Geständnis von Ex-Audi-Chef Stadler Welche Topmanager im Dieselskandal belangt wurden – und welche nicht

In dieser Woche will Ex-Audi-Chef Rupert Stadler gestehen, dass er von den Abgasmanipulationen wusste. Wie steht es um die anderen Hauptfiguren des Dieselskandals? Wem drohen noch strafrechtliche Konsequenzen? Ein Überblick.
Bereit zum Geständnis: Nach zweieinhalb Jahren Prozess änderte Ex-Audi-Chef Rupert Stadler seine Position und ging einen Deal mit dem Gericht ein – Geständnis gegen Bewährungsstrafe

Bereit zum Geständnis: Nach zweieinhalb Jahren Prozess änderte Ex-Audi-Chef Rupert Stadler seine Position und ging einen Deal mit dem Gericht ein – Geständnis gegen Bewährungsstrafe

Foto: Lukas Barth / dpa

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Nach fast 170 Prozesstagen war es so weit: Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler (60) rang sich im Betrugsprozess wegen manipulierter Abgaswerte zu einem Deal mit Gericht und Staatsanwaltschaft durch, nachdem er jahrelang die Vorwürfe bestritten hatte. Für Dienstag, 16. Mai, haben seine Anwälte ein umfassendes Geständnis Stadlers angekündigt.

Gesteht Stadler, muss er wahrscheinlich nicht ins Gefängnis und kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Diese stellte ihm Richter Stefan Weickert in Aussicht. Eine weitere Bedingung des Deals ist, dass der Ex-Audi-Chef 1,1 Millionen Euro zahlt. Zu einem Urteil könnte es dann in der kommenden Woche kommen.

Der Prozess am Landgericht München ist eines der prominentesten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung des Dieselskandals bei Autobauer Volkswagen und Konzerntochter Audi. 2015 war aufgedeckt worden, dass die Unternehmen millionenfach Abgaswerte manipuliert hatten. Neben Stadler wurden drei weitere ehemalige Audi-Manager in München angeklagt, seit September 2020 läuft der Prozess. Ein weiterer Schauplatz im sogenannten "Dieselgate" ist Braunschweig, wo seit September 2021 fünf frühere hochrangige Manager des Volkswagen-Konzerns vor Gericht stehen.

Wer die Hauptrollen in der Dieselaffäre spielte, wem noch strafrechtliche Konsequenzen drohen und wem nicht, zeigt dieser Zwischenstand:

Giovanni Pamio

Motorenentwickler: Giovanni Pamio räumte im Münchener Prozess als Erster eine Mitverantwortung für die Abgasmanipulationen ein

Motorenentwickler: Giovanni Pamio räumte im Münchener Prozess als Erster eine Mitverantwortung für die Abgasmanipulationen ein

Foto:

Willi Schneider / People Picture

Eine zentrale Figur im Dieselskandal ist der Audi-Motorenentwickler Giovanni Pamio, der zusammen mit Stadler und dem ehemaligen Audi-Motorenchef Wolfgang Hatz (64) in München auf der Anklagebank sitzt. Laut Anklage hatte Pamio als Abteilungsleiter in der Motorentwicklung in Neckarsulm mit veranlasst, dass die Software von Dieselmotoren manipuliert wurde. Er habe von Mitarbeitern "intelligente Lösungen" gefordert, um Abgastests zu bestehen, und 2008 angewiesen, eine Software einzubauen, die Tests erkennt. Pamio gestand als Erster der drei Angeklagten, Motoren manipuliert zu haben. Auf Druck des Gerichts, das mit einer Freiheitsstrafe gedroht hatte, räumte der Ingenieur Anfang April ein, gewusst zu haben, dass die sogenannten Abschalteinrichtungen nicht gesetzeskonform sein könnten. Noch wartet er auf sein Urteil. Wahrscheinlich ist, dass es auf eine Bewährungsstrafe und eine Zahlung von 50.000 Euro hinauslaufen wird. Allen drei Beschuldigten hatte Richter Weickert in Aussicht gestellt, die Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, sollten sie gestehen. Das Verfahren gegen den vierten Angeklagten, einen Ingenieur, wurde gegen eine Geldauflage von 25.000 Euro eingestellt.

Wolfgang Hatz

Zeitweise für die Motorenentwicklung im gesamten VW-Konzern zuständig: Wolfgang Hatz gab nach Pamios Geständnis ebenfalls zu, die Software veranlasst zu haben

Zeitweise für die Motorenentwicklung im gesamten VW-Konzern zuständig: Wolfgang Hatz gab nach Pamios Geständnis ebenfalls zu, die Software veranlasst zu haben

Foto: CHRISTOF STACHE / AFP

Pamios Geständnis setzte offenbar den früheren Chef der Motorenentwicklung im VW-Konzern und Porsche-Entwicklungsvorstand Hatz unter Druck, der wenig später gestand, mit zwei weiteren Mitarbeitern die Installation der verbotenen Steuerungssoftware veranlasst zu haben. Er habe bei der Installation der Software "erkannt und hingenommen", dass diese in Deutschland als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt werden und in den USA gegen das dort geltende Recht verstoßen könne, ließ Hatz Ende April von seinem Verteidiger erklären. Auch Hatz' Urteil steht noch aus. Gericht und Verteidigung befürworteten eine Bewährungsstrafe von 18 bis 24 Monaten, außerdem soll er 400.000 Euro zahlen. Die Staatsanwaltschaft fordert wegen des späten Zeitpunkts des Geständnisses eine Gefängnisstrafe. Nach den Geständnissen von Pamio und Hatz war der Druck auf Ex-Audi-Chef Stadler gestiegen, der nun ebenfalls ein Geständnis angekündigt hat.

Martin Winterkorn

Ehemaliger VW-Chef: Das Verfahren um Martin Winterkorn liegt auf Eis

Ehemaliger VW-Chef: Das Verfahren um Martin Winterkorn liegt auf Eis

Foto: fossiphoto / imago

Die prominenteste Hauptfigur in der Dieselaffäre ist der ehemalige Volkswagen-Chef Martin Winterkorn, der 2007 die Leitung von Audi an Stadler übergab und an die Konzernspitze wechselte. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte den Ex-VW-Chef 2019 gemeinsam mit vier weiteren VW-Managern angeklagt. Doch wegen Winterkorns Gesundheitszustand wurde sein Verfahren abgetrennt und liegt auf Eis. Der 75-Jährige ist momentan nicht verhandlungsfähig. Zuvor musste der Prozess bereits mehrfach wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Ungewiss ist, ob es überhaupt noch zu einem Verfahren kommt, auch weil die Kammer in Braunschweig erst den Prozess der anderen vier Angeklagten abschließen will. Die Staatsanwaltschaft wirft Winterkorn vor, spätestens im Mai 2014 von der Abgasmanipulation in den USA informiert gewesen zu sein, aber den Verkauf der Fahrzeuge nicht gestoppt zu haben, ebenso die unlautere Werbung mit dem angeblich sauberen Diesel. Winterkorn weist die Vorwürfe zurück. Bislang musste er ausschließlich Schadensersatz in Höhe von 11,2 Millionen Euro an VW zahlen. Der damalige VW-Chef war wenige Tage nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 von seinem Amt zurückgetreten.

Heinz-Jakob Neußer

Früherer VW-Entwicklungschef: Heinz-Jakob Neußer soll sogar eine Erweiterung der Software veranlasst haben

Früherer VW-Entwicklungschef: Heinz-Jakob Neußer soll sogar eine Erweiterung der Software veranlasst haben

Foto: Friso Gentsch / Volkswagen / dpa / picture alliance

Ein hochrangiger Angeklagter in Braunschweig ist neben Winterkorn der ehemalige VW-Markenvorstand Heinz-Jakob Neußer (63). Der frühere Entwicklungschef muss sich wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Neußer vor, schon kurz nach seinem Antritt als Motorenchefentwickler im Oktober 2011 von der Manipulationen gewusst zu haben, sie aber dennoch nicht gestoppt, sondern den weiteren Einsatz der Abschaltsoftware verantwortet zu haben. Sogar eine Erweiterung der Software soll Neußer veranlasst haben, die dafür sorgte, dass das Fahrzeug auch anhand des Lenkwinkels erkannte, ob es im Labor oder auf der Straße fuhr. Laut Zeugen soll Neußer ebenfalls die Manipulationen gezielt vertuscht haben. Bislang hat er genauso wie seine Mitangeklagten die Vorwürfe bestritten, sodass sich das Verfahren in die Länge zog. Mit den Geständnissen von Hatz und Stadler in München könnte aber nun Bewegung in die Sache kommen. Denkbar ist, dass Angeklagte aus dem Münchener Prozess als Zeugen in Braunschweig geladen werden könnten. VW kündigte Neußer 2018 fristlos. Der Ex-Entwicklungschef von VW wehrte sich dagegen, eine Klage scheiterte jedoch.

Ulrich Hackenberg

Früherer Audi-Chefentwickler: Ulrich Hackenberg soll schon 2008 von überhöhten Abgasgrenzwerten bei VW gewusst haben

Früherer Audi-Chefentwickler: Ulrich Hackenberg soll schon 2008 von überhöhten Abgasgrenzwerten bei VW gewusst haben

Foto: REBECCA COOK / REUTERS

In München dürfte bald ein noch ein weiteres Verfahren gegen Audi-Manager starten, das sich unter anderem gegen einen der damaligen zentralen Köpfe in der Entwicklung bei VW und Audi richtet: Ulrich Hackenberg (73). Im Sommer 2020 hatte die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen den ehemaligen Audi-Chefentwickler erhoben. Hackenberg zählt zu den engsten Vertrauten Winterkorns. Bei Volkswagen soll er schon 2008 von überhöhten Abgasgrenzwerten gewusst haben und im November 2013 von den Problemen bei der Abgasreinigung bei Audi, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Er soll später angeordnet haben, dass für die bereits im Markt befindlichen Modellreihen kein Rückruf erfolgen solle, um sie gesetzeskonform umzurüsten. Hackenberg beteuert, erst 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben. VW hatte bereits von dem Ex-Entwicklungschef Schadensersatz verlangt. Doch Hackenberg lehnte eine Vergleichszahlung ab; er sieht sich unschuldig.

Hans Dieter Pötsch und Herbert Diess

Verfahren eingestellt: Hans Dieter Pötsch und Ex-VW-Chef Herbert Diess waren wegen Marktmanipulation angeklagt

Verfahren eingestellt: Hans Dieter Pötsch und Ex-VW-Chef Herbert Diess waren wegen Marktmanipulation angeklagt

Foto: Swen Pförtner/ dpa

Gegen Volkswagen-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch (72) und den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess (64) erhob die Staatsanwaltschaft keine Anklage. Das Verfahren gegen die beiden wurde gegen Auflagen eingestellt, wie das manager magazin im Mai 2020 exklusiv berichtet hatte . Sie zahlten jeweils 4,5 Millionen Euro und mussten sich nicht vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte ihnen vorgeworfen, die Finanzmärkte vorsätzlich zu spät über die drohenden Milliardenstrafen informiert zu haben. Pötsch und Diess bestritten dies. Sie hatten zwar in den Monaten zuvor von den Ermittlungen der US-Umweltbehörden erfahren, hätten aber nicht die große Dimension der Strafe ahnen können. Offenbar hatten die zuständigen Richter in Braunschweig Zweifel, ob die Belege der Staatsanwaltschaft für einen Schuldspruch ausreichten – und es kam zu einer Einstellung gegen Geldzahlung.

Seit 2018 läuft außerdem ein Prozess, bei dem es um Forderungen meist institutioneller Anleger in Milliardenhöhe geht. Sie werfen Volkswagen vor, Informationen über den Abgasskandal lange geheim gehalten zu haben und den Anlegern dadurch einen Wertverlust ihrer Aktien eingebrockt zu haben.

Ein VW-Manager, der im Dieselskandal nur eine Nebenrolle spielte, aber dennoch eine hohe Strafe kassierte, ist Oliver Schmidt (54). Er hatte die Abschalteinrichtungen ("Defeat Devices") weder beauftragt noch gebaut. Allerdings hatte er die US-Behörden nicht korrekt über die Manipulation informiert, wie sich später herausstellte. Ende 2016 beging er den folgenschweren Fehler, für einen Weihnachtsurlaub in die USA einzureisen. Kurz vor dem Rückflug verhafteten ihn FBI-Beamte auf der Flughafentoilette in Miami. Fast vier Jahre saß Schmidt im US-Gefängnis – so lange wie kein anderer Beschuldigter in der Dieselaffäre.

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