ZF-Chef Stefan Sommer zu Trump und Elektroautos "Wir investieren weiter in Mexiko, da gibt es keine Änderungen"

ZF Friedrichshafen-Chef Stefan Sommer
Foto: ZF Friedrichshafenmanager-magazin.de: Herr Sommer, ZF hat vor knapp zwei Jahren den US-Zulieferer TRW übernommen. Sie sind nun also ein deutsch-amerikanisches Unternehmen. Wie passt sich ihr Konzern an den neuen US-Präsidenten Donald Trump an, der besonders der Autobranche mit Importzöllen droht?
Stefan Sommer: Auf jeden Fall nicht überstürzt. Wir warten erst einmal ab, welche der Maßnahmen nun tatsächlich für die Automobilindustrie umgesetzt werden. Für uns ist wichtig, wie sich unsere Kunden, die Autohersteller, orientieren. Wir müssen unseren Kunden dann folgen. Heute ist jedenfalls noch nicht klar, welchen nachhaltigen Einfluss die neue US-Regierung haben wird.
mm.de: Die Chefs der US-Autohersteller haben sich ja bereits mit Donald Trump getroffen. Haben Sie auch schon einen Termin beim US-Präsidenten?
Sommer: [lacht] Nein, das wird vielleicht auch noch etwas dauern. Ich glaube nicht, dass wir die Bedeutung haben, dass sich der neue US-Präsident vorrangig mit uns beschäftigt. Doch mit den Gouverneuren in den für uns wichtigen US-Bundesstaaten South Carolina und Michigan sind wir im engen Kontakt. Von ihnen erhalten wir konstruktive Unterstützung, wie auch schon in der Vergangenheit.

Stefan Sommer, 54, ist seit Mai 2012 Vorstandschef des drittgrößten deutschen Autozulieferers ZF Friedrichshafen. Der promovierte Maschinenbauer arbeitet seit 2008 für den Technologiekonzern, zuvor war er ein Jahrzehnt lang für Continental tätig. Unter Sommers Führung übernahm ZF im Mai 2015 den US-Zulieferer TRW Automotive für 9,6 Milliarden Euro. Durch den Zusammenschluss hat sich der ZF-Umsatz auf rund 35 Milliarden Euro nahezu verdoppelt; ZF ist nun fast auf Augenhöhe mit Bosch und Continental.
mm.de: Autohersteller wie Ford oder Fiat Chrysler haben bereits größere Investitionen in den USA angekündigt - mit tausenden neuen Jobs. Ziehen ZF und TRW dabei mit und stecken nun mehr Geld in amerikanische Werke?
Sommer: Wir haben in der Vergangenheit massiv in den USA investiert. Unsere größte Einzelinvestition etwa war ein Getriebewerk in South Carolina, das vor drei Jahren angelaufen ist. Das ist zwischenzeitlich auf das Zielvolumen hochgelaufen mit einem hohen Beschäftigungsniveau. Wir bauen auch unsere Entwicklung in Michigan kontinuierlich aus. Am Standort Farmington Hills haben wir vor kurzem ein neues Elektronik-Entwicklungszentrum in Betrieb genommen. Wir haben aktuell immer noch 800 offene Stellen in den USA und suchen qualifizierte Mitarbeiter. Diesen Weg gehen wir heute weiter. Aber das ist kein neuer Weg, der von der Politik initiiert wäre.

mm.de: Gilt das auch für ihre Standorte in Mexiko? Für Auto- und Autoteilimporte aus dem Land will Trump ja möglicherweise hohe Einfuhrgebühren erheben.
Sommer: Genauso wie in den USA investieren wir weiterhin in Mexiko. Im Augenblick gibt es keine Änderungen gegenüber den Planungen, die wir schon vor einem Jahr beschlossen haben. Wir können auch gar nicht anders. In Mexiko produzieren wir ja für unsere Kunden, die Autohersteller. Solange die nicht ihre Produktionspläne ändern, können wir uns nicht aus den Verträgen zurückziehen. Wir haben Lieferkontrakte und fixe Anläufe mit Technologien, die wir unterstützen. Und da gibt es überhaupt keine Änderungen. Das wäre auch nur sehr schwer möglich.
mm.de: Sehen Sie als Chef eines großen Autozulieferers, dass die Autohersteller tatsächlich ihre Investitionsplanungen für Mexiko anpassen?
Sommer: Nein. Auch unsere amerikanischen Kunden melden noch nichts Derartiges an uns. Das wird in Europa im Augenblick etwas heißer gekocht als in den USA. Wenn da Einflüsse kommen, dann mittelbar über unsere Kunden. Dann werden wir uns auch darauf einstellen.
"Wir können nun Fahrzeugen das Sehen, Denken und Handeln beibringen"
mm.de: Die Hauptgründe für die Übernahme von TRW waren ja, dass der Getriebespezialist ZF in den Bereichen Antriebssysteme, Elektromobilität und autonomes Fahren stärker werden wollte. Was bringt der rund 10 Milliarden Euro teure Zusammenschluss?

Sommer: Wir können nun mit unseren Technologien Autos und Nutzfahrzeugen das Sehen, Denken und Handeln beibringen. Wir investieren nachhaltiger in die Zukunft und stärker in die Basisentwicklung - was bei TRW zuvor weniger stattfand, weil das Unternehmen nicht so stark fokussiert war. Die Summen, die TRW in der Vergangenheit als Dividende in den Kapitalmarkt spülen musste, investieren wir nun in Technologiekompetenz. Unsere Technogien haben sich komplementär ergänzt, deshalb konnten wir sie relativ einfach und schnell im Markt integrieren. Den typischen Wettstreit, ob sich nun TRW- oder ZF-Technik am Markt durchsetzt, hatten wir deshalb nie. Jetzt heben wir die Budgets an und investieren mehr, um Fahrzeuge noch sicherer und das autonome Fahren marktfähig zu machen.
mm.de: Früher haben Sie die ZF-Mitarbeiter damit angespornt, dass sie die weltbesten Getriebe bauen sollen. Wie erklären Sie nun die neue Ausrichtung und Vision des Gesamtkonzerns?
Sommer: Die besten Getriebe zu bauen ist nach wie vor unser Anspruch. Zusätzlich gilt, dass wir die besten Bremsen, Lenkungen und Airbags in dieser Welt herstellen wollen. Und all das kann sich sehr gut zu intelligenten Systemen ergänzen, was ja der Grund für die Akquisition von TRW war. Wir wollen das Unternehmen nicht weg von Getrieben und hin zum autonomem Fahren verändern. Vielmehr wollen wir unsere traditionellen Produkte mit den neuen Technologien intelligent vernetzen und ergänzen.
mm.de: ZF ist für Getriebe bekannt, TRW im Bereich Sicherheitssysteme und Sensoren stark. Wie passt da Elektromobilität in ihr Aufgabenfeld?
Sommer: Im Markt gehen ja gerade die Elektrofahrzeuge sehr progressiv in Richtung autonomes Fahren. Denn die Elektromobilität ermöglicht neue Fahrzeugarchitekturen, öffnet damit das Feld für automatisiertes Fahren und bietet neue Innenraumkonzepte. Gleichzeitig brauchen wir auch beim autonomen Fahren viele innovative aktive und passive Sicherheitssysteme. Denn bei der Sicherheit wird auch in Zukunft niemand Kompromisse machen. Die Welt, in der sich alle Autos vollautomatisch bewegen, wird es noch Jahrzehnte nicht geben. Heute sind 5 Prozent aller Autos auf deutschen Straßen mehr als 20 Jahre alt, und auch künftig werden Fahrzeuge und Motorräder früherer Generationen auf unseren Straßen fahren. Und solange auch Wildtiere wie etwa Rehe nicht voll vernetzt sind, wird es auch weiterhin Kollisionsrisiken geben. Auf diesen Fall muss auch ein autonom fahrendes Fahrzeug vorbereitet sein.
mm.de: Wann bieten die Autohersteller denn die ersten leistbaren Elektroautos an, die auch noch automatisiert fahren können - und wo will ZF da mitspielen?

Sommer: Die gesamte Industrie bereitet sich im Augenblick darauf vor, ab 2023 Elektrofahrzeuge im Volumensegment anzubieten. Wir sind da als Zulieferer mit eingebunden und bereiten uns auf die Produktion in einer Größenordnung zwischen 20 und 30 Prozent des gesamten Neuwagenabsatzes vor. Die meisten Hersteller werden zwischen 2020 und 2022 mit solchen Elektroautos starten. Nach heutiger Planung werden die E-Autos dann ab 2025 mit höchster Auslastung produziert. Dafür stellen wir schon jetzt die Weichen in unserem globalen Produktionsverbund.
Warum Sommer kaum an eine Elektroauto-Batteriefabrik in Deutschland glaubt
mm.de: Elektroautos brauchen aber keine Getriebe. Ist das nicht eine Riesen-Umstellung für ihr Unternehmen und könnte in Deutschland auch Arbeitsplätze kosten?
Sommer: Zunächst einmal bietet die Elektromobilität große Chancen für ZF. Elektroautos sind nicht neu für uns. Wir waren 2008 die ersten, die Elektromotoren für die S-Klasse-Hybridautos in Europa gebaut haben. Heute sind wir einer der größten Hybrid-Ausstatter überhaupt. Mit der Teilelektrifizierung von Verbrenner-Autos bestimmt das Getriebe noch stärker den Fahreindruck. Denn es entscheidet dann darüber, wie viel im Elektro-Modus gefahren wird. Im Vergleich dazu hat der rein elektrische Antriebsstrang weniger Wertschöpfung.
mm.de: Wann könnte das zum Problem für die gesamte Branche werden?
Sommer: Weltweit betrachtet wird es einen langsamen Übergang geben. Das rein mechanische Getriebe werden wir noch lange sehen. Auch der Plugin-Hybrid als Brückenlösung wird noch zehn bis 20 Jahre Verwendung finden. Wir sind überzeugt, dass wir in diesem Zeitraum nicht nur die Technologie, sondern auch unseren Wertschöpfungsumfang umstellen können. Aber Sie haben recht: Viele mechanischen Teile eines Verbrennungsmotors oder Getriebes brauchen sie im batterieelektrischen Fahrzeug nicht. Das Problem sind dabei nicht nur die Arbeitsplätze. Wo solche Umbruchs-Technologien stattfinden, werden auch die Karten neu gemischt. Es kommen viele neue Spieler hinzu, etwa aus Asien. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit immer wieder neu beweisen.
mm.de: Können sie das in Deutschland überhaupt? Eine Fertigungsstätte für Elektroauto-Batteriezellen gibt es ja nach wie vor nicht.
Sommer: Wir brauchen in Deutschland das richtige volkswirtschaftliche Klima, sonst werden wir überproportional verlieren. Wenn Elektroautos so stark im Markt ankommen, muss es aus logistischen Gründen auch Batteriewerke in Europa geben. Die Frage ist nur, wo sie stehen werden: In Deutschland oder in Niedriglohnstandorten in Osteuropa. Deshalb müssen wir daran arbeiten, uns volkswirtschaftlich gut aufzustellen. Batterien herzustellen ist sehr energieintensiv, und unsere Energiewende macht Energie sehr teuer. Das macht es schwer, Batterien in Deutschland wirtschaftlich wettbewerbsfähig herzustellen. Die Rahmenbedingungen müssen günstig sein, damit wir die Chance haben, auch hier Wertschöpfung in Deutschland anzusiedeln.
mm.de: Verbessern sich die Rahmenbedingungen aus ihrer Sicht?
Sommer: Im Augenblick sehe ich nicht, dass wir uns in Deutschland bei Energiekosten oder Lohnkosten-Flexibilität schnell genug bewegen, um wettbewerbsfähig zu sein.
manager magazin Online sprach mit Sommer während des Bochumer CAR-Symposiums.