Corona-Krise verlangt Kurskorrektur Daimler-Chef Källenius verschärft Sparkurs

Auf der Suche nach dem Durchblick: Daimler-Chef Ola Källenius.
Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke/File PhotoDaimler-Chef Ola Källenius (51) will angesichts der Corona-Krise mehr sparen und den Autohersteller noch effizienter machen. "Unsere bisherigen Effizienzziele haben die bevorstehende Transformation abgedeckt, aber nicht eine weltweite Rezession", sagte der Manager am Mittwoch bei der Online-Hauptversammlung des Konzerns in Stuttgart. "Deswegen schärfen wir unseren Kurs nach." Man sei derzeit in konstruktiven Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern. Details nannte Källenius nicht.
Der Vorstand habe ein Programm zur Verbesserung der Kostenstruktur verabschiedet, das alle Bereiche des Unternehmens umfasse, ergänzte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff (78). Neue Zahlen dazu wurden in der Mitteilung nicht genannt. Die Kernthemen Digitalisierung und Elektrifizierung sowie die Nachhaltigkeitsziele stünden aber nicht zur Disposition, betonte Bischoff: "Das Ziel von Daimler ist und bleibt die emissionsfreie Mobilität."
Im November hatte der neue Daimler-Chef Pläne vorgestellt, nach denen von 2020 bis 2022 mehr als anderthalb Milliarden Euro eingespart werden sollten. Die Personalkosten sollten durch den Wegfall von mehr als 10.000 der weltweit 300.000 Stellen um 1,4 Milliarden Euro sinken. Seither hat die Covid-19-Pandemie die Lage in der Autoindustrie dramatisch verschlechtert. Nach Prognose des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) wird der weltweite Pkw-Absatz in diesem Jahr um 17 Prozent auf knapp 66 Millionen einbrechen.
Källenius hatte schon mehrfach angedeutet, dass die im vergangenen Herbst vorgelegten Sparpläne wohl nicht ausreichen dürften. Für das zweite Quartal rechnet der Konzern neben deutlichen Umsatzrückgängen auch mit roten Zahlen im operativen Geschäft. Im ersten Quartal war der Autobauer daran noch knapp vorbeigeschrammt. Für das Gesamtjahr gab Källenius weiterhin keine präzisen Prognosen ab. Absatz, Umsatz und das Ergebnis des Konzerns dürften unter Vorjahr liegen, bekräftigte der Daimler-Chef.
Mercedes-Absatz sinkt um 19 Prozent - Lichtblick in China
"Zur Wahrheit gehört auch: Der Weg zum Vorkrisenniveau ist noch lang", sagte Källenius und ergänzte: "Ich denke, wir sind uns einig: Die jüngsten Ergebnisse - auch schon vor Corona - werden diesem stolzen Unternehmen nicht gerecht. Daimler kann mehr. Und wir sind entschlossen zu liefern."
Im ersten Halbjahr sei der Absatz der Pkw-Marke Mercedes-Benz um knapp 19 Prozent auf knapp 870.000 Fahrzeuge gesunken, teilte Daimler mit. "Im zweiten Quartal hat Mercedes-Benz bereits wieder etwas Boden gutgemacht", betonte Källenius. Im Juni lägen die Pkw-Auslieferungen an die Endkunden laut Källenius sogar wieder leicht über dem Vorjahresniveau.
Im wichtigsten Einzelmarkt China habe Mercedes-Benz beim Absatz das bisher beste zweite Quartal erzielt. "Wir sind vorsichtig optimistisch, dass andere Märkte an diese Entwicklung Schritt für Schritt anknüpfen", so Källenius. In China hatte die Corona-Pandemie das Wirtschaftsleben zuerst lahmgelegt, bevor sie auf Europa und Nordamerika übergriff. China fuhr die Wirtschaft als erstes wieder hoch, in Europa und Nordamerika ging es später wieder los. "Nahezu alle unsere Händler weltweit haben wieder geöffnet", sagte Källenius.
Daimler setzt 38 Prozent weniger Lkw ab
Die Verkaufszahl von Mercedes-Benz und Smart sank im zweiten Quartal um 24 Prozent auf 462.000 Fahrzeuge gegenüber dem Vorjahresquartal - in China stieg sie um ein Fünftel auf gut 207.000.
Im für Daimler ebenfalls sehr wichtigen und konjunktursensiblen Lkw-Geschäft hat der Konzern im ersten Halbjahr einen noch deutlich herberen Dämpfer als bei Pkw einstecken müssen. Mit rund 150.000 Lkw hat Daimler 38 Prozent weniger Fahrzeuge abgesetzt als ein Jahr zuvor, wie Källenius sagte. Dafür sei allerdings neben Covid-19 auch ein ohnehin schwächeres Marktumfeld verantwortlich, insbesondere in Europa und Nordamerika. "Die Entwicklung der Auftragseingänge war in den letzten Wochen aber in fast all unseren Kernmärkten wieder positiv", sagte Källenius.
Kostenrisiken durch Diesel-Skandal wachsen
Ein Thema auf der Hauptversammlung sind auch die wachsenden Kostenrisiken im Dieselskandal. Im vergangenen Jahr musste der Dax-Konzern rund vier Milliarden Euro für Rückstellungen, Bußgeld und Rückrufkosten deshalb aufwenden. Das Nettoergebnis sackte um fast zwei Drittel auf 2,7 Milliarden Euro ab, nachdem der Gewinn schon 2018 um knapp 30 Prozent gesunken war. Aufsichtsratchef Bischoff erklärte, eine unabhängige Anwaltskanzlei untersuche, ob Vorstandsmitglieder für die Manipulation von Diesel-Abgasen verantwortlich sind. Aufsichtsrat und Vorstand wollten alles Erdenkliche tun, um die Sachverhalte aufzuklären und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.
Investmentfonds aus Deutschland kritisierten im Vorfeld des Aktionärstreffens die Diesel-Lasten und ein zu langsames Umstellen auf Elektromobilität. Sie kritisierten deshalb den Plan, den langjährigen Daimler-Chef und Källenius-Vorgänger Dieter Zetsche (67) im kommenden Jahr als Aufsichtsratschef zu installieren.