Elektroautos Tesla und der japanische Elektroschock

Immer wieder Tesla! Erst will Konzernchef Elon Musk in Deutschland rund 50 Schnellladestationen für sein Nobelmodell Tesla S aufstellen. Jetzt will er rund zwei Milliarden Dollar in eine gigantische Batteriefabrik investieren. Das alles ist nur möglich dank seiner Partner: Die kommen aus Japan - und drehen aktuell massiv auf.
Tesla Model S: Die mutigsten Prognosen wagt wie üblich Elon Musk - doch er hat ein starkes japanisches Netzwerk

Tesla Model S: Die mutigsten Prognosen wagt wie üblich Elon Musk - doch er hat ein starkes japanisches Netzwerk

Foto: Paul Sakuma/ AP/dpa

Geht es also endlich los? Hebt die Elektromobilität ab? Zunächst einmal spricht außer Teslas Erfolg mit seinem Luxus-Modell S wenig dafür. Zu schwach sind die Absatzzahlen zum Beispiel in Deutschland, zu gering ist die Nachfrage nach Opel Ampera oder dem Elektro-Smart.

Selbst Ökovorreiter Toyota  hatte die Branche zuletzt verunsichert. Die Japaner bauen ihr Hybrid-Modell Prius künftig anders als geplant doch nicht in den USA. Die Nachfrage nach dem teilelektrischen Bestseller reichte nicht; die steckdosentaugliche Plugin-Variante geriet zur Verkaufsenttäuschung.

Ein böses Omen? Verfallen jetzt auch die Ökovorreiter von Toyota der allgemeinen Elektro-Depression?

Die Prius-Botschaft täuscht. Toyota verfällt keineswegs der allgemeinen Elektro-Depression. Im Gegenteil: Im Verbund mit Konkurrenten wie Nissan  und Mitsubishi  sowie großen fernöstlichen Zulieferern beschleunigten die Japaner ihren Ökoangriff sogar, prophezeit Wolfgang Bernhart, auf die Autoindustrie spezialisierter Partner der Strategieberatung Roland Berger.

"Die japanischen Autokonzerne haben den Vorteil, dass sie von der Zellenfertigung bis zu den Elektromotoren die komplette Wertschöpfungskette um sich herum konzentriert haben. Das ist ein ähnliches Automobilcluster, wie in Deutschland mit Bosch, Continental  oder ZF Friedrichshafen bei der Herstellung von Verbrennungsmotoren." Und diesen Vorteil, erläutert Bernhart, spielten die Japaner immer stärker aus.

Index Elektromobilität: Japan in der Pole-Position

Der Berater verweist auf den von Berger und der Forschungsgesellschaft Kraftfahrzeugwesen Aachen ermittelten Index Elektromobilität. Dessen neue Zahlen belegten die führende Position der Japaner. Die drei untersuchten Bereiche Industrie, Markt und Technologie zusammen genommen, bauen die Asiaten ihre führende Position aus.

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Index Elektromobilität: Japan und USA punkten

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Die Japaner investieren massiv in die heimische Infrastruktur, sie profitieren dank steigender Produktionszahlen von sinkenden Durchschnittskosten, sie senken die Preise und bringen - zumindest in Sachen Elektromobilität oder auch Brennstoffen - neue Technologien häufig früher und offensiver als deutsche Hersteller wie Volkswagen  oder Mercedes.

Eine Gefahr für die deutschen Anbieter? "Noch nicht", sagt Bernhart. "Die deutschen Autokonzerne sind den großen japanischen Konkurrenten wie Toyota und Nissan technisch mindestens ebenbürtig." Wer den Schalter zu schnell umlege und seine Elektroflotte zu schnell in den Handel bringe, riskiere seine Profitabilität. Aber dennoch: "Wenn Sie die CO2-Ziele bis 2021 erfüllen wollen, müssen Sie jetzt immer mehr Modelle mit reinen Elektro- und Pluginantrieben auf die Straße bringen. Sonst fehlen Ihnen Erfahrung und Glaubwürdigkeit auf dem Markt, wenn sich die Elektromobilität etabliert hat."

Und wann wird das sein? "Wenn die Kunden ihre Zurückhaltung aufgeben", sagt Bernhart. Noch einmal: Wann wird das sein? "Vielleicht schon 2016, vielleicht aber auch erst 2018 oder 2019. Das hängt maßgeblich von der Technologie- und Kostenentwicklung sowie vom Ausbau der Ladestationen ab."

Angriff, Teil 1: Die Tesla-Attacke

Die mutigsten Prognosen wagt wie üblich Elon Musk: Rund 1000 Tesla S monatlich in Deutschland Ende 2014, 40.000 der Nobelkarossen weltweit, in den nächsten Jahren Erweiterung der Tesla-Flotte um einen SUV und ein Mittelklassemodell.

Aber Tesla-Lenker Musk - CEO, Gründer und Großaktionär in einer Person - handelt auch entsprechend. Er investiert, als komme die Elektrohausse so sicher wie der nächste Ölwechsel.

Eine gewaltige Batteriefabrik zu bauen, "größer als alle anderen Werke in Summe", gemeinsam mit Partnern vier bis fünf Milliarden Dollar in das Projekt zu investieren, das klingt nach einer abgedrehten Phantasie im Drogenrausch. Doch Musks Plan vereint einige Vorzüge. So will der Tesla-Chef gemeinsam mit dem japanischen Panasonic-Konzern  sogenannte 18650-Rundzellen produzieren. Diese Mini-Energiepakete werden normalerweise in Kleingeräten wie Mobiltelefonen eingesetzt.

Die Berger-Experten schätzen, dass Tesla  durch die Nutzung der Rundzellen schon heute auf einen Kostenvorteil von etwa 50 Dollar pro Kilowattstunde kommt. Sollte die Fabrik tatsächlich gebaut werden, könnten die Kosten um weitere 40 Dollar pro Kilowattstunde sinken.

"Selbst wenn Tesla das für 2020 angestrebte Ziel von 500.000 verkauften Autos nicht erreichen sollte: Eine Batteriefabrik in der Größe brächte enorme Kostenvorteile", erläutert Berger-Partner Bernhart. "Die Technik ist bewährt, der Strom kommt kostengünstig aus erneuerbaren Energien, die hohen Stückzahlen ermöglichen einen günstigeren Einkauf."

Ein weiterer Vorteil der Gigafabrik: Tesla könnte versuchen - falls das Werk doch zu groß sein sollte -, die Batterien zusätzlich für die Energiespeicherung einzusetzen.

Angriff, Teil 2: Die Ladestationen

Es ist ein wenig paradox. Die Nachfrage nach Elektroautos ist in Japan deutlich größer als in Deutschland, der Index Elektromobilität verzeichnet seit der letzten Ausgabe im September 2013 ein Absatzplus von 78 Prozent. Die japanische Regierung aber knausert bislang. In keinem der sieben für den Index analysierten Länder fließen weniger staatliche Subventionen als in Japan. Und auch an öffentlichen Ladestationen mangelt es bislang.

"In Deutschland kommt auf drei Autos mit reinen Elektro- beziehungsweise Plugin-Motoren eine öffentliche Ladestation", sagt Berger-Berater Bernhart. "In Japan müssen sich 20 Fahrzeuge eine einzige Elektrotankstelle teilen."

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Index Elektromobilität: Japan und USA punkten

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Das ändert sich gerade. Toyota, Honda, Nissan und Mitsubishi haben gemeinsam mit der japanischen Regierung ein Konsortium gebildet. Ihr Ziel: Bis Ende 2014 sollen in Japan 12.000 Stationen stehen. Vor einem Jahr waren es erst 1300, Ende 2013 immerhin schon 3000 normale Stromtankstellen und 1700 Schnellladestationen.

Die Konzerne streuen die Ladesäulen dabei nicht breit übers Land, sondern konzentrieren sich auf wichtige Städte und Regionen. Bevorzugt fördern sie Stationen an Supermärkten, Restaurants und den in Japan weit verbreiteten 24-Stunden-Läden. Kurz: Sie gehen dahin, wo die Autofahrer ihre Fahrzeuge auch einmal für kürzere Zeit abstellen.

Lernen könnten sie dabei von den Erfahrungen in Deutschland. Zum Beispiel in Hamburg, wo manager magazin online jüngst vergeblich versuchte, auf die Schnelle eine funktionierende Ladesäule für BMWs Elektromobil i3 zu finden.

Angriff, Teil 3: Die Preise

Vergleichbare Autos, aber bis zu 40 Prozent billiger als in Europa. Der Preiskrieg ist eröffnet. Nissan senkt die Preise für den Leaf in den USA gleich zwischen 2000 und 4500 Dollar, Mitsubishi verbilligt seinen i-Miev.

Ähnlich wie Chevrolet seinen mit einem steckdosentauglichen Range-Extender-Antrieb ausgestatteten Volt günstiger anbietet, geben auch die japanischen Konzerne deutliche Nachlässe - und versuchen so den Absatz hoch zu treiben.

"Die Japaner bieten qualitativ nicht unbedingt bessere Elektroautos", sagt Bernhart. Aber sie bieten deutlich günstigere Modelle: "Vor allem Mitsubishi und Nissan agieren in dieser Hinsicht sehr aggressiv - nicht nur in Japan, sondern auch in den USA."

Angriff, Teil 4: Die Technologie

Doch die günstigen Preise basieren nicht nur auf einer offensiven Verkaufsstrategie. Sie sind auch dadurch möglich, dass die Japaner die komplette Wertschöpfungskette im Land haben. Die fertigen Batterien werden im Land produziert, genau so die Batteriezellen und sogar die für die Zellen benötigten Anoden und Separatoren.

Wo es in Deutschland mit Li-tec nur einen ernsthaften Batterieproduzenten gibt und der von seinen Eignern Evonik  und Daimler  auch noch zum Verkauf angeboten wird, haben Toyota  und Co. die Auswahl: Konzerne wie Panasonic/Sanyo, GS Yuasa und Toshiba  dominieren den Weltmarkt; und die ernsthaftesten Konkurrenten sitzen gleich nebenan in Südkorea.

"Die Parallelen etwa zum Cluster in Baden-Württemberg mit Unternehmen wie Daimler, Porsche , Bosch, ZF Friedrichshafen oder Behr sind frappierend", sagt Bernhart.

Die großen japanischen Zulieferer belieferten ähnlich wie die deutschen Konkurrenten natürlich auch ausländische Autohersteller. "Aber japanische Automobilkonzerne arbeiten enger mit den heimischen Zulieferern zusammen - und bekommen so neue Technologien häufig früher als die Konkurrenz."

Fazit: Vorteil Japan oder Fehlzündung?

Was in Japan funktioniert, kann global zu früh kommen. Noch ist die Nachfrage nach Elektroautos gering. Noch hat zum Beispiel Mercedes seinen Elektro-Smart 2013 gerade mal gut 5000 mal verkauft und ist auch in den riesigen USA im Januar nicht über 97 Auslieferungen hinaus gekommen. Und noch ist selbst Toyotas Erfolgsmodell Prius in der Steckdosenvariante ein Flop.

Die Berger-Berater erwarten, dass 2016 weltweit nicht mehr als eine halbe Million Auto mit Batterie- und Plugin-Antrieb verkauft werden. Der Marktanteil läge damit unter 1 Prozent.

Um die CO2-Ziele zu erfüllen, vor allem den von der Europäischen Kommission ab 2021 verlangten Grenzwert von 95 Gramm pro Kilometer, sind deutlich höhere Quoten notwendig. Zwischen 6 und 8 Prozent ihrer Autos müssten Premiummarken wie BMW  oder Mercedes 2020 als Plugin- oder Batterie-Variante verkaufen, schätzt Bernhart. Bei den Volumenherstellern sei der nötige Anteil wegen des geringeren Durchschnittsgewichts der Modelle deutlich niedriger.

Und dennoch: Allzu lange, so Bernhart, könnten auch deutsche Premiumhersteller die Elektrooffensive nicht mehr hinauszögern.

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Index Elektromobilität: Japan und USA punkten

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