Pionier bei E-Mobilität schwächelt Nissan bringt neues E-Auto - mit Handicap

Von Bertel Schmitt
Nissan Leaf: Die zweite Generation des japanischen E-Mobils soll in 2017 auf den Markt kommen - eher früher als später, heißt es

Nissan Leaf: Die zweite Generation des japanischen E-Mobils soll in 2017 auf den Markt kommen - eher früher als später, heißt es

Foto: Nissan

Das lange Warten auf den Langstrecken-Nachfolger des Elektroauto-Pioniers Nissan Leaf dürfte bald ein Ende haben. Vor einer Woche gab es vertrauliche Signale aus dem Inneren der Nissan-Zentrale in Yokohama, dass die zweite Generation des japanischen E-Mobils eher früher als später im neuen Jahr das Licht der Welt erblicken wird. Carlos Ghosn, Chef von Nissan und Renault und neuerdings auch von Mitsubishi, winkte eigenhändig mit dem Zaunpfahl und machte unüberhörbare Andeutungen, dass Nissan's neuer Stromer der Star der Elektronik-Messe CES Anfang Januar in Las Vegas sein könnte.

Was Ghosn jedoch verschwieg: Die Batterie des neuen Leaf könnte "zunächst enttäuschen", so ein Nissan-Insider. Der Stromspeicher XL mit der größeren Reichweite komme erst etwas später, hieß es hinter vorgehaltener Hand - sicher zur Freude der immer größeren elektro-mobilen Konkurrenz.

Marktführer, nicht Meinungsführer

"Wir sind nicht auf der CES, nur weil alle da sind", plauderte Ghosn gestikulierend vor einem ausgewählten Journalistenkreis aus. "Wir haben etwas Substantielles zu zeigen. Mehr verrate ich nicht, es soll spannend bis zur Ausstellung bleiben." Dabei kann sich der batterie-elektrische Leaf über Spannung nicht beklagen. Vor zwei Jahren hatte Ghosn in Tokio von einer neuen Leaf-Generation gesprochen, die erst nach 400 Kilometern wieder an die Steckdose muss. Etwas später zeigte Nissan Konzeptstudien, die weit gefälliger daherkamen als das Müsli-Design des glubschäugigen Vorgängers. Prompt nahmen Kunden eine freudige Erwartungshaltung ein - und die Verkäufe des aktuellen Modells und bisherigen batteriebetriebenen Marktführers begannen zu schwächeln.

Jetzt aber steht die Fahrzeugszene unter Strom: Auf die Autoausstellung in Paris im vergangenen Herbst wagte sich fast kein Hersteller mehr mit steckerlosem Auto. Ob Volkswagen, Daimler, oder BMW, alle sind elektrisiert. Opel zeigte die Euro-Version des Chevrolet Bolt, den Ampera-e mit 500 Kilometern Reichweite. Renault präsentierte einen batteriebetrieben Zoe, der 400 Kilometer am Stück schafft und zudem noch sehr günstig ist. Dann natürlich Teslas Model 3, wann immer es Wirklichkeit wird. "Wir sind Marktführer, aber nicht mehr Meinungsführer", stellt Ghosn nunmehr fest. Nissans Leaf droht in Vergessenheit zu geraten, es sei denn er lässt endlich Neues von sich hören.

Ringen um Konzernstrategie

Nicht hilfreich ist in der Situation, was sich in gut unterrichteten Kreisen in Yokohama erzählt wird, nämlich dass der neue Leaf zunächst mit einer Batterie von "enttäuschend" geringerer Reichweite ausgeliefert wird. Der ausdauernde Akku käme etwas später, hieß es. Renaults Zoe erreicht seine angeblichen 400 Kilometer Reichweite mit einer 40-Kilowatt-Stunden-Batterie des koreanischen Lieferanten LG-Chem. Der "IDS" genannte Prototyp des neuen Leaf wurde im vergangenen Jahr mit einer 60 kW-Batterie gezeigt, ebenfalls hergestellt von LG-Chem, wie Nissan-Ingenieure verrieten. Wider Erwarten lässt dieser stärkere Stromspender im neuen Leaf aber auf sich warten, so scheint es.

Blockiert hier konzerninternes Gezerre die Modellpolitik? Nissan produziert seine Batterien bisher im eigenen Haus, Renault kauft sie ein. Ghosn drängt darauf, sich von der Batterieproduktion zu trennen. Do-it-yourself machte Sinn in 2008, da gab es keinen geeigneten Lieferanten, sagte Ghosn vor kurzem, aber "heute ist die Lage komplett anders". Es gebe eine Reihe potenter Zulieferer mit besseren und billigeren Batterien. "Wir können nicht überall und in alles investieren. Wir müssen uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren und Technologien entwickeln, die kein anderer hat. Wenn wir günstiger zukaufen können, dann tun wir das." Fans von Teslas Gigafactory, aufgemerkt.

Ghosn dringt darauf, dass die Bausteine aller Elektroautos in der vergrößerten Renault -Nissan-Mitsubishi-Allianz die gleichen sind, er fordert "gemeinsame Plattformen, gemeinsame Motoren, gemeinsame Inverter - und eines Tages auch gemeinsame Batterien". Wann immer eines Tages ist.

Bertel Schmitt machte 35 Jahre lang Werbung, vor allem für Volkswagen und schreibt als Meinungsmacher für manager-magazin.de. Wie bei den anderen Meinungsmachern auch, gibt seine Meinung nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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