Autozulieferer Gründer-Witwe verlässt mit 81 Jahren Schaeffler-Aufsichtsrat

Sie galt lange als Vorzeigeunternehmerin und ist einer der reichsten Menschen im Land: Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann, Matriarchin des Zulieferers Schaeffler, verlässt den Aufsichtsrat des Konzerns und geht in den Ruhestand. Ihre Nachfolgerin ist offenbar schon gefunden.
Tschüss: Mit 81 Jahren scheidet Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann aus dem Aufsichtsrat des Autozulieferers aus

Tschüss: Mit 81 Jahren scheidet Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann aus dem Aufsichtsrat des Autozulieferers aus

Foto: DPA

Die Witwe des Schaeffler-Gründers, Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann, zieht sich im April mit 81 Jahren aus dem Aufsichtsrat des fränkischen Auto- und Industriezulieferers zurück. Schaeffler-Thumann werde ihr Mandat aus Altersgründen nach der Hauptversammlung am 20. April niederlegen, teilte das Unternehmen am Freitag in Herzogenaurach mit.

Folgt nach: Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche soll in den Schaeffler-Aufsichtsrat aufrücken und Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann nachfolgen

Folgt nach: Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche soll in den Schaeffler-Aufsichtsrat aufrücken und Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann nachfolgen

Foto: PR

Nachfolgerin von Schaeffler-Thumann im Aufsichtsrat soll die ehemalige CDU-Politikerin Katherina Reiche (49) werden. Sie ist seit 2020 Vorstandschefin der Westenergie AG.

Die Milliardärin Schaeffler-Thumann hatte sich in den vergangenen Jahren aus der Öffentlichkeit nach und nach zurückgezogen, hält aber 20 Prozent an der Familienholding IHO. 80 Prozent hält ihr Sohn Georg. Bei IHO liegen die Stammaktien der Schaeffler AG, die Holding ist auch größter Aktionär des Autozulieferers Continental. Dort war Schaeffler-Thumann im vergangenen Jahr aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden.

Mit Maria-Elisabeth Schaeffler geht zugleich eine der schillerndsten Unternehmer-Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte von Bord. Schaeffler-Thumann, die in einem Atemzug mit Unternehmerinnen wie Liz Mohn oder Friede Springer genannt wird, ist Symbol des Aufstiegs und der Krisen des Zulieferer-Imperiums. Sie wird nach der Hauptversammlung im April nur noch eine Ehrenrolle haben, wie das Unternehmen weiter mitteilte.

"Die letzten drei Jahrzehnte meines Lebens waren geprägt von meinem Einsatz für das Unternehmen Schaeffler und die große Schaeffler-Familie. Ich bleibe dem Unternehmen auch zukünftig als Gesellschafterin eng verbunden und bin glücklich, der Nachfolgegeneration ein geordnetes Haus zu hinterlassen", sagte Schaeffler-Thumann.

"Wir verdanken ihr unendlich viel und wünschen ihr alles Gute"

Sohn und Aufsichtsratschef Georg F.W. Schaeffler

Aufsichtsrat und Management würdigten die Lebensleistung der in Prag geborenen und in Wien aufgewachsenen Unternehmerin. "Der unermüdliche Einsatz meiner Mutter durch Höhen und Tiefen des Unternehmens war entscheidend dafür, dass Schaeffler heute zu den weltweit führenden Technologieunternehmen überwiegend in Familienhand gehört. Wir verdanken ihr unendlich viel und wünschen ihr alles Gute", sagte ihr Sohn und Aufsichtsratschef Georg F.W. Schaeffler (58).

Schaeffler-Thumann, die eigentlich Ärztin werden wollte, war nach der Heirat mit ihrem Mann Georg Schaeffler von ihrem Studienort Wien nach Franken gezogen. Nach dem Tod ihres Mannes 1996 und dem Wegzug des Sohnes in die USA sah sich die damals 55-Jährige plötzlich alleine an der Spitze eines Unternehmens, das Milliarden umsetzte.

Schaeffler-Thumann wollte eigentlich Ärztin werden

"Elegant im Auftritt, mit dem Hang zur Perfektion, dabei ungewöhnlich willensstark und entschlossen, keine Schwäche zu zeigen, stellt Maria-Elisabeth Schaeffler vom ersten Tag an klar, dass sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt", urteilte einst der Autor und Historiker Gregor Schöllgen.

"Neben unermüdlichem Fleiß, brillanter Auffassungsgabe und eiserner Disziplin zählt zu den Managementqualitäten vor allem das Talent, die eigenen Möglichkeiten genau zu kennen. Ebenso wie deren Grenzen", schrieb der langjährige Wegbegleiter Wolfgang Reitzle zum 80. Geburtstag.

Vorstandschef Klaus Rosenfeld ist ebenfalls voll des Lobes: "Frau Schaeffler-Thumann hat die Schaeffler-Gruppe seit 25 Jahren maßgeblich geprägt. Unter Ihrer Ägide hat das Unternehmen seine Marktposition kontinuierlich ausgebaut, sich immer wieder neu erfunden und mutig neue Wege beschritten", sagte Rosenfeld einmal über die Gesellschafterin.

Drahtseilakt Continental – beinahe wäre Schaeffler-Thumann gescheitert

Schaeffler-Thumann steht aber auch für einen Drahtseilakt, der um ein Haar in einer der spektakulärsten Pleiten der Bundesrepublik hätte enden können. Zusammen mit Sohn Georg übernahm sie 2008 den deutlich größeren Autozulieferer Continental. Kurz darauf ging die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite. Schaeffler und Conti wurden gemeinsam in die davon ausgelöste Finanzkrise gerissen. Der deutsche Staat wollte nicht in die Bresche springen.

"Man kann nicht im Nerzmantel nach Staatshilfe rufen", sagte der damalige Arbeitsminister und heutige Kanzler Olaf Scholz. Schaeffler ging den Weg ohne Staat. Ein ungewöhnlicher Pakt mit Gewerkschaften, Mitarbeitern und den Banken – teilweise selbst im Strudel – sollte den Weg aus der Krise ebnen. 2015 schaffte Schaeffler den Sprung an die Börse. Bei Schaeffler-Thumans Abschied steht der Zulieferer blendend da – trotz tiefgreifender Veränderungen vor allem in der Autoindustrie.

rei/Reuters/DPA
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren