VW will die Krise abschütteln "Wir sind bereit, bis an unsere Grenzen zu gehen"

Die Kernmarke VW glänzte im ersten Halbjahr nicht. Doch will die wichtigste Marke im Konzern die Corona-Bürden jetzt hinter sich lassen und zum Jahresende mit aller Kraft operativ noch einen Gewinn einfahren
Foto: Julian Stratenschulte/ DPADer Autobauer Volkswagen will trotz der Coronavirus-Pandemie dieses Jahr bei der Marke VW noch einen operativen Gewinn einfahren. "Wir sind finanziell weiter robust aufgestellt und streben für das Gesamtjahr ein positives operatives Ergebnis an", sagte Marken-Finanzchef Alexander Seitz (58) am Freitag. "Dazu sind wir bereit, bis an unsere Grenzen zu gehen", sagte er.
Die Wolfsburger haben im ersten Halbjahr einen bereinigten operativen Verlust von 1,5 Milliarden Euro angehäuft, nachdem im Vorjahreszeitraum noch ein positives Ergebnis von 2,3 Milliarden Euro erwirtschaftet worden war. Dabei hatte VW aber die Fixkosten laut Seitz gegenüber dem Vorjahr bereits um eine "halbe Milliarde" Euro gesenkt.
Seit Jahren steht das Sparen bei der Marke ganz oben auf der Tagesordnung, die Kosten beim Unternehmen galten gerade im Vergleich mit anderen Massenherstellern als zu hoch. VW-Konzernchef Herbert Diess (61) war auch deswegen 2015 zunächst nach Wolfsburg zur Marke geholt worden, weil ihm der Ruf als "Kostenkiller" vorauseilte. In einem großen Sparpaket strich VW Zehntausende Arbeitsplätze. Die zunehmende Einführung des Gleichteilebaukastens MQB für die Produktion vieler Modelle schlägt sich allerdings erst nach und nach in den Ergebnissen nieder.
VW setzt auf neue Modelle - und auf China
Seitz will nun nicht nachlassen beim Sparen. Die gesenkten Fixkosten seien überwiegend nachhaltiger Natur. Auch im kommenden Jahr will der Manager im ersten halben Jahr die Fixkosten auf ähnlichem oder nur leicht höherem Niveau halten. Das habe man sich intern zum Ziel gesetzt. Seine persönliche Zukunft bei dem Autobauer wollte Seitz nicht kommentieren. Berichten zufolge könnte im Zuge des Führungsumbaus auch sein Posten wackeln. Die Verantwortung für die gesamte Kernmarke VW hatte am 1. Juli Ralf Brandstätter (51) von Herbert Diess übernommen (Lesen sie dazu den Hintergrund: "Herbert Diess - Cowboy ohne Waffen")
Im ersten Halbjahr waren wegen des Lockdowns infolge der Pandemie zwischenzeitlich zehntausende Mitarbeiter in den deutschen Werken wegen stillstehender Bänder für Kurzarbeit angemeldet. Die Autohäuser waren von Mitte März für Wochen geschlossen, verkauft wurde in vielen Weltregionen für lange Zeit kaum ein Auto. Nach den diese Woche begonnenen dreiwöchigen Betriebsferien sollen die Geschäfte dann wieder durchstarten, so Seitz. In Europa will die Marke die Produktion wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Krise anfahren.
"Im zweiten Halbjahr erhoffen wir uns Rückenwind, denn unsere Modelloffensive wird ihre volle Kraft entfalten", sagte Seitz. VW bringt unter anderem den wichtigen Elektro-Mittelklassewagen ID.3 an den Start, auch der Golf 8 soll weiter Schub geben. Vertriebschef Jürgen Stackmann (58) sieht zudem große Chancen bei den Plugin-Hybriden mit einem Mischantrieb von Elektro und Verbrenner. Durch die staatliche Förderung sei die Nachfrage nach diesen Modellen derzeit auch bei Privat-, aber vor allem bei Gewerbekunden hoch.
Stackmann setzt die Hoffnungen insbesondere auf die schnelle Erholung im chinesischen Markt. Im Juli schätzt er das Auslieferungsplus dort auf 2 Prozent gegenüber dem schon starken Vorjahresmonat, als eine Änderung bei Zulassungsrichtlinien für einen Boom sorgte. Weltweit geht VW aktuell noch von einem Auslieferungsminus von 6 Prozent für Juli aus.
VW-Konzern-Finanzvorstand Frank Witter (61) hatte am Vortag im Zuge der veröffentlichten Konzernzahlen gesagt, so richtig in die Gewinnzone zurückkehren werde die Kernmarke wohl erst im vierten Quartal. Seitz will aber auch im dritten Quartal schon wieder schwarze Zahlen vorweisen. Genauso will die Marke laut Seitz einen Zufluss bei den finanziellen Mitteln präsentieren.
Marken Porsche und Skoda schafften operatives Plus
Im Gegensatz zur Kernmarke VW erwies sich die Sport- und Geländewagentochter Porsche auch im ersten Halbjahr als Ertragsstütze. Das operative Ergebnis schrumpfte zwar um mehr als ein Viertel auf rund 1,2 Milliarden Euro, wie bereits am Donnerstag bekannt wurde. Aber damit gehören die Stuttgarter zu den wenigen Marken im Konzern überhaupt mit einem Gewinn. Lediglich die tschechische VW-Schwestermarke Skoda, die mit ihren günstigen Modellen den Massengeschmack trifft, schaffte unter den Pkw-Marken mit 228 Millionen Euro ebenfalls ein operatives Plus.
Bei Porsche fiel die Umsatzrendite mit 9,9 Prozent nur noch einstellig aus. Um sein ehrgeiziges Renditeziel von 15 Prozent in absehbarer Zeit wieder zu erreichen, kündigte Finanzchef Lutz Meschke (54) weitere Einsparungen an. "Für sichere Arbeitsplätze sind große, gemeinsame Anstrengungen notwendig", sagte Meschke, nannte aber keine Details.
Audi will sich 750 Millionen Euro Verlust wieder hochkämpfen
Die zweite VW-Premiumtochter Audi will sich wieder hochkämpfen. Dazu will der neue Vorstandschef Markus Duesmann (51) die Marke mit den vier Ringen neu ausrichten und den alten Audi-Slogan "Vorsprung durch Technik" mit neuem Leben füllen. Als Premiummarke soll Audi auch in der Elektromobilität eine Vorreiterrolle im Konzern übernehmen.
Noch haben auch die Ingolstädter schwer mit der Corona-Krise zu kämpfen: Im ersten Halbjahr fiel ein Betriebsverlust von 750 Millionen Euro an - nach einem Gewinn von 2,3 Milliarden Euro im Vorjahr. Der Umsatz brach um 29 Prozent auf 20,5 Milliarden Euro ein.
2020 wird Audi laut eigenen Erwartungen 1,6 Millionen Autos verkaufen. Das wären gut 10 Prozent weniger als 2019. Aber Duesmann gibt das Jahr nicht verloren. Die Umsatzrendite will er auf 3,3 Prozent halten (Ebit). Sein Vorgänger Bram Schot (59) hatte 2019 8,1 Prozent erreicht.
2021 will der Audi-Chef wieder 4,2 Milliarden Euro operativen Gewinn einfahren, schon 2022 mehr als 2019 vor der Krise und 2023 6 Milliarden Euro. Die Umsatzrendite läge dann mit 9,2 Prozent wieder auf dem 2019 vorausgesagten Vor-Corona-Kurs. Die Zahlen stehen in einem Bericht, den Audi mit der Einladung für die Hauptversammlung an diesem Donnerstag vorgelegt hatte.