Besserer Katalysator hätte Abgas-Debakel vermieden Volkswagen wollte 100 Euro pro Auto sparen - und verliert jetzt Milliarden

Abgastechnik für Diesel-Autos: Ein größerer Filter hätte den Volkswagen Jetta laut Experten nur um gut 100 Euro verteuert. Im Bild: Werbung für den Rußpartikelfilter im Jahr 2004.

Abgastechnik für Diesel-Autos: Ein größerer Filter hätte den Volkswagen Jetta laut Experten nur um gut 100 Euro verteuert. Im Bild: Werbung für den Rußpartikelfilter im Jahr 2004.

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Dirty Diesel: Acht Gründe, warum der Abgasskandal eine Katastrophe für VW ist

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Volkswagen  hat es mit der deutschen Sparsamkeit offenbar etwas zu weit getrieben - und ist auch deshalb in das Diesel-Desaster geschlittert: Schon geringe Investitionen in bessere Stickoxid-Filtertechnik hätten dem Autokonzern Experten zufolge den Abgasskandal in den USA zumindest in diesem Ausmaß erspart. Doch lieber manipulierte Volkswagen die Testergebnisse, wie das Unternehmen selbst zugegeben hat.

"Ein größerer Filter beim Jetta hätte kaum Zusatzkosten verursacht", sagte Abgas-Experte Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT) gegenüber manager-magazin.de. Mock rechnet mit Mehrkosten ab 100 Euro pro Fahrzeug, das mit besserer Abgastechnik ausgerüstet ist. Mock und der ICCT hatte den Abgasskandal mit eigenen Messungen ins Rollen gebracht. "Technisch ist es kein Problem, die Emissionsstandards einzuhalten", sagt ICCT-Mann Mock. Volkswagen war für eine Stellungnahme dazu zunächst nicht zu erreichen.

Die Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) geht sogar nur von Mehrkosten in Höhe von 77 Euro für ein Mittelklassefahrzeug aus, das die höchsten europäischen Abgas-Standards auf der Straße tatsächlich einhalten soll. Das hat sie in einem Bericht für die Europäische Kommission geschrieben, der manager-magazin.de vorliegt.

Die zuständigen Manager wähnten sich sicher

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Stattdessen statteten bisher ungenannte VW-Mitarbeiter die Fahrzeuge mit einer Manipulations-Software aus. Sie sorgt dafür, dass der Wagen seine Abgassysteme auf dem Prüfstand einschaltet - nicht aber, wenn Autofahrer auf der Straße unterwegs sind.

Der Grund: Im Fall des US-Jetta brauchen die von VW installierten Abgassysteme offenbar selbst enorm viel Sprit, um bei normalem Straßenverkehr immer wieder den vergleichsweise kleinen Schadstoff-Filter zu reinigen. Der dadurch erhöhte Spritverbrauch, so offenbar die Furcht der VW-Manager, hätte wiederum den Absatz ihrer Modelle in den USA einbrechen lassen. Die Zusammensetzung der Abgase dagegen ist für den normalen Autofahrer üblicherweise nicht nachvollziehbar.

Wer auch immer bei Volkswagen den Betrug angeordnet hat - er wähnte sich sicher. Erst außerplanmäßige Nachtests der US-Behörden hatten den Verdacht des ICCT bestätigt, dass es bei zahlreichen Volkswagen-Modellen nicht mit rechten Dingen zugeht.

Das Problem mit dem Harnstoff

Geld bei der Technik zu sparen war aber offenbar nicht die einzige Motivation für den Autohersteller, bei den Abgastests zu betrügen. Während beim Jetta ein größerer Filter wohl genügt hätte, ist die Lage beim Passat vertrackter: Dessen Filtersystem ist auf den Zufluss von Harnstoff ("Ad Blue") angewiesen. Diesen führt der Wagen in einem separaten Tank mit.

Sobald das Abgassystem ordnungsgemäß arbeitet, steigt der Harnstoff-Verbrauch stark an. Deshalb müssten Fahrer die Substanz regelmäßig nachfüllen - was Volkswagen den Kunden offenbar nicht zumuten wollte, genausowenig wie zusätzliche Fahrten in die Werkstatt.

Auch ein größerer Harnstoff-Tank bringt Nachteile mit sich. Allein der zusätzliche Platzbedarf könnte den Komfort einschränken. Das alles war für die zuständigen Volkswagen-Kräfte scheinbar nicht hinnehmbar. Stattdessen rutschte der Konzern in die wohl größte Glaubwürdigkeits-Krise seiner Geschichte - und muss sich auf einen Schaden in Milliardenhöhe gefasst machen.

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