Schwere Manipulation VW-Desaster in den USA - Das müssen Sie wissen

Von mm-newsdesk
VW-Passat für die USA: Volkswagen soll Abgasmessung manipuliert haben

VW-Passat für die USA: Volkswagen soll Abgasmessung manipuliert haben

Foto: Volkswagen

Welche Vorwürfe erhebt die US-Umweltbehörde?

Volkswagen soll eine spezielle Software eingesetzt haben, um die offizielle Messung des Schadstoffausstoßes bei seinen Dieselautos zu manipulieren. Das teilte die Environmental Protection Agency (Epa) am Freitag in Washington mit.

Die betreffenden Vorschriften seien bewusst umgangen worden. "Solche Mittel zu benutzen, um die Klimaschutzstandards zu umgehen, ist illegal und eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit", sagte Epa-Vertreterin Cynthia Giles. Ihre Behörde werde die Untersuchungen in diesem "sehr ernsten" Fall fortsetzen. Auch eine weitere Behörde im Bundesstaat Kalifornien, die California Air Resources Board, habe in der Sache Untersuchungen eingeleitet.

Wie soll die Manipulation funktionieren?

Laut Epa  erkennt eine "hochentwickelte Software" von Volkswagen, ob Autos behördlichen Tests unterzogen würden oder im Normalbetrieb unterwegs seien. Epa nennt sie "Defeat Device", Manipulationsgerät. Bei offiziellen Emissionstests, die das Programm an Parametern wie Steuerradwinkel und Geschwindigkeit erkennt, würde es das Abgaskontrollsystem aktivieren. Auf der Straße liege der Ausstoß von Stickstoffdioxiden beim bis zum 40-Fachen über den Dieselabgas-Grenzwerten.

Welche Modelle sind betroffen?

Insgesamt geht es laut Epa um 482.000 Dieselfahrzeuge von Volkswagen der Modelljahre 2009 bis 2014 - insbesondere um die VW-Modelle Jetta, Beetle und Golf sowie um das Audi-Modell A3 seit dem Jahr 2009. Außerdem um das VW-Modell Passat seit dem vergangenen Jahr.

Wie kam die Epa Volkswagen auf die Spur?

Die Epa hat die mutmaßlichen Manipulationen aufgrund eines Hinweises der West Virginia University untersucht. Die Universität arbeitete mit dem International Council on Clean Transportation (ICCT) zusammen, einer US-Nichtregierungsorganisation.

Wie reagiert der Konzern ?

Wie die Epa mitteilte, habe Volkswagen den Vorwurf bereits eingestanden. Der Konzern habe laut Epa zugegeben, berichtet "Bloomberg", die Software installiert zu haben, nachdem die US-Behörden signalisiert haben, dass sie die 2016er Modelle von VW nicht zulassen würden.

Volkswagen gab bisher offiziell lediglich an, über die Untersuchungen unterrichtet worden zu sein. Das Unternehmen wolle mit den Behörden "eng und kooperativ" zusammenarbeiten, es veranlasse "alles in seiner Macht stehende, um die Hintergründe für die erhobenen Vorwürfe gründlich aufzuklären".

Was droht Volkswagen?

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Die Epa fordert Volkswagen auf, die betroffenen Autos in die Werkstätten zurückzurufen. Bisher hat die Umweltbehörde jedoch noch keinen Rückruf befohlen und noch keine Strafe verhängt. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, könnten Volkswagen Strafen von bis zu 37.500 Dollar (gut 33.000 Euro) pro Wagen drohen, also insgesamt mehr als 18 Milliarden Dollar. Allerdings ist unklar, ob dieses theoretische Höchstmaß ausgeschöpft würde.

Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach hält die Milliardensumme für einen sehr theoretischen Wert: Da VW ja bereits zugesagt habe, mit den Behörden zu kooperieren, werde das Strafmaß ohnehin gesenkt. Vermutlich drohten daher Strafzahlungen von mehreren Hundert Millionen Dollar oder ein Betrag im knappen Milliardenbereich, schätzt der Professor.

Auch die Nachrüstung der betroffenen Autos könnte teuer werden - wenn überhaupt möglich. Die Installation eines neuen Abgaskontrollsystem sei zu schwierig, berichtet "Bloomberg".  Um die Grenzwerte bei den betroffenen Autos zu erreichen, müsse Volkswagen möglicherweise die Motorleistung drosseln und den Kraftstoffverbrauch erhöhen.

Was heißt das für VW-Autos in Deutschland?

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Der Fall wirft die Frage auf, ob es Ähnliches auch in anderen Ländern gegeben haben könnte. "Aufgrund der sehr unterschiedlichen Gesetzgebungen kommen in den einzelnen Märkten jeweils Motorkonzepte mit unterschiedlichen Technologien zum Einsatz", sagte ein VW-Sprecher dazu. "Der Fall lässt sich nicht direkt auf andere Regionen übertragen. Unsere Fahrzeuge in Europa erfüllen die jeweils zum Zeitpunkt der Zulassung geltenden Abgasgrenznormen."

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist anderer Ansicht und will nun vor Gericht ein Fahrverbot für Diesel-Pkw in Deutschland erstreiten. Das Problem bestehe nicht nur in den USA, sondern in noch deutlich stärkerem Umfang in Europa, vor allem bei den deutschen Herstellern, teilte die Organisation mit. Die Organisation wirft Autoherstellern seit Längerem vor, die Abgasbelastung durch Dieselantriebe zu schönen.

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Die Ermittlungen der Umweltbehörde stellen für Volkswagen einen großen Rückschlag dar. Diesel-Fahrzeuge gehören in den USA zu den wenigen Verkaufsschlagern von VW, der Konzern kämpft auf dem US-Markt schon länger mit schwachen Absatzzahlen. Nach einem kurzen Aufwärtstrend musste er zuletzt für den Monat August bei seiner Kernmarke VW in den USA ein sattes Minus melden. Die Zahl der verkauften Autos schrumpfte im Jahresvergleich um 8,1 Prozent auf rund 32.300.

Mit einer groß angelegten Marketing-Kampagne für die "Clean Diesel"-Autos sollten die US-Verbraucher von der Umweltfreundlichkeit der dort als Traktor-Antrieb verpönten Fahrzeuge überzeugt werden. Inzwischen sind vom offiziellen YouTube-Kanal von VW alle Werbeclips hierzu gelöscht worden. Dem US-Autoblog "Jalopnik", der am Freitag zuerst auf die verschwundenen Werbevideos hinwies, konnte VW zunächst keine Erklärung dafür liefern. Ein Sprecher sagte lediglich, man werde sich mit der Sache befassen.

Was sollte Volkswagen nun tun?

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Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach fordert strukturelle Änderungen beim Wolfsburger Konzern. "Da ist etwas fundamental schiefgegangen bei VW." Es sei sehr verwunderlich, dass die mutmaßlichen Machenschaften der amerikanischen US-Tochter nicht längst an Wolfsburg gemeldet worden seien, was ein Durchgreifen der Konzernspitze nach sich gezogen hätte, sagt der Experte.

"Das muss jetzt ein Weckruf zur Einhaltung der Compliance-Regeln sein", sagt Bratzel. Compliance-Regeln legen fest, wie sich Konzerne verhalten müssen, damit ihre Geschäfte im Einklang mit geltendem Recht stehen. Bratzel vermutet, die VW-Tochter in den USA sei mit ihren dortigen Geschäftspraktiken gewissermaßen aus dem Ruder gelaufen. "In Wolfsburg ist man sich doch im Klaren, dass man Regeln nicht einfach aushebeln darf."

Was bedeutet der Fall für die deutsche Autoindustrie?

Experten fürchten nicht nur einen Imageschaden für Volkswagen, sondern für die gesamte deutsche Autoindustrie. "Das ist ein Bärendienst für die ganze deutsche Dieseltechnologie", sagt Wirtschaftsprofessor Bratzel. Hierdurch würde das Image von Dieselautos - in den USA ohnehin eine Nische - schwer beschädigt.

Auch BMW und Daimler seien dadurch indirekt betroffen. "Man versucht seit Jahren, die Dieseltechnologie in den USA zu etablieren - und jetzt das", sagt Bratzel. "Der Fall kommt zur Unzeit für die Strategie deutscher Autobauer, Dieselfahrzeuge als saubere Technologie in den USA zu etablieren."

Die übrigen Autohersteller kommentieren die Probleme ihres Rivalen nicht. Eine Werbeveranstaltung für die Branche sei das Ganze aber nicht, heißt es bei der Konkurrenz hinter vorgehaltener Hand.

abl/dpa
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