begrenzt. In den USA und China ist es faktisch kaum präsent. Bis 2022 soll Carsharing in Europa laut einer Studie auf ein Marktvolumen von rund 1,5 Milliarden Dollar kommen. Das klingt viel, ist aber sehr wenig im Vergleich zur Autovermietung. Die kommt weltweit auf ein Marktvolumen von 58 Milliarden Dollar. Erst durch die Verbindung der beiden Flotten wird ein Schuh draus.

Wenn Sie Carsharing für einen Nischenmarkt halten, warum steigen Sie dann da wieder ein?

Es gibt dafür einen betriebswirtschaftlichen Grund: Wir integrieren alle Dienste in eine App, um eben die eine Mietwagenbuchung mehr zu machen. Durch das breitere Angebot und das bessere Produkt wollen wir unsere Kunden näher an die Marke Sixt bringen. Unser durchschnittlicher Mietwagenkunde bucht 2,3 Mal pro Jahr ein Fahrzeug. Der durchschnittliche Carsharing-Nutzer mietet vier bis fünf Mal im Monat, da haben wir schon wesentlich mehr Kontakt zum Kunden. Bei Fahrdiensten gibt es pro User oft mehrere Buchungen pro Woche. Wir bekommen so wesentlich mehr tägliche Nutzer und können so unsere Marketinggelder viel gezielter einsetzen.

Was lassen Sie sich denn den Einstieg ins Carsharing kosten?

Alles, was wir da jetzt tun, haben wir technisch bereits zur Verfügung. Da kommen keine Riesen-Investitionen auf uns zu. Wir müssen keine neue Marke erfinden, als Sixt sind wir ja schon ziemlich erfolgreich. Auch die IT dafür haben wir bereits. Bei uns arbeiten aktuell über 600 Entwickler, wir sind fast schon ein IT-Unternehmen mit angeschlossener Autovermietung.

BMW und Daimler haben ihre Carsharing- und Mobilitätsdienste zusammengelegt. Das versuchen sie ja jetzt mit ihrem Ansatz auch - sie bieten Vermietung und Fahrdienste aus einer Hand. Treten sie damit nicht in direkte Konkurrenz zu beiden Autoherstellern?

Mit Daimler und BMW verbindet uns eine jahrzehntelange Partnerschaft. Für beide Konzerne sind wir einer der größten Pkw-Abnehmer weltweit. Das ist für uns sehr wichtig, und von Seiten beider Hersteller gibt es da auch überhaupt keine Diskussion darum. Aber die Probleme der öffentlichen Mobilität in urbanen Metropolen sind unserer Ansicht nach zu groß, als dass sie ein Anbieter alleine lösen kann. Unsere Ansage ist auch nicht, dass wir es alleine schaffen. Deshalb haben wir die Hand in Richtung Fahrdienste ausgestreckt. Alle Autohersteller und Mobilitätsdienstleister versuchen Produkte anzubieten, die den öffentlichen Nahverkehr entlasten und den privaten Autobesitz zurückdrängt. Unser Ziel ist es, etwas anzubieten, damit weniger Menschen ganz alleine im Auto sitzen.

Was ist denn nun Ihre Vorstellung, in welche Richtung sich Sixt nun entwickeln soll?

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Unser Job ist bei Sixt ist es, Fahrzeuge bereitzustellen - egal wo es der Kunde will, wofür, wie lange oder welche Marke. Wir sind fürs Autohinstellen zuständig. Wir wollen uns genau darauf fokussieren, was wir können, und uns nicht verzetteln. Wir sind Marktführer in Deutschland mit rund 240.000 Autos weltweit und 20 Millionen Kunden. Autovermietung und Carsharing sind für mich das Gleiche. Wir haben ein starkes Produkt, und jetzt soll die Reise weitergehen. Wir wollen starke Partner dazugewinnen, dass sie ihre Produkte unseren Kunden zur Verfügung stellen. So wollen wir ein Ökosystem der Mobilität bauen.

Im klassischen Autovermietgeschäft haben Sie in den letzten Jahren ja in den USA expandiert. Trotzdem sind sie dort noch ein kleiner Player. Hat die US-Expansion noch Priorität bei Sixt?

Die nun durchgezogene Digitalisierung der Autovermietung wird uns dabei sogar helfen. Eine klassische Vermietstation in einer Stadt oder am Flughafen zu eröffnen ist ein langwieriger Prozess. Künftig können wir in den USA "digitale" Stationen eröffnen. Wir können etwa Parkplätze bei Hotels oder Einkaufszentren anmieten, dort unsere Fahrzeuge abstellen und über unsere App vermieten. Damit können wir viel leichter ermitteln, welche Nachfrage es vor Ort gibt. Wir werden so wesentlich agiler.

Im weltgrößten Automarkt China ist Sixt bislang nicht präsent, weshalb?

China, bei allem Respekt, ist kein Markt für Autovermietung. Autofahren ist dort sehr, sehr anstrengend. Zudem gibt es in China viele regulatorische Probleme für Autovermieter. Wir haben mit den USA eine große Wachstumschance vor uns, mit unserer Plattform ONE die zweite. Wir wollen uns da nicht verzetteln und auf diese beiden Chancen fokussieren.

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