Zulieferer emanzipiert sich von Daimler, VW und Co. Bosch will mit "Achse des Guten" Milliardenmarkt erobern

Elektrisches Achsantriebssystem von Bosch
Foto: Bosch
Der Dieselskandal hat auch den Zulieferer Bosch früh in Bedrängnis gebracht - schließlich hat der Stuttgarter Konzern die skandalumwitterte Motorsteuerung an Volkswagen, BMW und Daimler geliefert. Sie ermöglichte erst, die Abgase völlig unzureichend zu reinigen.
Doch so sehr Bosch auch in der alten Autowelt samt ihrer zum Teil schmutzigen Geheimnisse verhaftet ist, so sehr stellt sich das Unternehmen auf einen radikalen Wandel ein. Mehr noch: Der Zuliefer-Dino entwickelt sich zunehmend zu einem Vordenker von Zukunfts-Antriebskonzepten.
Nun hat Bosch so etwas wie eine "Achse des Guten" präsentiert, die den Zulieferer in die nächste Ära des Automobils katapultieren soll. Der neue, platzsparende Antrieb soll Elektroautos zum Durchbruch verhelfen - und damit einer potenziell sauberen und leisen Form der Fortbewegung. Ab 2019 soll die Achse in Serie vom Band laufen.
E-Achse ist leicht zu verbauen und lässt sich anpassen
Weil die Achse laut Bosch extrem einfach in Fahrzeuge verschiedener Art zu verbauen ist, scheint sie zudem geeignet, das Machtgefüge in der Autoindustrie zu verschieben. Mit der E-Achse aus Stuttgart soll es nämlich auf einmal vergleichsweise einfach sein, ein neues Fahrzeug zu konzipieren.
Besonders kleinere Firmen in China und an der US-Westküste hat Bosch im Visier, was die Stammkundschaft in der Heimat nicht unbedingt erfreuen dürfte. Wenn es nach Bosch geht, sollen sich aber auch die großen Hersteller künftig die Eigenentwicklungen für den Antrieb sparen und das Komplettsystem zukaufen - dann aber stärker auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten.
Geschäftsführer Rolf Bulander erhofft sich wirtschaftlich einen "großen Wurf" und Milliardenumsätze mit der E-Achse. "Die E-Achse kann in Hybride und Elektroautos, kleine Pkw, SUV und sogar leichte Nutzfahrzeuge eingebaut werden", so das Unternehmen.
Die E-Achse ist eine Kombination aus Motor, Getriebe und der zugehörigen Elektronik. Weil der Motor im Elektroauto einen viel größeren Drehzahlbereich abdecken kann, reicht im Vergleich zum Verbrenner ein stark reduziertes Getriebe. Da alle Teile eng beieinander platziert sind, wirken die Kräfte direkt als Vortrieb. Das sowie ein geringeres Gewicht spart Energie und erhöht letztlich die Reichweite eines batterieelektrischen Fahrzeugs.
Bosch emanzipiert sich von traditionellen Kunden - dort wächst Widerstand

Boschs neuer Hoffnungsträger wirft ein Schlaglicht darauf, dass ein Wandel zur Elektromobilität Aufbau und Architektur von Autos grundlegend verändern - und vereinfachen wird. Das zeigt sich schon jetzt an Fahrzeugen wie dem BMW i3, der gesparten Platz für Benzintank und Antriebsstrang den Insassen des Fahrzeugs zu Gute kommen lässt. Radikal geht auch Tesla vor: Anstatt eines Motors befindet sich unter der Vorderhaube ein zweiter Kofferraum.
Die Kalifornier spendieren vielen Fahrzeugen zudem zwei Motoren, einen vorn und einen hinten. Das ist möglich, weil Elektromotoren kleiner als Verbrenner sind und zu ihnen statt Benzin oder Diesel als Energiequelle nur elektrischer Strom durch ein Kabel transportiert werden muss. Daimler wiederum hat im Mercedes SLS AMG schon früh ein Konzept mit vier Elektromotoren verwirklicht, die in je einem Rad platziert sind.
Bosch schwingt sich auch auf anderen Feldern zum potenziellen Großprofiteur einer Elektro-Revolution im Straßenverkehr auf. Bei Motoren für Elektrofahrräder führen die Stuttgarter den stark expandierenden Markt in Europa an. Bei Elektro-Rollern bereitet sich Bosch als Motorenlieferant auf das erwartete Wachstum vor. Zudem ist der Zulieferer mit der Tochter Coup ins Roller-Sharing-Geschäft eingestiegen.

Als Zulieferer können sich womöglich auch Wettbewerber wie Schaeffler, Continental oder ZF schneller und mit geringerem Risiko auf einen Wandel in der Mobilitätswelt vorbereiten als die Autohersteller. So arbeitet Bosch bereits im großen Stil für US-Aufsteiger Tesla und liefert Selbstfahr-Technologie. Schaeffler setzt unter anderem ebenfalls auf E-Achsen, Continental auf Hochvolt-Technologien und ZF auf Getriebe für E-Autos auch neuer Anbieter.
Derartiger Opportunismus kommt bei manchem Autobauer und seinen Beschäftigten nicht gut an. Weil neue Wertschöpfungsketten Arbeitsplätze bei den Autobauern kosten dürfte, sind die dortigen Betriebsräte in der Regel wenig angetan. Bei Daimler etwa hatte es jüngst wochenlangen Streit um die Zukunft des Stammwerks Untertürkheim gegeben, bis die Unternehmensführung zusicherte, dass Batterien und Antriebssysteme für Elektroautos künftig in Eigenregie dort gebaut werden.