Reifengeschäft soll Renditeperle bleiben Conti-Chef Setzer überrascht mit optimistischen Zielen

Hohe Ziele, aber kaum veränderte Strategie: Continental-Chef Nikolai Setzer
Foto: Peter Steffen / dpaBeim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental soll über die kommenden Jahre das Wachstum vor allem aus dem zuletzt schwächelnden Autozuliefergeschäft kommen. Der Dax-Konzern visiert dabei überraschend hohe Ertragsziele an - wobei das Reifengeschäft weiter die Renditeperle bei den Hannoveranern sein dürfte. Der neue Chef Nikolai Setzer (49) schärft derweil noch einmal den schon von seinem Vorgänger Elmar Degenhart (61) eingeschlagenen Kurs in Richtung Software und Vernetzung.
Die Conti-Aktie zog in einem starken Marktumfeld am Vormittag um rund 4,6 Prozent auf 118,35 Euro an. Ein Händler sprach von einer fortgesetzt guten Stimmung für Werte aus der Automobilbranche, zu denen die Nachrichten von Continental passten. Mit dem Kursplus rückt auch das bisherige Jahreshoch bei knapp über 120 Euro vom Jahresbeginn wieder in Reichweite.
Auf Konzernebene strebt Setzer mittelfristig ein Wachstum aus eigener Kraft - also ohne Wechselkurseffekte und Zukäufe gerechnet - von 5 bis 8 Prozent jährlich an, nachdem die schwächere Branchenlage und nun die Corona-Pandemie den Hannoveranern in den vergangenen Jahren die Geschäfte verhagelten. Bei der um Sondereffekte bereinigten Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern plant Conti mit 8 bis 11 Prozent, ohne die Antriebstechnik, die im kommenden Jahr in die neue Firma Vitesco abgespalten werden soll.
Hier hatten Analysten eher mit Werten am unteren Rand gerechnet. Goldman-Sachs-Expertin Gungun Verma hatte etwa die Marge des Konzerns ohne die Antriebssparte Powertrain für das Jahr 2024 zuvor auf 8,6 Prozent geschätzt. Jefferies-Analyst Sascha Gommel schrieb in einer ersten Reaktion, die neuen Mittelfristziele sähen auf den ersten Blick besser aus als erwartet.
Conti will auch durch Übernahmen wachsen
Das Autozuliefergeschäft soll mit 7 bis 11 Prozent durchschnittlichem Umsatzplus jährlich der Wachstumstreiber sein und damit auch 2 bis 4 Prozentpunkte stärker zulegen als der Markt. Die Antriebstechnik rechnet Conti auch hier schon nicht mehr dazu, der Konzern konzentriert sich künftig neben Bremsen und Innenraumteilen auf Elektronik, Sensorik und Software.
"Wir setzen künftig mit noch mehr Kraft und Mitteln auf unsere Wachstumsfelder und Zukunftstechnologien", sagte Setzer. "Die Software macht den Unterschied." Bei Hochleistungszentralrechnern für künftige Autos, wie sie etwa im Volkswagen ID.3 eingebaut werden, bezifferte Conti den Auftragsbestand mehrerer Hersteller auf derzeit rund vier Milliarden Euro.
Die Unternehmensteile, für die Conti sich Wachstum ausrechnet, könnten auch durch Zukäufe gestärkt werden. Die Bereiche mit dem Fokus auf Wachstum seien "sehr stark technologiegetrieben", sagte Finanzchef Wolfgang Schäfer (61). "Da werden wir sicher auch zukaufen müssen." Wie viel Geld Conti dafür vorhält, wollte er nicht verraten - allerdings soll das Unternehmen auch nach größeren Zukäufen in der Lage sein, seine Verschuldung im Rahmen der mittelfristigen Ziele zu halten. Der Einstieg in die Fertigung von Batteriezellen ist für Conti nach wie vor kein Thema, wie Setzer sagte.
Das Geschäft mit Reifen und Kunststofftechnik bleibt allerdings laut den Planungen der Gewinnbringer mit erwarteten operativen Margen von 11 bis 14 Prozent. 2019 erzielte Conti hier einen Wert von 12,4 Prozent, in den Jahren davor teils noch höher. Insbesondere in den Wachstumsmärkten Asien und Nordamerika will Continental bei den Reifen seine Marktanteile erhöhen. In Europa sei Conti hier schon stark, könne vor allem in Asien aber noch zulegen, sagte Setzer.
Stellenabbau "sehr bitter und schmerzhaft"
Beim anvisierten Großumbau, der in den kommenden Jahren weltweit bis zu 30.000 Stellen der zuletzt knapp 234.000 im Konzern betreffen dürfte, soll es Setzer zufolge trotz des heftigen Widerstands der Arbeitnehmerseite bleiben. Rund 13.000 Arbeitsplätze sollen allein in Deutschland abgebaut werden.
Bisher läuft die Verständigung mit den Arbeitnehmern über das genaue Wie und Wann des Umbaus allerdings mehr als holprig. Dass komplette - und laut Arbeitnehmerangaben profitable - Werke wie die Reifenfabrik in Aachen dichtgemacht werden sollen, sorgt für erheblichen Zündstoff unter dem Konzerndach. Die IG Metall etwa brach Anfang Dezember die Gespräche ab. Der Chef der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis (56), warf Chefaufseher Wolfgang Reitzle (71) vor, einfach durchzuregieren und drohte angesichts des Endes im Werk Aachen: "Dieser Stellenabbau wird teuer."
Setzer nannte die eingeleiteten Schritte dagegen auf dem Investorentag am Mittwoch "einfach unabdingbar aufgrund der Transformation und der Marktgegebenheiten". Auch für ihn seien die Pläne "sehr bitter und schmerzhaft". Es sei Ziel, Lösungen gemeinsam mit den Sozialpartnern zu finden und den Stellenabbau so klein wie möglich zu halten.
Conti droht erneuter Milliardenverlust
Der Stellenabbau war bereits von Setzers Vorgänger Degenhart in die Wege geleitet worden. Dieser hatte nach elf Jahren als Conti-Chef zuletzt kein glückliches Händchen mehr bewiesen. Schon vor der Corona-Pandemie türmten sich die Probleme. Dazu zählen die Schwäche des chinesischen Marktes durch den Zollstreit und Milliardenabschreibungen wegen trüberer Marktaussichten für die kommenden Jahre.

Fand nicht mehr in die Spur: Ex-Conti-Chef Elmar Degenhart
Foto: Thomas Frey / dpaSchon im vergangenen Jahr machte der Konzern 1,5 Milliarden Euro Verlust, in den ersten neun Monaten des Corona-Jahres kamen nochmals knapp 1,2 Milliarden Euro dazu. Degenhart hatte schließlich Ende Oktober seinen Rücktritt angekündigt - offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Doch bereits zuvor wurde nach Informationen des manager magazins nach einem möglichen Nachfolger für Degenhart gesucht.