Faurecia Hella-Mutter beschleunigt den Ausverkauf

Schulden im Nacken: Forvia-Chef Patrick Koller verkauft eine Sparte nach der anderen
Foto: Vincent Isore / IP3press / imagoDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Patrick Koller (64) ist kein zimperlicher Mann. Anfang des Jahres sorgte der Chef des französischen Automobilzulieferers Faurecia im westfälischen Lippstadt für einen Aufschrei, als er ankündigte, das gelbblau-eiförmige Emblem der neu erworbenen Firmentochter Hella vom Hauptsitz entfernen zu lassen. Eine unnötige Provokation, murrte mancher aus dem Hella-Umfeld. Noch dazu, da es kulturell zwischen beiden Seiten bislang knirscht . Koller selbst sagte der örtlichen Lokalzeitung "Der Patriot" : "Symbole muss man berücksichtigen, ich verstehe das. Die Marke Hella bleibt, die Marke hat Wert. Für unsere Kunden ist es aber ganz wichtig, dass wir einen gemeinsamen Namen haben. Sie nennen uns heute Forvia."
Jenes gemeinsame Konstrukt hatte sich Koller teuer erkauft. Rund 5,5 Milliarden Euro ließ sich Faurecia Mitte 2021 die Übernahme Hellas kosten. Finanziert vor allem durch teure Brückenanleihen. Eine Kapitalerhöhung im Juni 2022 gelang zwar, fiel mit 705 Millionen Euro aber kleiner aus als erhofft. Letzter Ausweg zur Refinanzierung: Spartenverkäufe.
Auch dabei zeigt sich Koller immer konsequenter. Ende 2022 ließ Hella mit einer Mitteilung aufhorchen, die erhofften 290 Millionen Euro aus dem Verkauf der Anteile an Plastic Omnium komplett als Sonderdividende an die Investoren auszuschütten . Hauptprofiteur mit knapp 82 Prozent der Anteile: Faurecia.
Koller holt zum Doppelschlag aus
Nun holt Koller gar zum Doppelschlag aus, diesmal allerdings bei Faurecia. Zunächst kündigte er Ende der vergangenen Woche an, Teile von Faurecias Abgassparte für Nutzfahrzeuge für 150 Millionen Euro an den US-Motorenhersteller Cummins verkaufen zu wollen. Jener Deal soll Forvia nicht nur finanziell, sondern auch bei der Dekarbonisierung helfen. "Mit dieser Transaktion würde sich das Engagement der Gruppe im Bereich der Verbrennungsmotoren im Jahr 2025 in Richtung 10 Prozent reduzieren", sagte Koller.
Am Sonntag setzte er dann noch einen drauf: Für 540 Millionen Euro soll die Faurecia-Tochter SAS Interior Modules den Besitzer wechseln. Mit dem indischen Zulieferer Motherson stehe ein Käufer bereit. Noch müsse man aber die Arbeitnehmervertreter informieren und anhören. Im Anschluss müssten die Behörden den Deal absegnen. Faurecia rechnet damit im dritten Quartal 2023.
Mit SAS würde ein deutsches Unternehmen den Besitzer wechseln. Vollständig zu Faurecia zählt der Karlsruher Spezialist für Armaturentafeln, Mittelkonsolen und anderen Bauteilen für Fahrzeuginnenräume erst seit Anfang 2021. Zuvor war SAS ein Joint Venture von Faurecia und Continental. Für 225 Millionen Euro kaufte Faurecia Conti seine 50 Prozent an SAS ab. Drei Jahre später wollen Koller und Co. das Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 896 Millionen Euro bereits wieder loswerden. Zu den Cockpit-Kunden von SAS zählen große Automobilhersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz und Porsche.
"Ich bin überzeugt, dass diese Transaktion zusätzlichen Mehrwert für SAS schaffen würde", sagte Koller am Sonntag. Forvia wiederum könnte sich dadurch auf sein Kerngeschäft konzentrieren, "die Entwicklung bahnbrechender Technologien". Kritiker erkennen bislang allerdings nur wenig Synergien zwischen Faurecia und Hella. Koller ist überzeugt, gemeinsam bereits 2025 einen Umsatz von 30 Milliarden Euro erzielen zu können. Davon ist der Zulieferer noch ein gehöriges Stück entfernt. 2022 kamen Faurecia und Hella gemeinsam auf 25,5 Milliarden Euro, teilten die Franzosen am Montag mit. Im laufenden Jahr rechnet der Zulieferer mit 25,2 bis 26,2 Milliarden Euro, die operative Marge soll von 4,4 Prozent im vergangenen Jahr auf 5 bis 6 Prozent klettern.
Bereinigt um Sondereffekte wies Forvia für 2022 einen operativen Gewinn von gut drei Milliarden Euro aus, etwas mehr als Analysten zuvor erwartet hatten. Unter dem Strich blieb wegen der Hella-Übernahme und Einmaleffekten für den Rückzug aus Russland aber ein Verlust von 382 Millionen Euro.
Neben der Konzentration auf vermeintlich "bahnbrechende Technologien" hat der geplante SAS-Verkauf deshalb eine ganz pragmatische Bedeutung, wie Koller am Sonntag zugab. Er muss Forvias "Desinvestitionsprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro bis Ende 2023" vorantreiben. Mit den beiden anvisierten Deals käme der Forvia-Chef jenem Ziel ein großes Stück näher. Manch weitere harte Entscheidung wird Koller im Laufe des Jahres aber noch verkünden müssen.