Daimler-Kleinwagentochter verliert Chefin Warum Annette Winkler bei Smart abtritt

Smart-Chefin Annette Winkler in einem Smart Brabus tailor made
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Auf der Bühne verkaufte sie ihre Kleinwagen-Marke ebenso energisch wie leidenschaftlich, in Interviews feuerte sie auch gerne mal eine Gegenfragen-Salve ab: Mangelnden Enthusiasmus für ihre Kleinwagenmarke konnte man Smart-Chefin Annette Winkler wirklich nicht vorwerfen.Nun hat die quirlige 58-jährige ihren Abgang als Smart-Chefin eingeleitet - ebenso überraschend wie unprätentiös. Per Pressemitteilung gab Daimler gestern bekannt, dass Winkler ab Ende September "ihre Aufgabe als Leiterin Smart beendet" . Einen Nachfolger wollen die Stuttgarter erst zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben.
Damit verliert Daimler eine Vorzeige-Managerin. Zwar saß Winkler nicht im Daimler-Vorstand. Doch auf Automessen trat Winkler häufig neben Daimler-Chef Dieter Zetsche ins Rampenlicht. In ihren acht Jahren als Smart-Chefin war Winkler wohl eine der weiblichen Führungskräfte bei Daimler, die am stärksten öffentliche Präsenz zeigten.
Knapp eineinhalb Jahre trennen die 58-jährige Winkler noch von ihrem 60. Geburtstag - jener Altersgrenze, zu der die Stuttgarter ihre Topmanager gerne Richtung Rente verabschieden. Für die Vorstandsspitze gilt das allerdings aktuell nicht: Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche ist aktuell 65 Jahre alt - sein Vertrag läuft noch bis Ende 2019.
Warum also der verfrühte Abgang von Winkler? Offiziell begründete die Smart-Chefin ihren Abschied so: Führungskräfte müssten den richtigen Zeitpunkt erkennen, an dem sie die Leitung an die nächste Generation übergeben. Und in ihrem Fall sei dieser Zeitpunkt nun gekommen.
Das klingt nach dem Grundsatz, besser dann zu gehen, wenn es am schönsten ist - oder zumindest noch halbwegs gute Bedingungen herrschen. Diese Version stützen Insider bei dem Stuttgarter Autobauer. Laut Informationen von manager-magazin.de soll Winkler bereits vor mehreren Wochen im kleinen Kreis erklärt haben, einen schnellen Abschied zu erwägen. Sie soll dies aus freien Stücken getan haben - wohl auch, weil die Vorzeichen für die kommenden Quartale für sie nicht allzu rosig waren.
Gegenwind für Smart frischt in kommenden Quartalen auf
Denn in den kommenden Monaten muss Smart, das lange Jahre das Sorgenkind der Stuttgarter war, mit einigem Gegenwind rechnen. Daimler will seine Kleinwagenmarke im Eiltempozur reinen Elektroauto-Marke machen - bis 2020 will Smart ausschließlich Fahrzeuge mit Batterieantrieb bauen. Die Nachfrage nach den E-Stadtwagen ist zwar europaweit und auch in Deutschland hoch.

Doch Smart bekommt laut den Kreisen aktuell zu wenige Batterien und Elektromotoren geliefert. Die Folge sind lange Wartezeiten: So ist die E-Smart-Produktion in Deutschland bereits für dieses Jahr - und für die ersten Monate 2019 komplett ausverkauft. Smart habe die Nachfrage unterschätzt und zu konservativ geplant, heißt es aus dem Konzern - und für die nächsten Quartale sei da nicht allzu viel zu machen.
Die große Umstellung auf E-Antrieb schlägt sich offenbar auch auf die Verkäufe konventioneller Fahrzeuge durch. Bis Ende April 2018 wurden gut 9 Prozent weniger Smarts verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Mit der Umstellung auf reinen Batterieantrieb werden die Smart-Verkaufszahlen in den kommenden Quartalen eher sinken oder bestenfalls stagnieren - ein Szenario, das für Winkler wohl nicht allzu attraktiv sein dürfte.
Dieses Probleme muss Winklers Nachfolger lösen, dieses Vermächtnis erbt er
Dazu steht bei Smart bis 2020 auch die Planungen für die nächste Generation des Kleinwagens an. Die aktuelle Version wird in Kooperation mit Renault gebaut und ist seit dem Jahr 2014 auf dem Markt. Winkler müsste also in den kommenden eineinhalb Jahren die vierte Generation des Smart anschieben. Die Früchte dieser Arbeit würde aber ihr Nachfolger ernten, wenn sie mit 60 in Rente geht.
Zu Ende ihrer Smart-Zeit für sinkende Verkaufszahlen geradestehen und noch mal eben eine neue Modellgeneration in die Wege leiten - darauf hat die Musikliebhaberin und frühere Bauunternehmerin Winkler keine große Lust.
Zumal sie auch noch eine andere Baustelle in China zu begradigen hätte. Denn gerade in Chinas Großstädten hätte der Elektro-Smart gute Absatzchancen. Aktuell wird er dort allerdings nicht verkauft. Der Grund: Bislang rollen die Smarts ausschließlich im französischen Hambach vom Band, auch in der Elektrovariante. Damit ist die Stromer-Version aber in China kaum verkäuflich. Denn seit einigen Jahren gilt in China die Regel, dass staatliche Elektroauto-Subventionen nur für Fahrzeuge gewährt werden, die großteils im Land gefertigt werden.
Winklers Vermächtnis findet sich in Frankreich
Zwar ist China mittlerweile der drittgrößte Markt für Smart. Doch auf mehr als ein paar zehntausend abgesetzte Stück pro Jahr kommt Smart im Reich der Mitte nicht. Und den Daimler-Controllern ist wohl bisher kaum beizubringen, für ein paar zehntausend Elektrowägelchen pro Jahr eine eigene, wohl millionenteure Fertigung im Land der Mitte hochzuziehen. Und noch eine Kooperation mit einem chinesischen Batterielieferanten obendrauf zu setzen. "Wir werden einen Weg finden", heißt es dazu aus dem Daimler-Konzern. Doch den muss wohl Winklers Nachfolger aufspüren.
Als Winkler die Marke Smart im September 2010 übernahm, lagen die weltweiten Absatzzahlen der Kleinwagen noch deutlich unter 100.000 Stück. Unter ihrer Leitung schnellten die Verkaufszahlen in mehreren Jahren deutlich über die 100.000er-Marke - und Winkler positionierte den knuffigen Kleinwagen als Lifestyle-Vehikel für eine jüngere Klientel. Das vor mehr als einem Jahrzehnt ausgegebene, ursprüngliche Absatzziel von 200.000 Smarts pro Jahr hat sie jedoch nie auch nur ansatzweise erreicht.
Eine Sache mit Bestand hinterlässt Winkler aber auf jeden Fall: In den vergangenen Jahren hat sie, so hört man aus dem Konzern, mit viel Energie für den Erhalt der Smart-Fabrik im französischen Hambach gekämpft. Das vor gut 20 Jahren erbaute Werk hatte lange eine Sonderstellung im Konzern, es war mit Augenmerk auf besonders ökologisch verträgliche Produktion und ausschließlich für die Smart-Fertigung gebaut. Besonders flexibel war es dadurch nicht - und deshalb auch von der Schließung bedroht.
Winkler hat sich dafür eingesetzt, dass das Werk eine Zukunftsperspektive erhält - und war erfolgreich: Daimler investiert nun eine halbe Milliarde Euro in den Standort, um dort künftig ein Kompaktwagen-Modell der konzerneigenen Elektroauto-Marke EQ zu fertigen. Das dürfte die Arbeitsplätze in Frankreich bis auf weiteres sichern - und ist wohl ein Stück weit Winklers Verdienst und Vermächtnis.