Die Krisenstrategien der Auto-Mobilitätsdienste Wie Moia, Clevershuttle & Co die Corona-Krise überleben wollen

Elektrobus des Sammeltaxidiensts Moia vor dem Hamburger Rathaus

Elektrobus des Sammeltaxidiensts Moia vor dem Hamburger Rathaus

Foto: Moia

Vor einem halben Jahr schien die Expansionswelt des Shuttlediensts Moia noch in Ordnung: Rechtsstreitigkeiten mit marodierenden Taxifahrern hatte das von VW gegründete Mobilitäts-Start-up aus dem Weg geräumt, von Mitte März bis Mitte Oktober 2019 hatten die 200 goldschwarz lackierten Moia-Elektrobusse 770.000 Fahrgäste quer durch Hamburg transportiert.

Die Moia-Flotte, so hieß es zur ersten Zwischenbilanz Mitte Oktober 2019, sollte bis Ende 2020 auf 500 Busse wachsen. Das Geschäftsgebiet vergrößerte das "Social Movement", wie sich Moia anfänglich selbst bewarb, von 200 auf 300 Quadratkilometer. Anfang März, so heißt es auf Anfrage des manager magazins, lag die Hamburger Moia-Flotte bereits bei 330 Fahrzeugen, die Zahl der insgesamt beförderten Passagiere überstieg die Zwei-Millionen-Marke.

Dann kamen die Ausgangsbeschränkungen der Coronavirus-Pandemie, die Zeit des "Social Distancing" statt des "Social Movement". Seither steht die Geschäftswelt nicht nur beim Shuttledienst Moia Kopf - sondern auch bei den Konkurrenten, die mit geteilten Fahrten oder Autos für Mobilität in Großstädten sorgen wollen.

Sie alle leiden unter kräftigen Buchungs- und damit Umsatzeinbrüchen. Sie manövrieren mit ähnlichen Strategien durch die Coronakrisen-Zeit, wie Recherchen von manager magazin ergaben. Von deutlichen Änderungen am Geschäftsmodell oder gar Rückzug aus Märkten wollen sie aber nichts wissen: Die neuen Auto-Mobilitätsanbieter setzen aufs Aussitzen, auf die eigene Flexibilität und darauf, dass die finanzstarken Investoren in ihrem Rücken nicht allzu unruhig werden. Und bislang funktioniert das sogar leidlich - anders als etwa bei den E-Scooter-Verleihern, die reihenweise Mitarbeiter freistellen.

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Bei Moia ist das Geschäft mit den via App buchbaren geteilten Fahrten zwar heftig eingebrochen. Bis Ende März waren die Shuttles im Hamburger Geschäftsgebiet noch regulär unterwegs, auch wenn dann nur mehr höchstens zwei Passagiere oder eine mehrköpfige Familie je Fahrzeug mitfahren durften. Seit 1. April wird Moia in einer Art Not-Modus betrieben: Die Shuttleflotte ist aktuell auf 100 Fahrzeuge dezimiert, die ausschließlich in der Zeit von 0 bis 6 Uhr buchbar sind. Damit wird Moia quasi zum Nacht-Kleinbus im Öffentlichen Nahverkehrsnetz. Die Shuttles sind mit Zeit- oder Einzelkarten des Hamburger Verkehrsverbunds kostenlos nutzbar, sonstige Fahrgäste zahlen vier Euro.

Viel Geld dürfte Moia mit dieser Notlösung nicht verdienen. Schließlich hat das Mobilitäts-Start-up für 800 seiner 1000 Beschäftigten Kurzarbeit beantragt. Moia wird vom Autoriesen Volkswagen finanziert und mit Elektro-Shuttles versorgt. Deshalb dürfte dem Shuttledienst wohl kaum so schnell das Geld ausgehen, wie sich auch aus Nachfragen entnehmen lässt. Man überprüfe "die Notwendigkeit der Maßnahmen regelmäßig", heißt es in einer Antwort-Mail des Moia-Pressesprechers. Moia werde sein Angebot wieder hochfahren, "wenn das öffentliche Leben in unsere Städte zurückkehrt und die Menschen unser Mobilitätsangebot wieder benötigen."

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Größere Änderungen plant Moia offenbar nicht: Man sei in Hamburg angetreten, um das Geschäftsmodell zu optimieren, heißt es vom Unternehmen. Bis zur Corona-Krise habe man erfolgreich einen Service mit wachsenden Fahrgastzahlen aufgebaut. "Wie in der Vergangenheit werden wir auch künftig unser Geschäftsmodell flexibel adaptieren, erweitern und gegebenenfalls neue Kooperationsformen testen." Den Fahrerbereich hat Moia aber nun per Folie vom Fahrgastraum abgetrennt, zudem werden die Fahrzeuge während jeder Schicht mehrfach gereinigt. Und jedes Fahrzeug hat Desinfektionsmittel an Bord.

Moias Konkurrent beim Ridesharing, der Anbieter Clevershuttle, hatte sich bereits vor der Coronakrise aus Hamburg zurückgezogen. Nun hat der Mobilitätsanbieter sein Angebot angesichts von Nachfrageeinbrüchen von bis zu 75 Prozent deutlich zurückfahren müssen. Fast die gesamte Belegschaft - mehrere hundert Mitarbeiter - sind auf Kurzarbeit gesetzt. Nur noch etwas mehr als ein Fünftel der 500 Wagen starken Flotte auf den Straßen unterwegs. Das eigentliche Geschäftsmodell Pooling, also das gleichzeitige per App gesteuerte Befördern verschiedener Fahrgäste, ist angesichts von Corona aktuell ausgesetzt.

"Ein harter Schlag, der uns ein halbes Jahr zurückwirft"

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Bei den Wagen, die noch unterwegs sind, hat Clevershuttle zwischen Fahrer und Fahrgäste mittlerweile Folien eingezogen oder Plexiglaswände installiert.

Ein" harter Schlag" sei die Krise, sagt Clevershuttle-CEO Bruno Ginnuth, "der uns ein halbes Jahr oder mehr zurückwirft". Mit der Deutschen Bahn und dem japanischen Mischkonzern Mitsui habe man aber starke Partner an der Seite, "die in den Grundfesten nicht an unserem Geschäftsmodell zweifeln" und mit denen man auch in Gesprächen sei und die "Finanzierung auch gesichert kriege", so Ginnuth.

Allerdings sind auch die Bahn und der japanische Konzern von der Krise betroffen - ebenso wie die Verlagshäuser, mit denen Clevershuttle auf Städteebene zusammenarbeitet. Bis es besser wird, setzt Clevershuttle auf sinnstiftende Partnerschaften, fährt etwa Shuttlefahrten für das Robert-Koch-Institut oder die Berliner Charité. An der Idee, dass sich über Pooling und umweltfreundliche Antriebe viele Probleme in den Städten lösen lassen, daran hat Ginnuth aber keinen Zweifel.

Im Oberklasse-Segment des städtischen Transportwesens, bei den Chauffeurdiensten, gehen die Einschätzungen über die Zukunft wohl weit auseinander. Der Fahrzeugvermieter Sixt etwa hat seinen exklusiven Limousinendienst, Sixt Executive genannt, im Zuge der Coronakrise still und heimlich beerdigt. Den rund 80 Mitarbeitern der Chauffeursparte wurde gekündigt.

Limousinendienst Blacklane will sämtliche Mitarbeiter halten

Auch der Limousinendienst Blacklane, bei dem der Autobauer Daimler mit Millionen investiert ist, hat auf Skelettbetrieb heruntergefahren. "Wir haben aktuell mehr als die Hälfte des Geschäftes verloren", so Blacklane-Chef Jens Wohltorf gegenüber manager magazin. Mehr als die Hälfte der rund 300 Beschäftigten in Deutschland sind in Kurzarbeit.

Auch die Aufträge an Partnerunternehmen, die für Blacklane Fahrgäste befördern, sind angesichts der geringeren Nachfrage entsprechend eingebrochen. Was diese natürlich vor riesige Probleme stellt. Dennoch hofft Wohltorf, sogar gestärkt aus der Krise hervorzugehen. "Wir haben einen guten Puffer, der uns weit bis ins nächste Jahr hineintragen kann", sagt er. "Und wir werden nicht einen unserer Mitarbeiter entlassen."

Beim Taxi-Rufdienst Free Now, der einst als myTaxi ebenfalls zu Daimlers Beteiligungen zählte, regiert hingegen erstmal der Rotstift: Free Now hat einen Teil seiner Mitarbeiter ab April in Kurzarbeit geschickt. Um kurzfristig auf die pandemiebedingten Umsatzverluste zu reagieren, wird das Unternehmen auch "Stellen in einem unteren dreistelligen Bereich" abbauen müssen, hieß es in einer Pressemitteilung.

Carsharing-Riese Share Now will nach der Krise weitermachen wie bislang geplant

Etwas zuversichtlicher scheint die Stimmung dagegen bei den großen Anbietern von stationsunabhängigem Carsharing in Innenstädten zu sein. Beim deutschlandweit größten Anbieter Share Now, dem Zusammenschluss von Daimlers Carsharing-Angebot Car2Go und BMWs Dienst DriveNow, ist zwar ein Teil der europaweit 500 Mitarbeiter starken Belegschaft in Kurzarbeit gegangen.

Den Betrieb hat Share Now aber bislang nur in Madrid ausgesetzt, in den restlichen europäischen Städten sind die per App buchbaren Fahrzeuge nach wie vor für sämtliche Kundengruppen verfügbar. Europaweit gebe es einen Rückgang bei den täglichen Fahrten, insbesondere in Frankreich, Italien und Spanien, heißt es auf Nachfrage. Dabei dürften die Buchungen um gut 50 bis 80 Prozent eingebrochen sein, schätzen Branchenkenner.

Share Now desinfiziert seine Fahrzeuge nun häufiger und versucht zugleich, Systemerhalter zu Kunden zu machen: Beschäftigte in der Gesundheitsversorgung, in der Exekutive, Rettungskräfte bis hin zu Supermarktmitarbeitern können nun für 30 Tage zum Selbstkostenpreis ein vormaliges Sharing-Auto mieten - das sie dann alleine statt gemeinsam mit anderen nutzen.

Rückzugspläne hat Share Now für die kommenden Monate nicht: Man habe sich bereits Ende vergangenen Jahres aus wenig profitablen Städten zurückgezogen, heißt es auf Nachfrage. So finden sich in nordamerikanischen Städten nun keine Share Now-Fahrzeuge mehr.

Weitergehende Schrumpfungspläne habe Share Now auch in der Post-Coronakrisenzeit nicht. Neue Städte wolle man in diesem Jahr aber nicht erschließen - sondern erstmal jene ausbauen, in denen man nun vertreten sei.

Sixt Share rollt sogar 1000 Fahrzeuge zusätzlich auf die Straßen

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Bei der Carsharing-Sparte des Autovermieters Sixt gibt man sich eher offensiv als defensiv: Die Sixt Share-Flotte sei nach wie vor in acht deutschen Städten verfügbar. Man habe nun sogar 1000 Fahrzeuge mehr im Sharing-Betrieb, teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit. Denn die Nachfrage nach flexiblen Fahrzeugbesitzmodellen sei gestiegen, Autos seien aktuell eine vergleichsweise sichere Alternative zum öffentlichen Nahverkehr.

Die Sharing-Fahrzeuge von Sixt würden regelmäßig gereinigt, Kontaktpunkte zusätzlich desinfiziert. Zwar rechnet Sixt insgesamt mit einem deutlichen Rückgang der Nachfrage durch die Auswirkungen der Corona-Krise. Doch nach der Krise geht Deutschlands größter Autovermieter von einem "erheblichen Nachholbedarf für Reisen und damit einer erhöhten Nachfrage für unsere Mobilitätsangebote" aus.

Auch Sixt bietet Systemerhaltern in der Krise besonders günstiges Vorankommen. Ärzte und Pflegekräfte können die Sixt-Sharingautos in Berlin, Hamburg und München aktuell kostenlos nutzen. Die mittel- und langfristigen Expansionspläne von Sixt Share  bleiben intakt, bekräftigt das Unternehmen.

Kurzfristig könne es jedoch zu "entsprechenden Anpassungen" kommen, solange es noch aktuelle Einschränkungen wie Ausgangssperren und die Stilllegung des Flugverkehrs gebe.

Anders gesagt: Zwar bleibt Sixt nach wie vor im Angriffsmodus - fährt aber erstmal auf Sicht.

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