Neuwagenkauf per Internet Neues Online-Trauma der Autohändler

Paar beim Neuwagenhändler: Solche Szenen könnten in Zukunft seltener werden - jüngere Kunden können sich auch den Neuwagenkauf via Internet vorstellen
Foto: DPAHamburg - Bei Deutschlands BMW- und Mercedeshändlern ist die sommerliche Ruhe derzeit dahin. Statt jahreszeittypisch mit Grillfesten, Kaltgetränken und heißen Preisen Kunden zu ködern, sorgt ein Thema für hitzige Diskussionen: Die Branche hat Angst davor, beim Verkauf von Neuwagen per Internet künftig außen vor gelassen zu werden - und grundlos ist diese Sorge nicht.
Vor Kurzem sickerten BMWs Vertriebsideen für das Elektroauto i3 durch - samt Plänen, den Elektroflitzer auch künftig direkt via Internet zu verkaufen. Und das soll erst der Anfang sein: BMW kann sich auch den Online-Direktverkauf weiterer Neuwagenmodelle vorstellen. Die Konkurrenz von Mercedes hat offenbar ähnliche Pläne in der Schublade.
Nun fürchten Deutschlands Autohändler, dabei unter die Räder zu geraten. Denn obwohl die Hersteller betonen, dass sie den Handel nicht schwächen wollen, sind viele Autohäuser nicht gerade ideale Partner für die schnelllebige Onlinewelt: Für das Internet-Zeitalter sind viele Händler schlecht gerüstet, bislang fehlen schlagkräftige Rezepte gegen neue Onlinekonkurrenten.
Fachleute prophezeien der Branche nicht nur deshalb eine massive Bereinigung in den kommenden Jahren. Der Neuwagenverkauf via Internet könnte diesen Wandel noch beschleunigen. Während die Autohändler lamentieren und über ein gemeinsames Vorgehen brüten, bereitet die Online-Plattform mobile.de den großen Einstieg ins Online-Neuwagengeschäft vor. BMW und Mercedes trauen ihren selbstständigen Händlern offenbar nicht zu, da mitzuhalten - und basteln an eigenen Online-Vertriebskonzepten.
Als erster Hersteller wagt sich nun BMW in Richtung Online-Direktverkauf vor. Mit dem Elektroauto i3, das gestern offiziell vorgestellt wurde, gehen die Bayern auch im Vertrieb neue Wegen: Weil die Kaufbereitschaft für das 35.000 Euro teure Fahrzeug noch unklar ist, tragen die Bayern erstmals selbst das Verkaufsrisiko. Ausgesuchte Händler verkaufen das Fahrzeug auf Rechnung von BMW und erhalten vom Autohersteller Honorare für Beratung, Service und Reparaturen.
Nur Audi sagt nein zum eigenen Onlinehandel
Von Anfang an wollen die Bayern ihren i3 auch direkt über das Internet anbieten - im eigenen Onlineshop. Und das soll erst der Anfang sein. BMWs Deutschland-Vertriebschef Roland Krüger sagte der WirtschaftsWoche, dass der Verkauf via Internet künftig bei allen Modellen ergänzend eingesetzt werden könne. Im Klartext: BMW dürfte selbst in den Autoverkauf einsteigen - wenn auch vorerst in überschaubarem Umfang.
Die Bayern bleiben damit nicht alleine: Auch Mercedes will Ende dieses Jahres einen eigenen Onlineverkauf mit vorkonfigurierten Modellen starten. Abgewickelt werden die Verkäufe zunächst nur über die Niederlassungen in Hamburg und Warschau, das Angebot ist anfangs auf wenige Baureihen beschränkt.
Die Auslieferung der Autos erfolgt über lokale Händler. Daimler betont, dass die bestehenden Händler "selbstverständlich" in diesen Prozess eingebunden bleiben. Mit hohen Internet-Verkaufszahlen rechnet Mercedes aber erstmal nicht. Dafür hofft die Sternmarke, per Internet auch jüngere Kunden zu erreichen. Denn die machen um Mercedes-Neuwagen nach wie vor einen großen Bogen.
Nur Audi verzichtet als einziger unter Deutschlands Premiumherstellern auf einen eigenen Onlinevertrieb, berichtete das Fachmagazin kfz-betrieb vor kurzem. Dafür wollen die Ingolstädter den Händlern helfen, ihre Internetpräsenzen aufzumöbeln.
Geld verdienen die Händler vor allem bei Service und Wartung
Denn das Internet spielt für Neuwagen längst eine wichtige Rolle. Vier Fünftel aller Neuwagenkäufer recherchieren vor dem Kauf vorab im Internet, zeigt eine Studie von K&A BrandResearch. Mehr als zwei Drittel der Käufer entscheidet mit Hilfe von Onlineinformationen über das neue Fahrzeug, rund 55 Prozent der Käufer wählen auch ihren Händler via Internet aus.
Der nächste logische Schritt wäre der vollständige Online-Kauf eines Fahrzeuges. Jüngere Konsumenten, die ohnedies viel online shoppen, können sich dies Studien zufolge immer besser vorstellen - möglicherweise auch ohne Einbeziehung eines traditionellen Autohändlers. Doch genau dagegen läuft die Branche Sturm.
"Die große Gefahr ist, dass sich der Kunde daran gewöhnt, alles via Internet abzuwickeln", sagt Walter Missing. Er hat jahrelang eine große Mercedes-Niederlassung geleitet, war danach Deutschland-Vertriebsnetzchef von Daimler und berät nun Autohäuser zu Vertriebsstrategien. Zwar haben die deutschen Autohändler im vergangenen Jahr mit dem Verkauf neuer Fahrzeuge 55 Milliarden Euro umgesetzt. Doch "im Neuwagengeschäft wird kein Geld verdient", meint Missing.
Vor allem der After-Sales - und Gebrauchtwagen- Bereich sichert das Auskommen der Händler. Damit das Geschäft mit Wartung und Reparaturen läuft, müssen Autohändler viel persönlichen Kontakt zu ihren Kunden halten. Und das fällt ihnen bei reinen Online-Käufern schwerer.
Zahl der selbständigen Autohäuser wird deutlich sinken
Ohnedies ist die Stimmung der Händler schon lange schlecht. Vorbei sind die Zeiten, in denen im Autohandel viel Geld verdient wurde. "Die Branche ist seit Jahren unterdurchschnittlich im Ertrag", formuliert es Missing. Denn es gibt in Deutschland zu viele Händler, sagt Missing - vor allem bei den großen Herstellern. Mit dieser Meinung ist er nicht alleine. Das Institut für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen sieht bei den Autohändlern eine neue Konsolidierungswelle heraufziehen. Bis 2020 wird sich die Zahl von derzeit 7900 wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Autohändlern auf 4500 verringern, zeigen Berechnungen des Instituts.
Zusätzlich werden den deutschen Händlern in den nächsten Jahren auch die niedrigen Verkaufszahlen zu schaffen machen. In diesem Jahr werden in Deutschland wohl nur 2,8 Millionen Neuwagen verkauft, im vergangenen Jahr waren es noch knapp über 3 Millionen. Und das Niveau von 2013 dürfte nach Ansicht der Unternehmensberatung Alix Partners für die nächsten Jahre der Normalfall werden.
Trotzdem bewegt sich die Branche kaum. "Autos werden heute noch genauso verkauft wie vor 30 Jahren", kritisiert Missing. Das Geschäftsmodell müsse sich ändern - aber das könne nur in Zusammenarbeit zwischen Autohändlern und Autoherstellern geschehen.
Doch auf einen Schulterschluss zwischen Händlern und Herstellern deutet derzeit nichts hin. Zwar betonen Hersteller immer wieder, wie wichtig die Händler für sie sind. Doch die Anforderungen an die Händler steigen: Verkaufsräume müssen in Farbgebung und Materialauswahl strikten Unternehmensvorgaben entsprechen. Verkäufer müssen entsprechend geschult sein - und idealerweise die Marken mit den neuesten technischen Spielzeugen präsentieren.
Rabattportal-Schleuderpreise werden oft zum Maßstab
Mit ihren Minirenditen tun sich gerade kleinere Händler schwer, diesem Ideal auch nur halbwegs zu entsprechen - was bei den Herstellern für Ärger sorgt. Andererseits erhalten selbstständige Autohändler von den Produzenten der Fahrzeuge etwa bei der Gestaltung von Internetauftritten nur wenig Unterstützung, heißt es in der Branche.
Beiden Seiten setzt auch das Wachstum von Online-Neuwagenportalen wie meinauto.de oder autohaus24.de zu. Sparwillige Kunden können dort mit wenigen Klicks die höchsten Preisnachlässe für fabrikneue Fahrzeuge herausfinden - deutschlandweit und markenübergreifend. Vermittler arbeiten dazu mit Autohändlern zusammen, die auf einen großen Teil ihrer Marge verzichten. Doch den Namen des Händlers erfährt der Autokäufer erst ganz zum Schluss.
Für die restlichen Autohändler - und für die Hersteller - werden diese Websites schön langsam zum Problem. Zwar werden über die Rabattportale momentan nur rund 40.000 Autos vermittelt, heißt es in der Branche, ein Bruchteil der zuletzt drei Millionen verkauften Neuwagen. Doch sie heizen die ohnedies schon heftige Rabattschlacht in Deutschland weiter an. "Diese Plattformen sorgen dafür, dass irgendwann eingeräumte Schleuderpreise zum Maßstab für viele Preisverhandlungen gemacht werden", schimpft Robert Rademacher, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe.
Gegeninitiative der Händler stockt
Rademacher selbst hat nichts dagegen einzuwenden, dass Neuwagen auch via Internet vertrieben und angepriesen werden - im Gegenteil. Per Internet können sich Käufer nun mal einen transparenten Überblick über den Gesamtmarkt verschaffen. "Händler müssen sich dem stellen", meint Rademacher. Was ihn allerdings stört, sind die anonymen Angebote der Internetvermittler, bei denen es ausschließlich um den höchsten Rabatt geht - und nicht um etwaige Serviceleistungen.
Deshalb plant Rademacher schon seit längerem eine Gegeninitiative: In Zusammenarbeit mit den Autoherstellern sollen Autohändler markenspezifische Internetplattformen aufbauen. Dort sollen Autokäufer dann ihr Wunschauto der jeweiligen Marke konfigurieren und die Preise bei Markenhändlern bundesweit vergleichen können. Die Händler sollen aber von Anfang an offen genannt werden - samt Informationen zu möglichen Zusatzleistungen.
Das Konzept dafür wollte der ZDK ursprünglich im ersten Quartal 2013 den Herstellern vorstellen, wie manager magazin online berichtete. Doch das Thema sei nicht so einfach zu lösen, heißt es nun. Es gebe "lebhafte Diskussionen" innerhalb des Verbandes, ob ein solcher bundesweiter Preisvergleich unbedingt notwendig sei, sagt Rademacher. "Doch wenn es diesen Knopf im Internet bereits zu drücken gibt, dann muss das in unser Portal hinein. Andernfalls bleiben wir zweite Liga". In Vorgesprächen hätten die Hersteller Interesse an solchen Portalen signalisiert, sagt Rademacher. Verbindliche Zusagen für Investitionen hat er aber noch nicht.
mobile.de will Online-Neuwagenhandel aufmischen
Andere sind da schneller unterwegs. So baut das Autohandelsportal mobile.de sein Angebot an Neuwagen derzeit kräftig aus. "Wir sehen den Neuwagenmarkt als unser großes Wachstumsfeld", sagt mobile.de-Geschäftsführer Malte Krüger zu manager magazin online.
Bereits 2011 wurden über die Plattform 200.000 Neuwagen von den mit mobile.de zusammenarbeitenden Händlern verkauft, so Krüger. Doch nun hübscht mobile.de sein Neuwagen-Standbein nicht nur optisch kräftig auf. Pünktlich zur Automesse IAA September geht die Handelsplattform mit einem komplett neuen Auftritt in diesem Sektor an den Start - mit wesentlichen Neuerungen: Um Neuwagenangebote zu sehen, müssen potenzielle Käufer zuerst eine Postleitzahl eingeben. Damit erhalten sie Angebote von Händlern in ihrer Umgebung. Zudem verlangt mobile.de von den teilnehmenden Händlern gewisse Mindeststandards. Und die angebotenen Fahrzeuge müssen sofort verfügbar sein
"Wir sind nicht anonym", umreißt Krüger den Unterschied zu den Rabattportalen. Die Händlernamen werden bereits nach Eingabe der Postleitzahl aufgelistet - und auch Preisabschlagsprozente im Vergleich zum Listenpreis gibt es vorerst nicht. In Zukunft will mobile.de jedoch den vom Händler angegebenen Preis in Relation setzen zum in der Region verlangten Preis. Das soll Autokäufern die Einschätzung erleichtern, ob der verlangte Preis eher hoch oder niedrig ist.
Bis Jahresende 90.000 Neuwagen im Angebot
Doch "Händler sollen sich bei uns nicht nur über den Preis differenzieren, sondern auch über andere Kriterien", beschwört Krüger. Autohandelsbetriebe werden sich auch auf mobile.de mit zusätzlichen Informationen präsentieren können - etwa, welche Leistungen sie anbieten, seit wann sie auf dem Markt sind und wie schnell sie im Durchschnitt auf E-Mails antworten.
Vorerst startet mobile.de mit einer Basis von 60.000 Neuwagen von fast 6000 teilnehmenden Händlern. Bis Jahresende will Krüger sein Angebot auf 90.000 Fahrzeuge und 8000 Händler ausbauen. Künftig sollen neben Neuwagen aus Lagerbeständen auch Fahrzeuge mit Tages- oder Händlerzulassungen angeboten werden. Eine Funktion für Bestellfahrzeuge ist ebenfalls in Planung - rund 15 Basiskonfigurationen will mobile.de den Neuwageninteressenten künftig auf der Website anbieten.
Einen höheren einstelligen Millionenbetrag soll mobile.de laut Branchenkennern in sein Neuwagenprojekt investieren. In vielen Punkten nimmt es bereits die Ideen des ZDK vorweg. Klar, am mobile.de-Neuwagenportal sind die teilnehmenden Händler zumindest indirekt beteiligt - doch sie riskieren, dass ihnen ein Dritter künftig die Verkaufsbedingungen diktiert. Die Autohändler müssen sich ziemlich beeilen, wenn sie im Onlinehandel mit Neuwagen n noch in der ersten Liga mitspielen wollen.