Autozulieferer Conti verschärft Sparkurs und will noch mehr Jobs streichen

Absperrung vor der Baustelle für die neue Continental-Konzernzentrale in Hannover
Foto: Hauke-Christian Dittrich / DPAWer vor ein paar Tagen genau hinhörte, konnte es ahnen: Vor einer Woche gab der Autozulieferer Continental bekannt, die Dividende für das vergangene Geschäftsjahr kürzen zu wollen. "In dieser herausfordernden Situation sind eine starke Kapitalausstattung sowie ausreichend hohe Liquidität das oberste Gebot", erklärte Continental-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle damals trocken.
Nun zeichnet sich ab, dass es Conti nicht nur bei niedrigeren Dividenden und einem neuen Vergütungssystem für Vorstände belassen will. Der Autozulieferer plant offenbar eine weitere Verschärfung seines Sparkurses wegen der Coronakrise und will dabei wohl auch zu härteren Mitteln greifen.
Insidern zufolge warnt Conti bereits vor Stellenabbau mit betriebsbedingten Kündigungen. Das Unternehmen werde aller Voraussicht nach "einige 100 Millionen Euro sparen müssen. Das wird sehr schmerzhaft. Aber wir haben keine andere Wahl", sagte Konzernchef Elmar Degenhart mehreren Insidern zufolge in einem internen Video, über das auch die "Wirtschaftswoche" berichtete. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Kündigungen komme, sei "sehr, sehr hoch", sagte Degenhart.
Conti habe keine andere Wahl, als variable und fixe Kosten anzupassen. Ein Conti-Sprecher verwies darauf, dass es sich um eine interne Veranstaltung gehandelt habe und wollte sich nicht weiter äußern. Der Betriebsrat lehnte eine Stellungnahme ab.
Das Wirtschaftsmagazin berichtete darüber hinaus, Degenhart erwarte von der Politik keine weitere Hilfe. "Wir haben die Hoffnung aufgegeben, dass die Konjunkturpakete gut und effektiv genug sind, um kurzfristig Schwung in die Automobilindustrie zu bringen," sagte er demnach.
Reitzle warnt vor Kündigungen auch bei anderen Unternehmen
Den Segen von Aufsichtsratschef Reitzle, der auch als oberster Kontrolleur des Gaseherstellers Linde im Amt ist, hat Degenhart offenbar für solche Maßnahmen. Wie der Wirtschaftsjournalist Gabor Steingart in seinem "Morning Briefing berichtet", warnt Reitzle bereits mit deutlichen Worten vor Umwälzungen in der Branche.
"Ich kenne keine größere Firma, die diese Krise nicht nutzt, um ein sogenanntes Rightsizing vorzunehmen", soll Reitzle laut Steingart erklärt haben. "Alle müssen jetzt versuchen, den Break-even zu senken, also Fixkosten abzubauen."
Was das genau bedeutet, sprach Reitzle ebenfalls aus: "Auch die Unternehmen, die bisher sehr vorsichtig und sozial verträglich versucht haben, die Kostenstruktur zu verbessern, machen das krisenbedingt jetzt mit einem harten Schnitt. Deshalb wird es nun eine Konsolidierungsphase geben müssen - und keinen V-Aufschwung."
Pandemie trifft Conti mitten im Elektromobilitäts-Schwenk
Conti hatte bereits im März weitere Einsparungen angekündigt. Anfang Mai stellte der Autozulieferer wegen des wochenlangen Stillstands der Produktion alle Ausgaben und Investitionen auf den Prüfstand. Schon damals wollte der Dax-Konzern aus Hannover wegen der Unsicherheiten keine Prognose für das laufende Jahr abgeben.
Auch der Autozulieferer ZF will Stellen streichen, die Branche richtet sich bereits auf umfassende Jobabbauprogramme ein. Die aktuellen Querelen rund um VW-Chef Herbert Diess dürfte einen ähnlichen Hintergrund haben.
Die Pandemie trifft den Konzern mitten im Schwenk in die Elektromobilität. Im September hatte das Unternehmen Umschichtungen angekündigt, von denen binnen zehn Jahren weltweit bis zu 20.000 Arbeitsplätze betroffen sein werden. Etwa 7000 der mehr als 60.000 Stellen in Deutschland stehen in diesem Zusammenhang auf der Kippe. Werke sollen geschlossen werden, weil Teile für Benzin- und Dieselmotoren von den Autobauern weniger gefragt sind.
Das Sparprogramm, über das der Konzern nun mit den Arbeitnehmern verhandelt, soll nach Angaben aus Unternehmenskreise obendrauf kommen. Conti rechnet nicht damit, dass die Volumina in den kommenden fünf Jahren wieder das Niveau von 2019 erreichen werden. Deshalb hatten die Niedersachsen - wie andere Unternehmen aus der Automobilindustrie auch - auf eine Kaufprämie für Verbrenner gesetzt.
Seiner Enttäuschung darüber, dass diese nicht kommt, ließ der Betriebsrat freien Lauf. Betriebsratschef Hasan Allak kritisierte die SPD wegen ihrer ablehnenden Haltung scharf: "Wir sind enttäuscht, dass führende Sozialdemokraten trotz eines Austauschs mit Betriebsräten Grundsatzpositionen einnehmen und weitreichende Entscheidungen treffen, die negative Konsequenzen für hunderttausende von Beschäftigten haben", schrieb er der "Wirtschafts-Woche". Schadstoffarme Verbrenner würden schließlich noch mindestens zehn Jahre den Großteil der Produktion ausmachen.