Nach Tesla-Deal droht dennoch Profit-Erosion Wie sich Fiat Chrysler zu den CO2-Zielen trickst

Fiat 500e: Der in Mini-Auflage produzierte E-Kleinwagen brachte Fiat nur Verluste ein - eine Neuauflage muss nun deutlich besser laufen
Foto: Fiat
Es sind gerade mal ein paar Gramm, für die der Autohersteller Fiat Chrysler Automobiles (FCA) mit Millionenaufwand tricksen muss. Der über lange Zeit stets klamme Autobauer hat sich mit seinem rigorosen Sparkurs ein heftiges Emissionsproblem eingefahren: Der CO2-Ausstoß der Fiat-Chrysler-Neuwagenflotte liegt nach wie vor vergleichsweise hoch. Jetzt muss FCA schnell handeln, um hohe Strafen zu vermeiden.
In seiner Eile setzt FCA-Chef Mike Manley auf einen Ablasshandel mit Tesla, der den Italo-Amerikanern CO2-Verschmutzungsrechte sichert. Doch das reicht noch nicht. Nun sollen flugs aus dem Hut gezauberte elektrifizierte Modelle die grüne Turbo-Wende bringen. Die Sache hat nur einen Haken: Die Tricksereien werden für den Konzern teuer - und in zwei, drei Jahren auch deutlich kostspieliger, als der FCA-Finanzchef jetzt einräumen will.
Aber der Reihe nach. Fiats Rückstand im Kampf um niedrigere CO2-Ausstöße hat seinen Ursprung am Anfang dieses Jahrzehnts. Da übernahm Fiat unter Sergio Marchionnes Führung den quasi insolventen US-Hersteller Chrysler. Der gewiefte Verhandler Marchionne hatte zwar einen Dumpingpreis für Chrysler rausgeschlagen. Doch das war immer noch genug, um die Fiat- und Chrysler-Bilanzen auf Jahre hinaus zu belasten.
Kein Wunder also, dass FCA aus Profitabilitätsüberlegungen um Hybrid- und Elektroantriebe einen möglichst großen Bogen machte. Allerdings rächt sich dieses Nicht-Investieren in die Zukunft nun gerade in Europa. Laut Berechnungen von PA Consulting liegt der Konzern nach wie vor ziemlich weit entfernt vom je nach Hersteller etwas unterschiedlichen CO2-Flottenziel für 2021. In Zahlen ausgedrückt: 6,7 Gramm fehlen FCA nach aktuellem Stand, um sein CO2-Flottenziel von 91,8 Gramm CO2-Ausstoß je gefahrenem Kilometer zu erreichen.
Wie FCA-Chef Manley Analysten seine CO2-Tricks erläuterte
Das ist die aktuell größte Abweichung unter den internationalen und in Europa wichtigen Autoherstellern. Wenn FCA daran nichts ändert, muss der Konzern ab 2021 jährlich 700 Millionen Euro Strafe an die EU zahlen, hat die Unternehmensberatung PA Consulting in ihrem jährlichen Report zu den CO2-Flottenemissionen ausgerechnet.
Nur Jaguar Land Rover (JLR) ist noch weiter von seinem Ziel-CO2-Wert entfernt. Allerdings tun die Briten aber deutlich mehr als der italienisch-amerikanische Riese, um ihren Rückstand aufzuholen: Jaguar etwa verkauft bereits seit Herbst 2018 ein reines Elektromodell, den I-Pace. Zudem hat JLR angekündigt, ab 2020 die komplette Flotte zu elektrifizieren - also für jedes Modell auch Vollhybrid, Plugin-Hybrid- oder rein batterieelektrische Varianten anzubieten.

Bei Fiat Chrysler zeigt man sich deutlich weniger ambitioniert, was das Portfolio betrifft. Sogar 2019 und 2020 würde FCA nach aktuellem Stand die CO2-Vorgaben der EU reißen - wenn der Konzern nicht tief ins Trickkästchen greifen würde. Ein bisschen CO2-Magie ist nun nötiger als je, denn die geplante Fusion mit Renault ist vorerst geplatzt - auch wenn es erste Zeichen für eine Wiederbelebung der Fusionspläne gibt.
Wie Fiats Eil-Pläne zur Senkung des CO2-Flottenausstoßes aussehen und wie teuer das wird, hat FCA-Konzernchef Mike Manley nun in einem Gespräch mit Analysten anlässlich der Quartalszahlen skizziert.
Man werde 2019 und 2020 keine Strafen zahlen müssen, weil man die Grenzwerte einhalten werde, erklärte Manley laut einem Bericht von Automotive News Europe. Einer der Gründe sei der Deal mit Tesla über den Erwerb von CO2-Zertifikaten. Das ist ein moderner, aber rechtlich einwandfreier Ablasshandel, bei dem die E-Autos von Tesla in FCAs Fahrzeugflotte eingerechnet werden. Früheren Berichten zufolge zahlt FCA Tesla dafür hunderte Millionen Dollar.
Außerdem, so führte Manley laut dem Bericht aus, werde die Marke Jeep ab 2020 Plugin-Hybridversionen ihrer Modelle Compass, Renegade und Wrangler anbieten. Fiat werde im kommenden Jahr eine rein batteriegetriebene Version seines Kleinwagens 500 auf dem Markt bringen - und zudem bringe FCA neue, effizientere Verbrennungsmotoren auf den Markt.
Mehr als 600 Millionen Euro Kosten für EU-Flottenziele alleine in diesem Jahr

Schon im kommenden Jahr, so erklärte Manley weiter, sollen diese elektrifizierten Modelle rund 5 Prozent des europäischen Absatzmix ausmachen. Dazu kommen laut Manley noch Mildhybrid-Versionen mehrere Modelle.
Auch nach den Kosten dieser Maßnahmen fragten die Analysten - und da gab es immerhin auch eine Zahl. Laut dem FCA-Finanzchef Richard Palmer werden die Gesamtkosten zur Erreichung der EU-Flottenziele in diesem Jahr "moderat höher" liegen als 2018. Im vergangenen Jahr gab FCA dafür schon 600 Millionen Euro aus. Oder etwas anders gerechnet: Die Kosten für die CO2-Ziele werden FCA in diesem Jahr 0,5 Prozentpunkte seiner Gewinnmarge in Europa kosten, erklärte Palmer.
Geplant ist das auf den ersten Blick ziemlich kurzfristig. Denn 2021 werden die CO2-Vorgaben nochmals etwas strenger - und es gab keine Ansage dazu, ob FCA auch 2021 Strafzahlungen vermeiden kann. Allerdings sagte Manley weiter, dass FCA ab 2022 auch ohne die Hilfe der CO2-Zertifikate von Tesla die CO2-Vorgaben der EU einhalten wolle. Schaffen will das FCA mit Hilfe eines weiteren rein elektrischen Modells, eines weiteren Plugin-Hybriden und vier weiteren Mildhybriden.
Die Ansagen von Manley klingen aber schon für 2020 höchst ambitioniert. Denn bislang verkauft die Marke Fiat kein einziges Modell mit Hybridantrieb. EU-weit kam Fiat im ersten Halbjahr 2019 auf einen Marktanteil von 4,6 Prozent. Zu verdanken hat sie das auch ihrer nach wie vor starken Basis im Heimatland Italien. Allerdings hat sich Fiat in den vergangenen Jahren stark in Richtung Lifestyle-Kleinwagen und eher günstiger Kompaktklasse-Wagen positioniert.
Manley muss vor allem bei Fiat ansetzen - und das wird teuer

Die Marke Jeep kommt EU-weit auf einen Marktanteil von zuletzt 1,1 Prozent, im ersten Halbjahr verkaufte die Offroad-Marke EU-weit knapp 90.000 Fahrzeuge. FCAs weitere Marken in Europa, die nur mehr in Italien verkaufte Marke Lancia und die wiederbelebte Sportwagenmarke Alfa Romeo, rangieren EU-weit noch weit unterhalb von Jeep - mit Marktanteilen von 0,4 und 0,3 Prozent im ersten Halbjahr.
Hybridantriebe - ob nun Mild- oder Vollhybrid - sind wegen des Zusammenspiels von Batterien, Elektro- und Verbrennungsmotoren komplexer und damit meist auch kostspieliger als konventionelle Benzinmotoren. Wenn Manley den CO2-Ausstoß der FCA-Neuwagenflotte in Europa deutlich senken will, muss er also möglichst viele Fiats mit Hybrid- oder Elektroantrieb verkaufen. Da die Marke mit vielen ihrer Modelle eher im preissensiblen, günstigen Segment fischt, werden Fiat-Kunden wohl kaum hohe Aufpreise für elektrifizierte Antriebsstränge akzeptieren.
FCA wird also das Kunststück schaffen müssen, Fiats Hybrid- und auch reine Elektroversionen sehr, sehr günstig anzubieten. Hybride dürften dann kaum mehr als ein Benziner kosten, die Elektro-Version des Fiat 500 auch nicht wesentlich mehr als eine gut ausgestattete Verbrenner-Variante.
Für Toyota wäre das wohl durchaus denkbar - nach gut drei Jahrzehnten Hybridantriebserfahrung haben die Japaner die Kosten im Griff. Für Fiat wird das sehr schwer werden. Schaffbar ist das wohl, aber nur um den Preis deutlich geringerer Gewinne.
Die Angaben des FCA-Finanzchefs zu moderat höheren Kosten beziehen sich nicht umsonst ausdrücklich nur auf dieses Jahr. Denn das dicke, teure Ende für FCA kommt erst 2020 und 2021 - wenn der Konzern schnell zehntausende elektrifizierte Fiats in den Markt drücken muss. Schaffbar sein wird das nur über üppige Rabatte. Fiat-Fahrer dürften sich wohl bald über richtig gute Angebote für Hybridautos freuen. FCA-Aktionäre haben dagegen in Kürze kaum noch Grund zum Lachen.