
Fahrtest, Teil II Stadtverkehrs-Revoluzzer im Maßanzug
Hamburg - Mit dem Elektroauto i3 nimmt sich BMW nichts Geringeres als eine "Revolution" vor, wie BMW-Chef Norbert Reithofer einst in einem Interview sagte. Denn anders als viele Konkurrenten hat BMW nicht einfach Elektromotor und Batterie in ein bestehendes Modell verpflanzt. Die Bayern haben mit Milliardenaufwand ein komplett neues Auto konzipiert - und sind dabei ziemlich gründlich zu Werke gegangen.
So ist der i3 ist das erste Auto in Großserie, dessen Karosserie aus dem leichten Werkstoff Karbon besteht. Für die Türverkleidungen werden Naturfasern verwendet, die Sitzbezüge bestehen aus recycelten Materialien. Die Energie, die für die Herstellung des Autos notwendig ist, stammt aus erneuerbaren Quellen.
Doch trotz aller Öko-Anstriche soll der i3 bei seinen Fahrleistungen ein echter BMW sein, versprechen die Bayern. Das Auto ist "auf das pulsierende Leben in der Großstadt" zugeschnitten, bewirbt BMW das Vehikel auf seiner Website. Und laut Betriebsanleitung soll das Auto auf eine "neue Ära nachhaltiger Mobilität" vorbereiten. Kann das Auto diese hohen Ansprüche in der Praxis einlösen? Und sind die zahlreichen Zusatzdienste und Apps, die BMW in das Auto packt, auch im Manager-Alltag nützlich? Das haben wir vier Tage lang getestet.
Der erste Eindruck: Außen ungewöhnlich, innen hui
Ja, die BMW-typische Doppelniere findet sich auch im Kühlergrill wieder. Doch beim restlichen Erscheinungsbild hebt sich i3 deutlich von den seinen bayerischen Verbrenner-Brüdern ab. Die hohe, gedrungene "Motorhaube" lässt den i3 durchaus sportlich, aber auch etwas zerknautscht aussehen, die deutlichen Falze in der Mitte der Seitentüren machen ihn optisch schnittig.
Mit 19 Zoll Durchmesser fallen die Reifen des gerade mal vier Meter langen Autos ziemlich groß aus, im Profil sind sie allerdings ziemlich schmal. Das soll laut BMW den Rollwiderstand minimieren, ist aber optisch gewöhnungsbedürftig. Am Heck sind die Rückleuchten kunstvoll geschwungen und verleihen dem Stadtflitzer so ein wenig Aggressivität.
Der Innenraum gehört wohl zum modernsten, was die Autowelt derzeit bei Serienfahrzeugen zu bieten hat. In der Mitte thront ein großer Bildschirm, über dem Lenkrad zeigt ein kleineres Display Geschwindigkeit, Batterieladestand und aktive Assistenzsysteme an.
Die Fahrgastzelle wirkt viel größer, als es die kompakten Außenmaße vermuten lassen. Aber das liegt wohl auch daran, dass die Mittelkonsole unterhalb des Armaturenbretts wegfällt, weil Elektroautos ja keine klassische Schaltung samt Getriebe benötigen. Fondspassagieren bietet der i3 trotz seiner Länge von nur vier Metern erstaunlich viel Fußraum. Wesentlich größer als 1,90 Meter dürfen die Mitfahrer allerdings nicht sein, um noch bequem zu sitzen.
Wie fährt er sich?
BMW verspricht für seine Autos Freude am Fahren - und diesen Anspruch löst auch der i3 ein. In 7,2 Sekunden sprintet der Stadtflitzer auf 100 km/h, und das mit vollem Drehmoment von Anfang an. Damit kann man auch gestandene Sportwagen beim Ampelsprint hinter sich lassen, wenn man das denn will. Nützlicher ist die Elektropower aber bei Überholmanövern oder Spurwechseln im Stadtverkehr. Längeres, schnelles Fahren kostet aber merklich Strom. Die Ladestandsanzeige informiert darüber zuverlässig, und die verbleibenden Restkilometer sagt sie ebenfalls erstaunlich präzise voraus.
Gut abgestimmt ist der i3 bei der Dämpfung. Fahrten über Kopfsteinpflaster meistert der i3 ebenso entspannt wie kleine Spurrinnen. Die bekommt man im Fahrraum zwar mit, aber mehr als ein kleiner Stoß ist da nie zu spüren.
Gewöhnungsbedürftig ist jedoch die Bremswirkung, wenn man den Fuß vom Gaspedal nimmt. Dann gewinnt der i3 Energie zurück und speichert sie im Akku - und das tut er ziemlich unmittelbar. Im Stadtverkehr benötigt man die Bremse deshalb nur bei ziemlich plötzlichen Stopps.
Praktisch in der Stadt ist auch der kleine Wendekreis des i3. Selbst in engen Gassen sind Reversiermanöver so kein Problem. Etwas Umgewöhnung erfordert aber die Schaltung für Vorwärtsgang, Rückwärtsgang und Parkposition. Sie sitzt in einem Drehknopf oberhalb des Lenkrads. Bei Einparkmanövern passiert es schon mal, dass die rechte Hand Richtung Mittelkonsole wandert und dort nur das Drehrad für die Bedienung des i3-Infotainmentsystems erreicht.
Womit der i3 im Alltag punktet
Unser Testwagen war mit fast allen elektronischen Spielereien ausgestattet, die BMWs Sonderausstattungsliste für den i3 zulässt. Ein Tempomat, der sich selbständig an das Tempo des Vordermanns anpasst, war ebenso an Bord wie Internetzugang, eine bessere Smartphone-Anbindung und im Auto abrufbare Apps. Damit kamen insgesamt 13.980 Euro Aufpreis zum Basispreis von 34.950 Euro hinzu.
Auch dank dieser Armada an elektronischen Helferlein verbreitete der i3 nie die Aura eines Kleinwagens, sondern eher die einer Businesslimousine. Die Spracheerkennung funktionierte einwandfrei, selbst die Online-Suche nach Geschäften samt anschließender Zielführung per Navi klappte auf Anhieb.
Nur bei einer wichtigen Information war der i3 nicht immer up to date: Auf der Navi-Karte werden zwar nahe liegende Ladesäulen angezeigt. Dabei ist auch auf der Karte erkennbar, ob die Ladesäule gerade von einem Fahrzeug zum Stromtanken genutzt wird oder nicht. Doch Smartphone-Apps wie Plugfinder finden noch ein paar Ladesäulen mehr als BMWs Navigationssystem. Wie schwierig das Stromtanken in Hamburg sein kann, hat mein Kollege Nils-Viktor Sorge bereits ausführlich berichtet. Nach seinen unschönen Erfahrungen zapfte der i3 deshalb ausschließlich in der Spiegel-Garage Strom.
Manager können den i3 ohne Probleme zum rollenden Büro umfunktionieren. Selbst SMS oder E-Mails lassen sich während der Fahrt per Spracherkennung verfassen - und das funktionierte erstaunlich gut. Warum man sich für den Spracherkennungsdienst allerdings nochmals extra per E-Mail-Adresse registrieren muss, leuchtet nicht so ganz ein.
Bei der eigenen Smartphone-App für den i3 gibt es noch etwas Verbesserungspotenzial. Zwar lassen sich via Handy eine Vielzahl von Infos über das Auto abrufen. Stromverbrauch, Batterieladestand oder Standort des Autos lassen sich ebenso anzeigen wie Informationen darüber, ob die Türen des i3 verriegelt sind oder nicht. Doch fernsteuern kann man den i3 per Handy nicht. Geöffnete Türen lassen sich nur per Schlüssel verriegeln, auch die Standheizung lässt sich nicht aus der Ferne aktivieren. Das ist bei anderen Herstellern aber durchaus möglich.
Wo punktet er, wo nervt er?
Einsteigen, Startknopf drücken, auf D stellen, lautlos losgleiten: Der i3 führt einem vor Augen, wie einfach und stressfrei Autofahren in der Stadt ablaufen kann. Das wohl Beeindruckendste an BMWs Elektroauto ist die fast schon surreale Ruhe während der Fahrt. Nur ein leises Surren erklingt, wenn der i3 beschleunigt, mehr nicht. Entspannender lässt es sich kaum durch die Stadt gleiten - und das beeindruckt nicht nur Fahrer, sondern auch Mitfahrende.
Ziemlich gut gelöst hat BMW auch die Verknüpfung von Smartphone, Bordentertainmentsystem und Internetanbindung: Zwar fallen manche Untermenüs umfangreich und verschachtelt aus. Doch die Anzeige auf dem zentralen 10-Zoll-Monitor ist hervorragend lesbar, die Spracherkennung funktioniert einwandfrei - und all das funktioniert hervorragend.
Etwas genervt haben im Praxistest allerdings ein paar konstruktionsbedingte Details. So lassen sich die Hintertüren des i3 nur bei bereits geöffneten Vordertüren öffnen. Leider lassen sich die Vordersitze des i3 aber nicht umklappen. Wer also vor der Wegfahrt noch rasch eine Jacke auf der Rückbank verstaut hat, muss entweder gelenkig sein oder umständlich beide Türen öffnen.
Unter der kurzen "Motorhaube" hat BMW ein kleines Fach eingebaut, in das die Ladekabel samt Adapter exakt hineinpassen. Das ist praktisch, doch der Öffnungsmechanismus ist es weniger. Erst nach einem gezielten Griff unter die Motorhaube lässt sich das Fach aufklappen, doch die Entriegelungstaste ist nur für Eingeweihte leicht zu finden.
Doch letztlich sind das Kleinigkeiten. BMW schickt mit dem i3 ein Elektroauto auf die Straßen, das ziemlich ausgereift wirkt - und tatsächlich als Revolutionär im Karbon-Maßanzug tatsächlich ein Vorbote der Elektromobilitäts-Ära werden könnte.
BMW i3 Fahrtest Teil I: Lesen Sie hier, wie mein Kollege Nils-Viktor Sorge beim Laden des i3 an dem kollektiven Versagen der Stromversorger scheiterte.