Ein neuer Autoriese entsteht Fünf Antworten zur Fusion von FiatChrysler und PSA

Eingang zu Fiats Werk in Mirafiori in Turin: Bald wird an diesem Werk auch das Logo von PSA prangen
Foto: Marco Bertorello/AFP
Fusion Fiat-Chrysler-PSA: Die Marken des neuen Auto-Giganten
Da haben es zwei Seiten richtig eilig: Ende Oktober haben Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und der französische Autobauer Groupe PSA erklärt, fusionieren zu wollen. Nun liegt pünktlich vor Weihnachten eine detaillierte Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) auf dem Tisch, die den geplanten Zusammenschluss formalisieren und vorantreiben soll. Nach wochenlangen Verhandlungen teilten die Opel-Mutter PSA und Fiat Chrysler dann am Mittwochmorgen offiziell ihren Zusammenschluss mit.
In welcher Größenliga spielt der neue FCA-PSA-Verbund?
Das Zusammengehen katapultiert zwei mittelgroße Autohersteller in die Liga der Autoriesen: Die PSA-Gruppe, zu der die Marken Peugeot, Citroën, DS, Opel und Vauxhall gehören, und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) zusammen werden aus dem Stand der viertgrößte Autohersteller der Welt mit zusammen rund 8,7 Millionen verkauften Fahrzeugen pro Jahr( auf Basis der Zahlen für 2018). Nur Toyota (Schätzung für 2019: 10,8 Millionen), Volkswagen (10,7 Millionen) und Renault Nissan Mitsubishi (10,0 Millionen) bauen jährlich noch mehr Autos. Der Umsatz von PSA und FCA beläuft sich zusammen auf rund 170 Milliarden Euro.

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Insgesamt wird der neue Konzern mehr als ein Dutzend Marken unter seinem Dach beherbergen: Zu FCAs italienischem Erbe zählen Fiat, der Performanceableger Abarth, Maserati, Alfa Romeo, die beinahe verblichene Marke Lancia und die Nutzfahrzeug-Sparte Fiat Professional. Die Sportwagenikone Ferrari, die jahrzehntelang zu Fiat gehörte, hat der Konzern 2016 in einem Spin-Off abgespalten und sämtliche Anteile an seine Aktionäre verteilt. Die Agnelli-Holding Exor ist zwar noch Ferrari-Großaktionär, es gibt auch nach wie vor Zusammenarbeit zwischen Ferrari und FCA-Marken. Doch direkt zum Konzern gehört die wohl bekannteste italienische Automarke nicht mehr.
Die US-Seite von FCA hat die Offroad-Marke Jeep, die Pickup-Truck-Marke Ram, Chrysler und Dodge aufzubieten. PSA bringt seine Marken Peugeot, Citroën, den Luxusableger DS sowie Opel und Vauxhall in den Verbund ein.
Wird es eine Fusion unter zwei gleichen Partnern?
Auf dem Papier sieht es zunächst danach aus: FCA hat 2018 rund 4,84 Millionen Autos verkauft und beschäftigt 200.000 Menschen. Bei PSA waren es 3,9 Millionen Fahrzeuge, die Franzosen kommen auf 180.000 Angestellte. PSA war aber im vergangenen Jahr der deutlich profitablere Konzern: Der Gewinn der Franzosen lag zuletzt bei 3,3 Milliarden Euro. Bei FCA standen unter dem Strich zuletzt 3,6 Milliarden Euro - bei fast einer Million an produzierten Autos mehr.
Beide Seiten betonen zwar, dass beide Seiten dasselbe Gewicht haben sollen: 50 Prozent am neuen Konzern sollen den PSA-Anteilseignern gehören, 50 Prozent den FCA-Aktionären. Allerdings soll PSA-Chef Carlos Tavares alleiniger Chef des Gemeinschaftsunternehmens werden, FCA-Boss Mike Manley eine gehobene Managementrolle übernehmen.
Agnelli-Spross John Elkann, der bislang den FCA-Verwaltungsrat führte, soll auch das Spitzengremium im Gemeinschaftsunternehmen leiten. Es ist also eine Übernahme unter französischer Führung. Das stimmt Marktbeobachter positiv, da Tavares Qualitäten als Sanierer bewiesen sind - und er auf jeden Fall weitere fünf Jahre an Bord bleibt. Denn so lange läuft sein neuer CEO-Vertrag.
Welche Zusagen haben beide Seiten gemacht?

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FCA und PSA wollen ein Zusammengehen ohne die Schließung von Werken schaffen - und ohne Arbeitsplätze betriebsbedingt zu kündigen. Zudem hat PSA-Chef Tavares auch erklärt, alle Marken halten zu wollen. Beide Seiten wollen Synergieeffekte von jährlich 3,7 Milliarden Euro erzielen, wobei vier Fünftel dieser Synergien nach vier Jahren geschafft sein sollen. Im Klartext: Tavares lässt sich mindestens drei Jahre Zeit, um die Rendite des Gemeinschaftsunternehmens auf auskömmliches Level zu bringen.
Zugleich sieht FCA und PSA auch Einmalkosten in Höhe von 2,8 Milliarden Euro vor. Solche Kostenangaben lassen vermuten, dass beide Seiten wohl großzügige Abfindungsangebote an Angestellte machen werden, und deren Stellen nicht nachbesetzen. So lässt sich die Angestelltenzahl ohne betriebsbedingte Kündigungen senken und damit dann auch die Profitabilität erhöhen - nach diesem Rezept ist Tavares schon bei PSA und zuletzt bei Opel und Vauxhall verfahren.
Was treibt den Merger an?
FCA ist schon seit Jahren auf Partnersuche - aus einem ebenso einfachen wie vergleichsweise ehrlichen Kalkül: Alleine kann der Konzern trotz aktuell auskömmlicher Gewinne nicht die hohen Investitionen stemmen, die eine emissionsärmere Zukunft mit teils autonom fahrenden Fahrzeugen erfordert. Bei PSA erklärte Tavares zwar jahrelang, dass es vor allem auf die Rentabilität und weniger auf die Größe ankomme. Allerdings macht nun selbst ein hochprofitabler Riese wie Volkswagen bei Elektromobilität und autonomem Fahren gemeinsame Sache mit Ford. Das zeigt wohl auch den Franzosen, dass sie die notwendigen Investitionen kaum aus eigener Kraft stemmen können.
Und es gibt für beide Seiten da sehr viel aufzuholen. Bei PSA lief die Umstellung auf Elektroantriebe lange Zeit nur auf Sparflamme, weil der Konzern erstmal profitabler werden musste. Zwar hat PSA nun die notwendigen E-Plattformen, sie sind damit allerdings spät dran. Und das ganze dürfte eher teuer sein, denn Tavares hat sich wiederholt über existenzbedrohende CO2-Vorschriften für die Branche beschwert.
Bei FCA gab es jahrelang kaum ernsthafte Bemühungen Richtung Elektrisierung. FCA drohten deshalb hohe Strafzahlungen wegen zu hoher Emissionen. Dieses Problems hat sich FCA-Chef Manley zwar für drei Jahre lang entledigt - durch eine Art Ablasshandel mit dem E-Auto-Pionier Tesla Motors.Doch Dauerstrategie ist das keine - und deshalb brauchen die Italiener die Franzosen dringend für neue Plattformen.
Wo dürfte es die größten Schwierigkeiten geben?
FCA dürfte zwar vergleichsweise schnell von PSAs Plattformen profitieren, die stärker auf Hybridisierung und spritsparende Motoren ausgelegt sind. Und PSA erhält durch seinen neuen Partner viel stärkeren Zugang zum amerikanischen Markt. Allerdings muss es PSA schaffen, gerade seinen neuen Partner auf einen klimafreundlicheren Kurs einzuschwören. Das könnte schwierig werden, denn FCAs Töchter Jeep und Ram sorgen für einen Großteil der Gewinne - mit Motoren, die nicht gerade auf Spritsparen getrimmt sind.
Ungemach droht auch in Europa. Denn gerade in Italien hat Fiat hohe Überkapazitäten in seinen Werken. Die offenbar vorgesehenen Abfindungen im großen Stil werden sicherlich für politischen Gegenwind sorgen. Und es geht dabei wohl nicht nur um klassische Bandarbeiter - sondern wohl auch um höherqualifizierte Techniker. Etwa in den Entwicklungszentren, die Fiat in Turin, PSA in Paris und die PSA-Tochter Opel in Rüsselsheim betreiben. Drei Entwicklungszentren werden sich die beiden neuen Partner auf Dauer kaum leisten wollen. In Rüsselsheim hat PSA bereits begonnen, Entwickler an den französischen Dienstleister Segula auszulagern - was alles andere als glatt lief.
Viel zu tun gibt es für das neue Unternehmen wohl auch in Asien. Dort wollte PSA kräftig expandieren, um seine Abhängigkeit von Europa zu verringern. Das ist anfangs gelungen, in den vergangenen drei Jahren sind die Verkäufe in China jedoch wieder deutlich zurückgegangen. Die Folge: Neun von zehn Autos verkauft PSA nach wie vor in Europa. Mit Ausnahme von Jeep spielen die FCA-Marken haben in China bislang kaum eine wichtige Rolle. Zwei Schwache auf dem weltgrößten Automarkt zusammenzuschweißen gibt aber noch längst keinen starken Player.