Berater erwartet knallharte Opel-Sanierung "PSA kann bei Opel locker 10.000 Arbeitsplätze wegstreichen"

Marc Staudenmayer hat viele Jahre als Berater in Frankreich gearbeitet und dabei auch die französischen Autobauer PSA und Renault beraten. Im Interview sagt er, warum Opel unter Peugeot eine knallharte Sanierung bevorsteht und warum der Kaufpreis symbolisch ausfallen dürfte.
Von Wilfried Eckl-Dorna
Opel-Palette vom ersten Kadett (1936) bis zum neuen Astra (2016): Peugeot wird knallhart sanieren, warnt ein Frankreich-Kenner

Opel-Palette vom ersten Kadett (1936) bis zum neuen Astra (2016): Peugeot wird knallhart sanieren, warnt ein Frankreich-Kenner

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Opel und Peugeot: Was die wichtigsten Akteure wollen

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manager-magazin.de: Herr Staudenmayer, Sie haben lange in Paris gelebt und kennen die französische Industrie gut. Zu größeren Wirtschafts-Deals melden sich Frankreichs Politiker und Gewerkschafter üblicherweise schnell zu Wort. Bei der geplanten Opel-Übernahme durch den französischen Autokonzern PSA (Peugeot, Citroën) ist das nicht der Fall, obwohl der französische Staat 14 Prozent der PSA-Anteile hält. Warum?

Marc Staudenmayer
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Marc Staudenmayer, 49, ist Geschäftsführer und Senior Partner der Strategieberatung Advancy. Er hat mehr als 20 Jahre Beratungs-erfahrung, u.a. in der Automobilindustrie.

Marc Staudenmayer: Zum einen ist die französische Regierung um Präsident Francois Hollande derzeit sehr schwach. Sein Premierminister Manuel Valls trat im Dezember zurück, um in den Präsidentschaftswahlwahlkampf einzusteigen. Die Vorwahlen hat Valls verloren, er ist damit ganz raus. Und im Fall der Opel-Übernahme ist Frankreich nicht das attackierte Land und damit in der Defensive, sondern in der Offensive. Für französische Politiker ist es beinahe undenkbar, dass bei dem Zukauf eines Unternehmens im Ausland auch im Inland Arbeitsplätze wegfallen könnten.

mm.de: Dabei könnten beim Zusammengehen von PSA  und Opel ja auch Jobs in Frankreich auf der Kippe stehen.

Staudenmayer: Auch wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoll wäre, wird sich PSA kaum an Stellenstreichungen im eigenen Land heranwagen. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass die Gefahren für die Opel-Gruppe viel größer sind, als viele in Deutschland annehmen.

mm.de: Branchenkenner sprechen von rund 6500 Opel-Jobs, die bei einer PSA-Übernahme gefährdet sein könnten. Das wären rund 17 Prozent der insgesamt 38.000 Stellen von GM Europe. Halten Sie das für realistisch?

Staudenmayer: Ich halte diese Zahl für stark untertrieben. Opel schreibt seit mehr als einem Jahrzehnt Verluste und wird von General Motors  durchgefüttert. PSA kauft Opel nur, wenn sie das Unternehmen knallhart sanieren können. Die müssen Opel auf eine normale Rendite bringen. Ich gehe davon aus, dass PSA kein Opel-Hauptquartier mehr in Deutschland benötigt, sondern Opel als Landesgesellschaft aus der Pariser Zentrale steuert. Dann können sie locker 10.000 Arbeitsplätze bei Opel wegstreichen. Unter einen Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen wird die Marke auch nicht rentabel.

mm.de: Aktuell versuchen deutsche Politiker und Gewerkschafter ja, die Opelaner mit Meldungen über Job- und Standortgarantien zu beruhigen. Was halten sie davon?

Staudenmayer: Die Manager von General Motors werden nicht auf die Zustimmung der Bundesregierung pochen, um Opel zu verkaufen. Im aktuellen Wahlkampf tun alle deutschen Politiker so, als könnten sie hier etwas bewirken. Doch am Ende macht ein Käufer doch, was er will. Kein Politiker kann solche Versprechungen über die Sicherung von Arbeitsplätzen einhalten. Das ist auch gar nicht ihre ordnungspolitische Aufgabe, schon gar nicht in einem Land, in dem von ein paar Ausnahmen abgesehen Vollbeschäftigung herrscht.

"Eine Beschäftigungsgarantie bis 2018 ist nichts wert"

mm.de: PSA-Chef Carlos Tavares könnte solche Garantien aber durchaus geben. Wird er das aus Ihrer Sicht tun?

Staudenmayer: So wie ich Tavares bei Renault und bei PSA kennengelernt habe, ist er nicht der Typ, der sich auf so etwas einlässt. Ich glaube nicht, dass er solche Garantien geben kann. Und wenn er sie trotzdem gibt, muss er einen anderen Plan haben. Dann wird er wohl sehr stark bei den Opel-Werken außerhalb Deutschlands streichen, etwa in England, Spanien oder in Polen.

mm.de: Brächte eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2018, wie sie nun kolportiert wird, denn am Ende überhaupt etwas?

Staudenmayer: Wenn PSA bei Opel ein großes Restrukturierungsprogramm fährt, und davon gehe ich aus, ist so eine Garantie nichts wert. Bei großen Unternehmen vergehen leicht 12 bis 18 Monate von der Ankündigung einer Übernahme und eines damit verbundenen Jobabbaus bis zu dem Moment, wo die Leute tatsächlich auf der Straße stehen. Der würde dann auf einem Arbeitsmarkt stattfinden, in dem die Autobranche händeringend nach qualifizierten Fachkräften sucht. Die Opel-Mitarbeiter würden hohe Abfindungen erhalten und wohl ein paar Wochen später einen neuen Job haben. Denn Opelaner sind gesuchte Fachkräfte. Die bauen ja keinen Schrott, sondern gute Autos. Bloß ist die Marke zu klein und das Image zwar besser als früher, aber nach wie vor nicht gut.

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Autogramm Opel Ampera E: Mission Possible

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mm.de: Was genau hätte PSA von einem Opel-Zukauf?

Staudenmayer: Opel scheint mit dem Ampera-e bei Elektroautos weit vorne zu sein. PSA hinkt bei der Elektromobilität aber hinter dem Erzkonkurrenten Renault hinterher. Ein Opel-Zukauf würde PSA hier technologisch weiterbringen. Ein zentraler Punkt des PSA-Interesses an Opel, so vermute ich, ist das Opel-Vertriebsnetz in Deutschland und in England für zukünftige Umsätze mit Elektromobilität. Das ist wohl auch für den chinesischen Fahrzeughersteller Dongfeng spannend, der 14 Prozent an PSA hält.

mm.de: Ist ein Kaufpreis von ein bis zwei Milliarden Euro für Opel aus ihrer Sicht gerechtfertigt?

Staudenmayer: Der Kaufpreis hat in diesem Fall eher symbolischen Wert. Opel schreibt seit mehr als 10 Jahren Verluste, ein positiver Kaufpreis kann da nur durch zukünftige Synergien mit dem kaufenden Unternehmen gerechtfertigt werden. Um den Schein zu wahren, wird schon ein positiver Betrag genannt werden, der Regelungen bei den Schulden, den Pensionsrückstellungen und den Patentschutzrechten beinhalten wird. Rein betriebswirtschaftlich gesehen: Wenn sie den Kaufpreis auf Basis zukünftiger Gewinnerwartungen berechnen, wäre er bei Opel aus heutiger Sicht negativ. Aber selbst wenn PSA am Ende eine oder zwei Milliarden Euro für Opel bezahlt: Für ein Unternehmen mit 38.000 Mitarbeitern und einer solchen Marke ist das im Grunde eine sehr geringe Summe, wenn PSA es schafft, die Synergien zu heben.

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