Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot (links) wird den inhaftierten Rupert Stadler an der Audi-Spitze wohl vorübergehend ersetzen, berichten verschiedene Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Insider
Foto: imago/Sven SimonNach der Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler soll der bislang unbelastete Vertriebschef Bram Schot vorerst an die Spitze des Autobauers aufrücken. Der Audi-Aufsichtsrat muss der Personalie noch formal zustimmen, berichten mehrere Nachrichtenagenturen unter auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Der in den Niederlanden geborene Manager ist erst seit September 2017 bei Audi. Stadler werde vorläufig beurlaubt, hieß es.
Zur Stunde berät der Aufsichtsrat noch. Volkswagen äußerte sich noch nicht zum Stand der Beratungen. Audi war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Stadler wegen Verdunkelungsgefahr in U-Haft
Am Montag Vormittag hatte die Staatsanwaltschaft München die Festnahme von Audi-Chef Rupert Stadler bekannt gegeben. In der Dieselaffäre bei Volkswagen sitzt damit erstmals ein Mitglied der obersten Führungsetage in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht München erließ am Montag Haftbefehl gegen den Audi-Chef. Der Manager wurde am frühen Morgen bei sich zu Hause in Ingolstadt festgenommen.
"Der Beschuldigte wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat", teilte die Münchner Ermittlungsbehörde mit. Begründet wurde die Haft mit Verdunkelungsgefahr. Diesen Haftgrund führt die Justiz an, wenn sie befürchtet, dass Beweismittel vernichtet werden könnten oder jemand versucht, auf Zeugen einzuwirken.
Bei der Haftrichterin machte Stadler laut Staatsanwaltschaft keine Angaben zur Sache. Seine Vernehmung soll spätestens am Mittwoch beginnen. Volkswagen und Audi bestätigten die Festnahme Stadlers und erklärten, für ihn gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Ein Sprecher des VW-Eigners Porsche SE sagte: "Es ist klar, dass sich der VW-Aufsichtsrat mit dem Thema beschäftigen wird." Stadlers Anwalt lehnte eine Stellungnahme ab. Laut Staatsanwaltschaft hat die Verteidigung bisher noch keine Erklärungen abgegeben.
Die Nachricht platzte unmittelbar vor einer regulären Aufsichtsratssitzung von Volkswagen in Wolfsburg, bei der der Stand der Ermittlungen in dem Dieselskandal erneut Thema sein wollte. Die Staatsanwaltschaft München hatte erst vergangene Woche überraschend Stadlers Privatwohnung durchsucht und dies mit Betrugsverdacht in der Dieselaffäre begründet. Auch die Wohnung eines anderen amtierenden Audi-Managers war durchsucht worden. Die Zahl der Beschuldigten stieg damit auf 20.
Was machen jetzt Volkswagen-Chef Herbert Diess und der Aufsichtsrat?
Für Volkswagen-Chef Herbert Diess werden die Ermittlungen gegen Stadler zusehends zu einem Problem. Denn er setzt bisher beim Umbau des Wolfsburger Mehr-Markenkonzerns auf den Audi-Chef. Stadler leitet die wichtige Premiumgruppe der Wolfsburger mit der Marke Audi an der Spitze.
Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützten sich auf die Auswertung von Korrespondenz, verlautete aus Ermittlerkreisen. Im März 2017 und im Februar 2018 hatte es in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm Razzien gegeben.
Lesen Sie auch: Das sind Stadlers gröbste Schnitzer in der Dieselkrise
Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220.000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten sechs Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Stadler leitet Audi seit dem Jahr 2007 und steht seit Bekanntwerden des Abgasskandals vor mehr als zweieinhalb Jahren massiv unter Druck. Gegen den Manager waren immer wieder Rücktrittforderungen laut geworden. Einen Rücktritt lehnte der langjährige Audi-Manager in der Vergangenheit ab. Bisher hatten die Familien Porsche und Piech Stadler trotz aller Kritik im Amt gehalten.
Schots Weg führte über ABN Amro und Daimler zu Volkswagen
Bram Schot, der Stadler nun wohl ersetzen an der Spitze von Audi ersetzen soll, wurde am 12. Juli 1961 in Rotterdam geboren. Er studierte an der Universität Bradford in England Betriebswirtschaft. 1986 begann er seine Karriere als Management-Trainee in der ABN-Amro-Bank, wechselte ein Jahr später zu Mercedes-Benz in den Niederlanden und war dort für den Vertrieb von Nutzfahrzeugen zuständig. Er wurde Landeschef von DaimlerChrysler in den Niederlanden, dann in Italien.
2011 wechselte Schot zum VW-Konzern. Ab 2012 war er Vertriebschef der Volkswagen-Nutzfahrzeuge. Seit September 2017 ist der Manager bei Audi Vorstand für Vertrieb und Marketing.
Lesen Sie auch: Vom Chefsessel in U-Haft - Middelhoff schreibt Wirtschaftskrimi
In Reaktion auf die Nachricht gaben Vorzugsaktien von Volkswagen am Montag deutlich nach. Mit einem Abschlag von 3,54 Prozent am Nachmittag waren sie der größte Verlierer im Dax. Aktien von Daimler und BMW verloren lediglich jeweils rund 1,6 Prozent während der Dax selbst rund 2 Prozent abrutschte. Mit Stadler sei in der Aufarbeitung der Dieselaffäre der bislang ranghöchste Manager des VW-Konzerns festgenommen worden, sagte ein Händler. Anleger reagierten folglich mit Vorsicht und lösten VW-Positionen auf.
Im September 2015 kommt der Dieselskandal ins Rollen. Während VW-Chef Winterkorn und Audi-Cheftechniker Ulrich Hackenberg binnen Tagen ihre Posten räumen müssen, bleibt Rupert Stadler Chef der VW-Premiummarke Audi. Der Manager Stadler beteuert, dass er bis kurz vor Aufkommen des Abgasskandals nichts von den illegalen Abschalteinrichtungen in Audi-Dieseln gewusst habe. Vorwürfe der Trickserei wies er lange zurück. Das tat er zuletzt nicht mehr, sondern entschuldigte sich jedes Mal deutlich für Verfehlungen im Konzern.
Obwohl bald klar ist, dass Audi die Keimzelle der Software-Manipulationen ist, bleibt Stadler weiterhin im Amt. Deutlich näher kommen die Einschläge für ihn erst im Jahr 2017. Im März 2017 - just während Stadler Jahreszahlen präsentiert - lässt die Staatsanwaltschaft Audi-Büros in Ingolstadt und Neckarsulm durchsuchen. Es geht zunächst um 80.000 Fahrzeuge, ...
... die für den US-Markt bestimmt waren. Im Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdacht des Betrugs und der strafbaren Werbung soll die Durchsuchung vor allem dazu dienen herauszufinden, welche Personen beteiligt waren und sind. Kurz zuvor hatte Volkswagen als Mutterkonzern von Audi bei den US-Behörden eigene Verfehlungen eingeräumt sowie zugegeben, dass auch Audi an der Täuschung der US-Behörden mitgewirkt habe.
Anfang Februar 2018 führt die Staatsanwaltschaft München II erneut Razzien in der Ingolstädter Zentrale der Volkswagen-Tochter Audi und im Audi-Werk in Neckarsulm durch. Es geht mittlerweile um den Verdacht, Audi könne womöglich mehr als 200.000 Dieselfahrzeuge für den europäischen und den US-amerikanischen Markt manipuliert haben. Nur wenige Tage zuvor waren auch die Wohnungen von sechs heutigen oder früheren Audi-Motorentechnikern durchsucht worden.
Am 30. Mai 2018 weitet die Staatsanwaltschaft München II die Ermittlungen erneut aus. Die Untersuchungen richten sich nun auch gegen Audi-Chef Rupert Stadler und ein weiteres Mitglied im Vorstand ...
... beiden Managern wird Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Dabei geht es um den Vorwurf, dass Dieselfahrzeuge mit manipulierter Software auf den europäischen Markt gebracht wurden. Staatsanwälte verdächtigen Stadler, den Verkauf solcher Wagen in Europa auch nach Aufdeckung der Betrügereien in den USA 2015 geduldet zu haben. Die Ermittler kamen Stadler noch näher, ließen dann im Juni 2018 die Privatwohnung von Stadler und eines weiteren aktiven Audi-Vorstands filzen - und Telefongespräche abhören.
In einem von den Ermittlern abgehörten Telefonat soll Stadler erwogen haben, einen Zeugen im Ermittlungsverfahren der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen Porsche zu beeinflussen. Das war Grund genug für einen Haftbefehl. Als eine Haftrichterin am Montag, 18. Juni 2018, Stadler damit konfrontiert, verweigert er nach verschiedensten Berichten die Aussage. Die Richterin schickte den 55-jährigen Manager deshalb ins Gefängnis in Untersuchungshaft. Sie sah akute "Verdunkelungsgefahr" in dem Fall.
Am 19. Juni 2018 bestimmt Audi den bisherigen Marketingvorstand Bram Schot (im Bild) zum Interims-CEO. Stadler blieb vorerst pro forma im Amt, sein Funktion ruhte. Erst Anfang Oktober 2018 gab der Volkswagen-Konzern die endgültige Trennung von Stadler bekannt und erklärte damals, dieser Schritt sei einvernehmlich. Mitte Oktober akzeptierte Audi eine Strafzahlung über 800 Millionen Euro in Deutschland. Die Ermittlungen gegen das Unternehmen Audi sind damit von der Staatanwaltschaft abgeschlossen, jene gegen Personen gehen weiter ...
... doch knapp zwei Wochen nach der Bußgeldzahlung ist auch der langjährige Audi-Chef Stadler aus der der Untersuchungshaft entlassen: Am 30.10.2018 teilte Oberlandesgericht München mit, der Haftbefehl vom Juni sei nun gegen Auflagen außer Kraft gesetzt. Stadler muss den Kontakt zu den für das Ermittlungsverfahren relevanten Personen vermeiden und eine Kaution hinterlegen. Der Betrugsverdacht im Zusammenhang mit der Abgasaffäre bestehe weiter, erklärten die Staatsanwälte.
Ohne Ämter hatte Stadler mit seiner Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht Erfolg, die vom Landgericht im August noch abgewiesen worden war. Stadler war elf Jahre lang Audi-Chef gewesen, seit 2007. Wegen des Dieselskandals sitzen bereits seit vergangenem Jahr ein ehemaliger Audi-Manager sowie der ehemalige Porsche-Motorenchef in Untersuchungshaft. In den USA gibt es zudem einen Haftbefehl gegen Ex-Volkswagenchef Martin Winterkorn (Bild). Dieser ist in Deutschland aber bislang vor einer Auslieferung sicher.
Im September 2015 kommt der Dieselskandal ins Rollen. Während VW-Chef Winterkorn und Audi-Cheftechniker Ulrich Hackenberg binnen Tagen ihre Posten räumen müssen, bleibt Rupert Stadler Chef der VW-Premiummarke Audi. Der Manager Stadler beteuert, dass er bis kurz vor Aufkommen des Abgasskandals nichts von den illegalen Abschalteinrichtungen in Audi-Dieseln gewusst habe. Vorwürfe der Trickserei wies er lange zurück. Das tat er zuletzt nicht mehr, sondern entschuldigte sich jedes Mal deutlich für Verfehlungen im Konzern.
Foto: Michael Sohn/ AP... die für den US-Markt bestimmt waren. Im Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdacht des Betrugs und der strafbaren Werbung soll die Durchsuchung vor allem dazu dienen herauszufinden, welche Personen beteiligt waren und sind. Kurz zuvor hatte Volkswagen als Mutterkonzern von Audi bei den US-Behörden eigene Verfehlungen eingeräumt sowie zugegeben, dass auch Audi an der Täuschung der US-Behörden mitgewirkt habe.
Foto: Frank Leonhardt/ dpaAm 19. Juni 2018 bestimmt Audi den bisherigen Marketingvorstand Bram Schot (im Bild) zum Interims-CEO. Stadler blieb vorerst pro forma im Amt, sein Funktion ruhte. Erst Anfang Oktober 2018 gab der Volkswagen-Konzern die endgültige Trennung von Stadler bekannt und erklärte damals, dieser Schritt sei einvernehmlich. Mitte Oktober akzeptierte Audi eine Strafzahlung über 800 Millionen Euro in Deutschland. Die Ermittlungen gegen das Unternehmen Audi sind damit von der Staatanwaltschaft abgeschlossen, jene gegen Personen gehen weiter ...
Foto: ddp images/Sven Simon... doch knapp zwei Wochen nach der Bußgeldzahlung ist auch der langjährige Audi-Chef Stadler aus der der Untersuchungshaft entlassen: Am 30.10.2018 teilte Oberlandesgericht München mit, der Haftbefehl vom Juni sei nun gegen Auflagen außer Kraft gesetzt. Stadler muss den Kontakt zu den für das Ermittlungsverfahren relevanten Personen vermeiden und eine Kaution hinterlegen. Der Betrugsverdacht im Zusammenhang mit der Abgasaffäre bestehe weiter, erklärten die Staatsanwälte.
Foto: Marijan Murat/ picture alliance/dpa