Autozulieferer Continental will weiteres Werk schließen - 1800 Jobs betroffen

Baustelle: Corona- und Strukturkrise zwingen Continental zu verstärktem Jobabbau
Foto: Julian Stratenschulte / dpaDer kriselnde Autozulieferer Continental will wegen der Absatzkrise und des Strukturwandels in der Autoindustrie noch mehr Standorte schließen als bisher bekannt. In Aachen soll bis Ende 2021 das Reifenwerk dichtgemacht werden, bestätigte das Dax-Unternehmen am Dienstag nach entsprechenden Informationen aus der Gewerkschaft IG BCE. Betroffen wären 1800 Stellen. Endgültig beschlossen sei dies aber noch nicht; Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung laufen. Als Grund nannte der Dax-Konzern aus Hannover eine rückläufige Marktentwicklung bei Pkw-Reifen. Das Personal solle "so sozialverträglich wie möglich" abgebaut werden, Kündigungen seien aber nicht ausgeschlossen. Die Gewerkschaften kündigten Widerstand an.
Der mit hohen Verlusten kämpfende Zulieferer hatte erst Anfang September angekündigt, seinen laufenden Sparkurs und Konzernumbau zu verschärfen. Die Reifensparte gilt bisher allerdings auch noch als vergleichsweise profitabel. Aus der IG BCE kam daher heftige Kritik an den Plänen: "Der Kahlschlag ist weder mit der Transformation der Autoindustrie zu begründen, noch mit der Corona-Krise", erklärte das Vorstandsmitglied der Gewerkschaft, Francesco Grioli (48). "Das ist schlicht Streichen um des Streichens Willen." Christiane Benner (52) von der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Conti kritisierte die Ankündigung als kurzsichtige Antwort auf wirtschaftliche Probleme. Der Betriebsrat geht davon aus, dass Conti die Produktion an Niedriglohnstandorte im Ausland verlagern will.
Autobauer hatten ihre Fabriken im zweiten Quartal rund um die Welt wochenlang gestoppt, weil auch die Autohäuser wegen der Coronavirus-Gefahr schließen mussten und die Händler keine Fahrzeuge verkaufen konnten. Abrufe bei den Zulieferern wurden ebenfalls auf Eis gelegt. Conti hängt aber nicht nur mit Autozulieferteilen direkt von der Autoproduktion ab, sondern auch im Reifengeschäft mit der Erstausstattung neuer Autos.
Am stärksten waren die Umsatzeinbrüche bei den Hannoveranern im Geschäft unter anderem mit Elektronik, Sensorik und Bremssystemen, aber auch in der Antriebssparte. Das Geschäft mit Reifen und Kunststofftechnik kam etwas glimpflicher davon, verzeichnete aber ebenfalls einen starken Dämpfer mit minus einem Drittel.
Babenhausen, Karben, Mühlhausen, Roding droht das Aus
Im Rahmen seines Spar- und Umbauprogramms hatte das Management gerade seine Kürzungspläne konkretisiert und verschärft. An etlichen bedrohten Standorten geht es bisher aber vor allem um andere Geschäftsbereiche. Für das Werk Babenhausen in Hessen etwa hatte Continental bereits im vergangenen Jahr angekündigt, die dortige Produktion von Steuerungsinstrumenten für Pkw bis 2025 zu beenden. Das Werk in Karben mit 1100 Beschäftigten steht nach Angaben der Arbeitnehmervertreter ebenfalls auf der Streichliste - entschieden war dort nach Unternehmensangaben zuletzt aber noch nichts.
Im thüringischen Mühlhausen will sich Conti ebenso vom dortigen Standort trennen. Geplant ist die Schließung des Werks bis Ende 2022. Im bayerischen Roding soll 2024 die Produktion eingestellt werden. Auch in Italien und den USA stehen Werke vor dem Aus. Conti hatte erst Anfang September sein Sanierungsprogramm erweitert und stellt weltweit 30.000 Arbeitsplätze zur Disposition, davon 13.000 in Deutschland. Darin sind die Mitarbeiter in Aachen enthalten. Über die Pläne, das Reifenwerk zu schließen, hatte Conti aber noch nicht informiert.
Zulieferer Schaeffler schafft sich Raum für Kapitalerhöhung
Die schwächere Nachfrage in der Autoindustrie setzt sowohl dem Autozulieferer Continental wie auch dem Zulieferer Schaeffler zu. Obwohl beide Unternehmen getrennt agieren, ist die Schaeffler-Familie von der Branchenschwäche gleich doppelt betroffen: Ihre Familienholding besitzt sowohl die Mehrheit an Schaeffler als auch rund 45 Prozent an Continental. Die missglückte Übernahme von Continental hatte Schaeffler während der Finanzkrise an den Rand der Pleite gebracht, inzwischen hat die Familie die Anteile an Conti wieder reduziert.
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung von Schaeffler am Dienstag haben die Aktionäre eine mögliche Kapitalerhöhung von bis zu 200 Millionen neuer Vorzugsaktien genehmigt. Nach den Worten von Vorstandschef Klaus Rosenfeld (54) habe der fränkische Autozulieferer noch keine Übernahme im Visier, die er mit einer Kapitalerhöhung finanzieren würde. "Wir sehen diese Ermächtigung als reinen Vorratsbeschluss", sagte Rosenfeld laut Redetext. "Es gibt dafür bislang keine konkrete Transaktion, die wir im Blick haben und für die wir die Ausnutzung des genehmigten Kapitals in Erwägung ziehen." Schaeffler gehe es nur darum, Chancen auf Übernahmen auch in der Coronakrise nicht verstreichen lassen zu müssen. Deshalb habe man nicht bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung im Frühjahr warten wollen.
Mit der Kapitalerhöhung könnte Schaeffler im besten Fall mehr als eine Milliarde Euro einsammeln. Als Nebeneffekt ließe sich damit der Streubesitz erhöhen, wenn die Familie Schaeffler nicht mitziehen würde. Rosenfeld betonte, der Vorstand würde es "dabei immer begrüßen, wenn unsere Familiengesellschafter sich (...) an einer möglichen Kapitalerhöhung beteiligen würden". Die stimmberechtigten Stammaktien liegen vollständig bei Georg Schaeffler (55) und seiner Mutter Maria-Elisabeth (79), nur die Vorzüge sind an der Börse notiert.
Die IG Metall kündigte für Mittwoch einen bundesweiten Protesttag an den Schaeffler-Standorten an. "Standortschließungen und Verlagerungen an Billigstandorte werden wir nicht hinnehmen", erklärte der bayerische Bezirksleiter der Gewerkschaft, Johann Horn (62). "Betriebsbedingte Kündigungen müssen ausgeschlossen sein." Er warf dem Vorstand vor, die Krise zu nutzen, um den Profit zu steigern. "Wir erwarten, dass Schaeffler Verantwortung übernimmt und Beschäftigung sichert", etwa durch Arbeitszeitverkürzung und Kurzarbeit. Vorstandschef Rosenfeld sagte, die Coronakrise sei nicht der Auslöser des Strukturwandels, "aber sie beschleunigt und verstärkt diesen Wandel". Die Autoindustrie werde erst 2024 wieder auf dem Niveau von 2019 sein.
Wegen der Pandemie hatte Schaeffler die Präsentation seiner finanziellen Ziele für die nächsten vier Jahre im Frühjahr verschoben. Nun wird aus der "Roadmap 2024" eine "Roadmap 2025". Sie soll noch in diesem Jahr vorgestellt werden, wie Rosenfeld sagte.