Kurssturz beim Elektro-LKW-Hersteller
Nikola-Gründer Milton tritt zurück
Trevor Milton, Chef des US-Herstellers von Elektrolastwagen, Nikola, tritt im Streit mit Leerverkäufern ab. Ein Nachfolger wurde schon benannt. Die Aktie des ehemaligen Börsenlieblings ist im freien Fall.
Trevor Milton: Der Rücktritt des Nikola-Gründers beschleunigt den Kurssturz
Foto: REUTERS / / Massimo Pinca
Der US-Hersteller von Elektrolastwagen Nikola hat inmitten des Streits mit dem Leerverkäufer Hindenburg seinen Chef verloren. Firmengründer und Chairman Trevor Milton (39) sei an den Vorstand herangetreten und habe angeboten, freiwillig aus dem Amt auszuscheiden, teilte das Unternehmen am Montag mit. Als sein Nachfolger sei mit sofortiger Wirkung Stephen Girsky (59) ernannt worden. Der ehemalige General-Motors-Vize hat eine langjährige Karriere in der Automobilbranche vorzuweisen, 2011 war er zwischenzeitlich zum Aufsichtsratschef bei Opel berufen worden.
Der Leerverkäufer Hindenburg wirft Nikola Betrug und Vetternwirtschaft vor. Es locke andere Autobauer wie General Motors mit falschen Versprechen in Partnerschaften. Mitte September wurde ein Bericht von Hindenburg Research bekannt, in welchem der Nikola-Gründer als notorische Lügner bezeichnet wird. So sei der jüngst mit General Motors geschlossene Deal über den gemeinsamen Bau von Elektro- und Wasserstofftrucks, der auf eine Bewertung von 18 Milliarden Dollar kommt, ein einziger Betrug. Die Aktie von Nikola brach in Folge des Berichts um rund 30 Prozent ein.
Trevor Milton war für Nikola absolut zentral. Er hatte zwar bereits zum Börsengang den CEO-Posten aufgegeben und stattdessen das Unternehmen als Aufsichtsratschef geführt. Doch Milton ließ keinen Zweifel daran, wer das Unternehmen führt. Milton war ein charmanter Verkäufer, der unter anderem Bosch dazu bringen konnte, bei Nikola einzusteigen. Miltons Vision - immer wieder geschickt von ihm verkauft - trieb Nikola an der Börse zwischenzeitlich auf eine 30-Milliarden-Bewertung.
Girsky hatte indes Nikola an die Börse gebracht. Investoren hoffen, dass er nun dafür sorgt, dass sich Nikola auf die Umsetzung der Ankündigungen fokussiert. Schon vor den Angriffen von Shortsellern hatte es Zweifel unter den Investoren gegeben, dass Milton in der Lage ist, seine Pläne auch umzusetzen. Das Problem für Girsky ist nur: Nikolas hohe Bewertung speiste sich quasi ausschließlich aus Miltons Verkaufstalent. Bisher hat Nikola kaum mehr vorzuweisen als wilde Pläne und einige Kooperationen mit Zulieferern und dem Autobauer GM.
Unterdessen hat die US-Börsenaufsicht SEC in der vergangenen Woche angekündigt, den Hybrid-Truck-Entwickler, der häufig als das "neue Tesla" betitelt wird, unter die Lupe zu nehmen. Die Behörde wolle die erhobenen Vorwürfe des Leerverkäufers "Hindenburg Research" prüfen, hieß es. Die Nikola-Aktie verlor daraufhin mehr als 8 Prozent. Auch das Justizministerium kündigte an, sich die Vorwürfe gegen Nikola anzusehen. Nikola bezeichnete den Hindenburg-Bericht als "falsch und verleumderisch". Den Vorwurf, dass Milton sich schon in der Zeit vor Nikola als notorischer Lügner erwiesen habe - wies das Unternehmen als "irrelevant" zurück.
Die Shortseller stützen ihre Erzählung von den nur vorgespiegelten technologischen Kapazitäten auch auf ein 2017 in einer Kongresspräsentation von Nikola verbreitetes Video, in dem ein Truck abzuheben scheint - tatsächlich aber nur gefilmt worden sei, wie er einen Hügel hinabrolle. "Nikola hat nie behauptet, dass sich der Truck in dem Video aus eigenem Antrieb bewegt", lautet die Stellungnahme.
Eine große Rolle spielt in der Auseinandersetzung auch der deutsche Autozulieferer Bosch, mit dem bereits seit 2017 eine Kooperation läuft. Während Nikola-Chef Milton im Juli 2020 in einem Podcast erklärte, fünf Vorführfahrzeuge mit der stärksten bekannten Lkw-Batterie von 720 Kilowattstunden würden "gerade jetzt in Ulm vom Fließband kommen", äußerte sich ein Bosch-Sprecher gegenüber Hindenburg im September ganz anders: "Nein, die sind noch nicht fertig. Ich weiß das genaue Jahr nicht, aber wir arbeiten daran." Nikola erklärt unter Berufung auf Bosch, die Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen.
Bosch hat sich laut Hindenburg ebenso wie andere frühe Investoren, "die genau wissen, um welche Art von Unternehmen es sich handelt", in großem Stil von Nikola-Aktien getrennt - Trevor Milton selbst habe sich für den Fall finanziell abgesichert, dass er entlassen werde.