VWs Streit mit Krawall-Zulieferer eskaliert Prevent spielt erneut Rambo - und beschädigt Karriere eines VW-Topmanagers

Gießer bei Halberg Guss: Der neue Besitzer Prevent nutzt die Firma für seinen langen Streit mit Volkswagen
Foto: DPAEine neue Geschäftsführung, die im Streit um Lieferverträge Preise um bis zu 1000 Prozent erhöht. Mitarbeiter, die mit einer mehrtägigen Betriebsversammlung die Produktion kurzfristig fast lahmlegen. Ein Landtag, der sich in das Schicksal der Gießerei Neue Halberg Guss einschaltet ... Es geht hoch her im sonst eher beschaulichen Saarland. Der Grund dafür ist ein schon lange schwelender Streit zwischen dem Autoriesen Volkswagen und dem bosnischen Zulieferer Prevent; gestartet in Südamerika und inzwischen in Saarbrücken-Brebach angekommen.

Der Streit hat nach Informationen von manager-magazin.de längst auch die oberen Führungsetagen in Wolfsburg erreicht und dürfte zumindest dazu beigetragen haben, dass einem mächtigen Einkaufsmanager wohl der Aufstieg in den Konzernvorstand verwehrt bleibt. Der aktuelle Zoff hat eine lange Vorgeschichte - deshalb der Reihe nach:
Im Sommer 2016 zwang der bosnische Autozulieferer Prevent, der deutschen Öffentlichkeit bis dahin praktisch unbekannt, den mächtigen Volkswagen-Konzern in die Knie: Im Streit um geplatzte Liefervereinbarungen stoppten die deutschen Prevent-Töchter ES Automobilguss und Car Trim Lieferungen von Getriebebauteilen an Volkswagen. Prevent hatte die beiden deutschen Gießereien erst einige Monate vor dem Streit erworben.
Weil Volkswagen nicht schnell genug auf Ersatzlieferanten ausweichen konnte, standen bei dem Autoriesen mehrere Tage lang Bänder still. Der unfreiwillige Produktionsstopp soll die Wolfsburger einen deutlich dreistelligen Millionenbetrag gekostet haben. Nach zähen Verhandlungen einigten sich Volkswagen und Prevent auf neue Lieferverträge, die bis Mitte 2018 laufen sollten.
VW sucht heimlich Ersatz, Prevent kauft strategisch geschickt zu
Parallel dazu begann der Volkswagen-Konzern, heimlich nach Ersatz für die nun als unzuverlässig eingestuften Gießereien zu suchen. Nach knapp zwei Jahren hatten die Wolfsburger die neuen Verträge offenbar unter Dach und Fach: Anfang April 2018 kündigten sie die Lieferverträge mit ES Automobilguss, Car Trim und einer weiteren Prevent-Tochter fristlos.
Die Kündigung bereitete Volkswagen gründlich vor: Laut Informationen von manager-magazin.de soll der Zulieferer Adient ein Jahr lang die doppelte Stückzahl gefertigt haben, um den erwarteten Lieferstopp aufzufangen. Doch die Wolfsburger gingen wohl noch etwas weiter, um etwas gegen die in Ungnade gefallenen Prevent-Töchter in der Hand zu haben: Volkswagen soll Untersuchungen über die Prevent-Gruppe in Auftrag gegeben haben - laut VW "im Rahmen des rechtlich Zulässigen", nach Prevent-Lesart eher Bespitzelung.
Prevent drohte Volkswagen wegen der Vertragskündigungen postwendend eine Schadenersatzklage im Milliardenbereich an. Allerdings hatten die streitbaren Bosnier, die in den vergangenen Jahren beim Küchenhersteller Alno für Turbulenzen sorgten, auch auf andere Art vorgebaut für ein weiteres Scharmützel mit den Wolfsburgern. Anfang des Jahres kaufte Prevent die deutsche Gießereigruppe Neue Halberg Guss (NHG) mit rund 2000 Mitarbeitern - von einem Finanzinvestor, der Halberg erst im Juli 2017 übernommen hatte.
Prevent setzt bei Halberg auf eine bewährte Truppe - und ein altes Spiel
Halberg Guss ist auf Motorenblöcke spezialisiert, die Gießereigruppe mit Standorten in Saarbrücken und Leipzig beliefert den Volkswagen-Konzern seit Jahren mit Gussummantelungen für Getriebe. Aber auch Zylinderköpfe für Lkws und Kurbelwellen gehören zum Halberg-Portfolio. Alles keine Hightech-Bauteile - doch offenbar Bestandteile, für die der Autoriese Volkswagen innerhalb weniger Monate keinen alternativen Lieferanten finden kann.
Prevent weiß das und nutzt das nun wie schon vor zwei Jahren für einen harten Preiskampf. Kurz nach der Übernahme tauschten die Bosnier die Geschäftsführung von Halberg Guss aus - und setzten dabei auf Manager, die sich schon zuvor im Infight mit VW bewährt hatten: Als Managing Director der NHG tritt nun Alexander Gerstung auf, der bei ES Automobilguss nach wie vor als Chief Operating Officer gelistet ist. Prevent-Strategieverantwortlicher Barbaros Arslan hat nun ebenfalls Geschäftsführungs-Befugnis bei Halberg Guss.
Seit Mitte April ist auch Rogerio Luis Goncalves Mitglied der Halberg-Geschäftsführung. Goncalves leitete zuvor bereits Prevent-Tochterunternehmen in Brasilien und legte sich dort ebenfalls mit Volkswagen an. Er soll jetzt persönlich von Ninjaz Hastor, dem Gründer der bosnischen Prevent-Gruppe, nach Deutschland geholt worden sein.
Volkswagen setzt notgedrungen auf Normalität
Die neue Halberg-Geschäftsführung setzt auf Konfrontation: Volkswagen soll nach Darstellung von Prevent eine Preiserhöhung zugesagt und diese wieder zurückgezogen haben. Laut einem Bericht des Handelsblatts soll sich VW Mitte März nach einem Treffen entschieden haben, die Beziehung zu NHG so schnell wie möglich einzustellen. Der Zulieferer erhöhte daraufhin die Preise - und zwar nicht zu knapp: Sie sollen sich teils verzehnfacht haben. Laut Informationen von manager-magazin.de müsste Volkswagen bei vollem Auftragsvolumen wohl mehr als 900 Millionen Euro bezahlen - statt der ursprünglich eingeplanten 90 Millionen.
Die Einkäufer bei VW sollen deshalb in heller Aufregung sein: Sie haben zum einen noch keinen Ersatzlieferanten für die Bauteile. Zum anderen sollen sie zunächst die von NHG teils gestoppten, aber nun doch gelieferten Bauteile nicht angenommen haben. Denn eine Annahme der Teile hätte - zumindest nach Prevent-Auffassung - das Akzeptieren des geforderten, vervielfachten Preises bedeutet.
Aktuell laufen die Lieferungen von NHG an den Volkswagen-Konzern aber normal. Die Wolfsburger nehmen sämtliche Lieferungen von Halberg ab, heißt es auf Nachfrage von manager-magazin.de bei Volkswagen. Mit Neue Halberg Guss habe der Volkswagen-Konzern "rechtsgültige, unbefristete und ungekündigte Verträge", sagt ein Konzernsprecher. Diese halte der Konzern auch ein.
Wie der Prevent-Zoff einem hochrangigen VW-Manager den Aufstieg vermasselt

Über die von Halberg Guss deutlich erhöhten Preise laufen aktuell Gespräche, in die sich auch das saarländische Wirtschaftsministerium eingeschaltet hat. Laut Auskunft der Saarländer haben sich Vertreter von VW und Prevent mit der saarländischen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger am Freitag, den 11. Mai zu mehrstündigen Verhandlungen in Frankfurt getroffen.
Die Gespräche seien "angesichts der Lage nicht ganz einfach, aber konstruktiv" verlaufen, verlautet das saarländischen Wirtschaftsministerium. In der Woche nach Pfingsten gibt es ein weiteres Treffen, in dem erste Arbeitsergebnisse gemeinsam besprochen werden sollen. Ziel sei eine Einigung, die "Grundlage einer längerfristigen Zusammenarbeit" sein soll.
Die neue Auseinandersetzung mit Prevent schlägt auch auf die oberste Führungsriege bei Volkswagen durch. Denn der kommissarische Einkaufsvorstand des Konzerns, Ralf Brandstätter, ist wohl gleich doppelt davon betroffen. Als Einkaufschef der Marke VW fiel schon die komplette Vorgeschichte des aktuellen Prevent-Streits in Brandstätters Verantwortung.
Und auch jetzt drohen möglicherweise wieder Produktionsausfälle: NHG liefert Gussteile vor allem an Volkswagens Nutzfahrzeugsparte und die Lkw-Tochter Scania. Von möglichen Ausfällen betroffen wären etwa das Werk in Hannover und die schwedischen Scania-Standort.
NHG soll Ausstieg aus Autozulieferer-Geschäft suchen
Zum anderen fallen auch Prevents Spionage-Vorwürfe in Brandstätters Verantwortungsbereich. VW soll sich, so der Vorwurf von Prevent, sehr weitreichende Informationen über Prevent-Mitarbeiter beschafft haben. Volkswagen erklärt auf Nachfrage dazu, nur Recherchen über die Prevent-Gruppe in Auftrag gegeben zu haben. Diese wurden laut Volkswagen nicht vom Vorstand und damit auch nicht von Herrn Brandstätter veranlasst. Die Recherchen über die Prevent-Gruppe seien erfolgt, um "mehr Transparenz über deren Strukturen und Netzwerk zu bekommen" und seien von nach bisherigen Erkenntnissen "stets im Rahmen der rechtlichen Vorschriften durchgeführt worden".

Ralf Brandstätter, Einkaufschef der Marke VW
Foto: AFPDennoch sollen sich bei Volkswagen Dutzende Prevent-Mitarbeiter über vorgebliche Ausforschungen beschwert haben. VW soll ihnen Zugang zu den erhobenen Daten zugesichert haben - gegen eine Schweige-Verpflichtung über die eingesehenen Informationen.
Die Bespitzelungs-Vorwürfe sind höchst peinlich für einen Konzern, dessen neuer Chef Herbert Diess öffentlich mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit einfordert. Wohl auch deshalb soll Brandstätter keine Chance haben, den nach dem Rücktritt von Francisco Javier García Sanz vorerst übernommenen Posten im Konzernvorstand zu behalten.
In Saarbrücken fürchten die NHG-Mitarbeiter und die IG-Metall wohl nicht ganz zu Unrecht, dass sie für einen Streit herhalten müssen, für den sie nichts können. Anfang Mai hielten die Mitarbeiter eine mehrstündige Betriebsversammlung ab. Die neue NHG-Geschäftsführung hat gegenüber den Betriebsräten ein Effizienzprogramm angekündigt und sucht den Weg in eine Zukunft ohne den bisherigen Hauptkunden Volkswagen.
Doch da müssen die neuen NHG-Herren sich wohl schnell etwas einfallen lassen. Für die Prevent-Töchtern ES Guss und Car Trim ging der Machtkampf mit Volkswagen letztlich böse aus: Sie mussten Kündigungen aussprechen und Kurzarbeit beantragen, mittelfristig sind hunderte Arbeitsplätze gefährdet.