Der Mann im Rücken: VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch (l) mit seinem Vorstandschef Martin Winterkorn im Mai 2013.
Foto: DPADer Machtkampf um die VW-Spitze ist mit voller Wucht wieder ausgebrochen. NDR, "Welt" und auch die Nachrichtenagentur dpa hatten am Donnerstagmittag gemeldet, VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch versuche derzeit, in seiner Familie eine Mehrheit für die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn noch vor der Hauptversammlung am 5. Mai zu organisieren. Dies geschah jeweils ohne Nennung der Quelle. Offen sei, ob Piëch dabei Porsche-Chef Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland durchsetzen wolle. Die dpa hatte ihre Nachricht sogar als "Eilmeldung" versendet, was die Nachrichtenagentur in der Regel nur dann unternimmt, wenn sie eine gesicherte, von offizieller Seite bestätigte Faktenlage hat.
Am frühen Nachmittag dementierte Piëch diese Darstellung: "Herr Winterkorn und ich haben uns vergangene Woche ausgesprochen und uns auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit geeinigt", sagte Piëch dem SPIEGEL. "Ich betreibe seine Ablösung nicht."
Der kommunikative Stellungskrieg illustriert die feindselige Atmosphäre unter den Mitgliedern der Führungsmannschaft von Volkswagen. Nach Informationen des manager magazins halten wesentliche Entscheidungsträger die Situation für zu instabil, um damit in zwölf Tagen vor die Aktionäre zu treten.
Diess: rückständige Produktion
Winterkorn war zuletzt intern in Erklärungsnot geraten. Nach Informationen des manager magazins (Erscheinungsdatum 24. April) hatte der künftige VW-Markenchef Herbert Diess, der am 1. Juli von BMW zu VW wechselt, nach einer Erkundungstour durch VW-Werke die Rückständigkeit der Produktion beklagt. Auch Piëch interessierte sich für Diess' Analyse.
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Das Land sowie der einflussreiche VW-Betriebsrat hatten sich bei einem Krisentreffen des Aufsichtsratspräsidiums am Donnerstag vergangener Woche an Piëchs Sitz in Salzburg zusammen mit der Familie Porsche hinter Winterkorn gestellt, der den Konzern seit 2007 führt. Diese Rückendeckung erneuerten die Akteure nach den Meldungen von NDR, "Welt" und dpa.
Piëch hatte Winterkorn zuvor überraschend das Vertrauen entzogen und Europas größten Autokonzern damit in eine tiefe Führungskrise gestürzt. Bei der Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums kam es daraufhin fast zu einer Revolte gegen den mächtigen Porsche-Enkel. Seither halten sich Gerüchte, Piëch wolle Winterkorn noch vor der Hauptversammlung ablösen.
Unklar ist, ob Wolfgang Porsche, der im VW-Präsidium für seinen Familienzweig spricht, bei seiner Unterstützung für Winterkorn bleibt. Die Familien Porsche und Piëch haben bisher immer an einem Strang gezogen. Selbst im Übernahmepoker zwischen Porsche und Volkswagen vor einigen Jahren fanden beide Familien letztlich einen Kompromiss - "weil Blut eben doch dicker als Wasser ist", wie ein Familieninsider vor kurzem sagte. Konzernkenner hatten schon vor einigen Tagen vermutet, Piëch werde sich nicht an den Präsidiumsbeschluss halten.
Die wahren Hintergründe für das Zerwürfnis von Piëch und Winterkorn
Der mm-Härtetest - Würden Sie unter Ferdinand Piëch überleben?
1. VW verschlief US-Aufschwung: Vor fünf Jahren investierte VW 900 Millionen Euro in ein eigenes US-Werk in Tennessee und entwickelte extra für die USA eine Billligversion des Passat. 2012 verkaufte die Marke VW in den USA deshalb 440.000 Autos, im Jahr davor waren es noch um 100.000 Fahrzeuge weniger. Doch
Winterkorn ließ nach den ersten Erfolgen die Zügel schleifen. Seine US-Statthalter legten kein neues Modell nach, deshalb sinken Marktanteile und Absatzzahlen. Konkurrenten gewinnen hingegen mit neuen Modellen Marktanteile dazu. Erst 2016 bringt VW einen großen, günstigen SUV an den Start vom aktuellen US-Autoboom profitieren die Wolfsburger so kaum mehr.
2. Zaudern beim Budget Car: Renaults Billigmarke Dacia zeigt, wie man mit günstigen Autos gutes Geld verdient. Das wollen auch die Wolfsburger schaffen. Ein Team rund um den ehemaligen Opel-Chef Hans Demant entwickelt seit Jahren ein Budget-Car, das maximal 7500 Euro kosten und in alten Werken gebaut werden soll. Verkauft werden soll das Auto unter einer eigenen Marke. Doch zu einer Entscheidung konnten sich die VW-Topmanager trotz mehrerer Anläufe nicht durchringen ...
... derweil rollen Renault, aber auch Toyota und Hyundai mit Günstig-Autos die Märkte in China und Indien auf.
3. Suzuki-Partnerschaft gefloppt: Ende 2009 kaufte sich Volkswagen für 1,7 Milliarden Euro beim japanischen Autohersteller Suzuki ein. Gemeinsam mit den Japanern, die mit günstigen Autos in Indien Marktführer sind, wollte VW kleine und billige Autos für asiatische Märkte entwickeln. Doch die Zusammenarbeit funktionierte nicht ...
beide Seiten warfen sich Ende 2011 gegenseitig Vertragsbruch vor. Seither herrscht Funkstille. Winterkorn fehlt deshalb nicht nur ein bald verfügbares, günstiges Weltauto - das haben die Japaner mit dem Suzuki Celerio nun alleine auf den Markt gebracht. Der Volkswagen-Konzern tut sich auch schwer in wachsenden asiatischen Märkten wie Indonesien oder Thailand. Dort dominiert Hauptkonkurrent Toyota.
4. Mini-Rendite bei der Kernmarke VW: Der Volkswagen-Konzern erzielt aktuell Milliardengewinne doch ein großer Teil davon stammt von den Luxusmarken Audi und Porsche. Ausgerechnet die (noch) von Winterkorn geführte Kernmarke VW, die 2014 rund 4,5 Millionen Fahrzeuge weltweit verkaufte, schwächelt schon seit längerem: Magere 2,5 Prozent Umsatzrendite erwirtschaftete VW zuletzt (
Die Marke Skoda, deren Modelle auf den VW-Plattformen aufbauen, kommt hingegen auf 6,9 Prozent Rendite, Toyota liegt bei satten 8,6 Prozent, selbst Ford kommt auf 3,9 Prozent. Winterkorn hat deshalb ein fünf Milliarden Euro schweres Sparprogramm für VW angestoßen. Doch bislang greift es noch kaum. Als neuer VW-Markenchef soll nun Herbert Diess (zum Porträt) die Renditeschwäche beheben.
5. Der Baukasten greift noch nicht richtig: Cheftechniker Ulrich Hackenberg entwickelte für den Konzern eine besonders flexible Plattform: Den modularen Querbaukasten MQB, auf dem seit 2012 die neuen VW-Modelle von Polo bis Passat und deren Ableger aufbauen. Der MQB soll Entwicklungskosten sparen, die Produktion dank vieler gleicher Teile einfacher werden.
So soll die enorme Komplexität im VW-Konzern abnehmen doch bislang klappt das nicht so recht. Bei der 7. Generation des Bestsellers VW Golf etwa, die auf MQB-Basis steht, hat jeder Ableger von GTI und GTE bis hin zur Hochdach-Variante Sportsvan seinen eigenen Becherhalter. Es gibt 15 unterschiedliche Armauflagen und 25 Scheinwerfervarianten.
6. Moderne Führungsstrukturen Fehlanzeige Bei Messerundgängen misst er auch mal die Lackdicke nach: Martin Winterkorn zeigt sich gerne als detailverliebter, qualitätsbesessener Chef. Die Kehrseite: Manager müssen jede Kleinigkeit vom Vorstandschef absegnen lassen, hieß es schon öfters viele Entscheidungen fallen spät oder gar nicht.
Winterkorn verteidigt den VW- Zentralismus: Wir sind mit dieser gut funktionierenden Struktur erfolgreich geworden und werden diese so beibehalten, sagte er dem manager magazin. Doch Konkurrenten, bei denen Regionalmanager mehr Entscheidungsfreiheit haben, sind teils vor Ort erfolgreicher und schneller.
Winterkorn ließ nach den ersten Erfolgen die Zügel schleifen. Seine US-Statthalter legten kein neues Modell nach, deshalb sinken Marktanteile und Absatzzahlen. Konkurrenten gewinnen hingegen mit neuen Modellen Marktanteile dazu. Erst 2016 bringt VW einen großen, günstigen SUV an den Start vom aktuellen US-Autoboom profitieren die Wolfsburger so kaum mehr.
Foto: REUTERS3. Suzuki-Partnerschaft gefloppt: Ende 2009 kaufte sich Volkswagen für 1,7 Milliarden Euro beim japanischen Autohersteller Suzuki ein. Gemeinsam mit den Japanern, die mit günstigen Autos in Indien Marktführer sind, wollte VW kleine und billige Autos für asiatische Märkte entwickeln. Doch die Zusammenarbeit funktionierte nicht ...
Foto: Armin Weigel/ picture alliance / dpa4. Mini-Rendite bei der Kernmarke VW: Der Volkswagen-Konzern erzielt aktuell Milliardengewinne doch ein großer Teil davon stammt von den Luxusmarken Audi und Porsche. Ausgerechnet die (noch) von Winterkorn geführte Kernmarke VW, die 2014 rund 4,5 Millionen Fahrzeuge weltweit verkaufte, schwächelt schon seit längerem: Magere 2,5 Prozent Umsatzrendite erwirtschaftete VW zuletzt (
Foto: Joerg Sarbach/ APAufsichtsratspräsidium: Der Aufsichtsrat von VW zählt 20 Mitglieder - das Präsidium, das die Sitzungen vorbereitet, besteht aus sechs Mitgliedern. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch gehört diesem mächtigen Gremium ebenso an wie ...
IG-Metall-Chef Berthold Huber als Vertreter der Arbeitnehmerseite.
Auch Bernd Osterloh, der mächtige VW-Gesamtbetriebsratschef, zählt zu den Mitgliedern des AR-Präsidiums.
Wolfgang Porsche vertritt die Porsche-Familie im VW-Aufsichtsratspräsidium. Er hatte sich ebenso wie Osterloh von Piechs Äußerung "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" distanziert - dies sei eine "Privatmeinung" Piechs, sagte Porsche.
Stephan Weil: Niedersachsens Ministerpräsident gehört dem Gremium ebenfalls an - das Land Niedersachsen hat in bestimmten Fragen eine Sperrminorität.
Stephan Wolf, Mitglied des Konzernbetriebsrats, komplettiert das sechsköpfige Gremium.