Carwow-Gründer Philipp Sayler von Amende "Viele Autohändler nehmen digitale Kunden zu wenig ernst"

In Deutschland wurden zwischen Januar und Juli 2019 knapp 2,2 Millionen Autos neu zugelassen
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Kein Feilschen mehr um Rabatte beim Autokauf, dafür aber ein Überblick über die Preise bei den lokalen Autohäusern: Mit diesem Konzept will das Start-up Carwow in Deutschland den Neuwagen-Kauf via Internet aufmischen. Nach Eingabe ihrer Marken- und Ausstattungswünsche erhalten Kunden per E-Mail maximal fünf Angebote lokaler Händler - statt deutschlandweit die höchsten Neuwagenrabatte aufzulisten.
In Deutschland, Großbritannien und Spanien hat Carwow so bisher Neuwagen im Wert von 5 Milliarden Euro vermittelt. Carwow-Deutschland-Chef Philipp Sayler von Amende sprach mit manager-magazin.de über seine Expansionspläne, sein Geschäftsmodell - und den digitalen Nachholbedarf im Autohandel.
manager-magazin.de: Herr Sayler von Amende, Ihr Start-up hat bei der jüngsten Finanzierungsrunde 28 Millionen Euro erhalten. Mit Daimler haben Sie nun auch einen neuen Großinvestor an Bord. In welche Projekte sollen die eingesammelten Millionen fließen?
Philipp Sayler von Amende: Wir wollen in drei Dinge investieren. Das sind zum einen die Mitarbeiter, um das Wachstum voranzutreiben. Zum zweiten ist es das Marketing. Wir machen seit diesem Jahr auch TV-Werbung, wollen diese und andere Kanäle aber noch weiter ausbauen, um die Marke aufzubauen und bekannter zu machen. Und zum dritten stecken wir das Geld vor allem in den Ausbau unseres Produkts. Im Herbst wollen wir in Deutschland etwa auch Leasingangebote stärker auf der Seite integrieren und bewerben. Bereits jetzt können Kunden Beispielrechnungen für Leasingraten sehen. Wir wollen es aber dem Kunden so einfach wie möglich dabei machen, wie er seinen Neuwagen bezahlt. Künftig wollen wir auch das Matching zwischen Bestell- und beim Händler verfügbaren Bestandsfahrzeugen weiter verbessern, damit wir dem Kunden immer das gesamte Angebot am Markt präsentieren können.

Philipp Sayler von Amende, 37, ist Mitgründer und Geschäftsführer von Carwow Deutschland. Die Vergleichs- und Kaufplattform für Neuwagen ging im Mai 2016 online. Saylers Eltern betreiben ein Autohaus, sein erstes Unternehmen gründete Sayler im Alter von 17 Jahren. Der studierte Betriebswirt und MBA-Absolvent arbeitete nach seinem Studium für Porsche, die Unternehmensberatung Arthur D. Little und das Weltwirtschaftsforum.
Auch bei Carwow erhalten Kunden eine Übersicht über Rabatte. Was unterscheidet sie denn da eigentlich von Neuwagen-Rabattportalen wie APL, MeinAuto oder Autohaus24, die bei Händlern und Herstellern nicht besonders beliebt sind?
Bei Vermittlern geht es nur um den Preis, und das deutschlandweit. Unser Ziel ist es, den Kunden Auswahl und volle Transparenz zu bieten. Unsere Kunden erhalten fünf Angebote je Anfrage. Sie erfahren so, was sie bei lokalen Händlern vor Ort zahlen und wie weit sich diese Angebote vom besten nationalen Preis unterscheiden. Damit erlangen Kunden eine gewisse Preissicherheit. Bei uns ist aber auch die Qualität der Händler im Fokus. Wir machen transparent, wie gut die Händler bewertet sind und berücksichtigen, wie gut sie verkaufen. Bei den reinen Vermittlern wissen Käufer bis zur Vertragsunterschrift nicht, von welchem Händler und wo in der Republik das Auto stammt. Bei uns erhält er lokale Ansprechpartner vom Händler.
Bei der jüngsten Finanzierungsrunde sind ja auch mehrere Autohändler-Gruppen bei Ihnen eingestiegen. Schaffen sie nun das, was die Händler selbst nicht zustande gebracht haben - nämlich ein vernünftiges Online-Angebot für den Neuwagenkauf?
"Rote Fahne geht hoch, wenn Händler nicht binnen Stunden antworten"
Ja, wir schaffen eine Digitalisierung des Autokaufs. Aber wir sehen das nicht als Entweder-Oder zu den Händlern, sondern als Ergänzung. Wir sind ein neutrales und markenübergreifendes Portal. Kunden können Neuwagen verschiedener Marken konfigurieren und auch kaufen. Das können Händler per se ja gar nicht markenübergreifend leisten. Die haben in der Regel ein oder zwei Marken im Portfolio, aber eben nicht alle. Auf der anderen Seite stimmt es natürlich, dass sich Hersteller und Händler in den letzten zehn Jahren wahnsinnig schwer getan haben mit der Digitalisierung. Die kämpfen heute noch damit.

Weshalb benötigen Online-Autokäufer noch Beratung vom klassischen Autohändler?
Im Gewerbebereich gibt es tatsächlich Kunden, die Neuwagen einfach so bestellen. Doch ein durchschnittlicher privater Autokäufer konfiguriert bei uns drei bis vier Modelle, bevor er seinen Neuwagen tatsächlich bestellt. Deshalb haben wir unseren Neuwagen-Konfigurator bewusst sehr einfach gehalten und das Thema Sonderausstattung in den Hintergrund gedrückt. Wir haben gelernt, dass die Kunden erstmal eine Marktübersicht bekommen wollen. Zum Thema Sonderausstattung wollen sehr viele noch eine Beratung im Kontakt mit dem Händler.
Was ist denn das große Ziel von Carwow? Wollen Sie zum Amazon des Neuwagenhandels werden?
Unser Ziel ist es schon, der führende Marktplatz im Neuwagenbereich in Europa zu werden, so wie es im Gebrauchtwagenbereich bei mobile.de oder autoscout24.de der Fall ist. Allerdings sind wir jetzt gerade mal im dritten Jahr auf dem Markt und brauchen noch etwas, um dieses Ziel vollständig zu erreichen. Wir haben aber nicht das Ziel, einen US-Konzern nachzuahmen, der sich auf schnell drehende Konsumgüter fokussiert. Dazu ist der Autohandel deutlich zu komplex und viel regionaler. Wir sprechen bei Autos ja doch über die zweitteuersten Güter, die man sich anschafft.
Carwow ist vor drei Jahren in Deutschland gestartet. Wie weit sind sie schon etabliert, und womit verdient Carwow sein Geld?
Auf Carwow entfallen aktuell 1,5 Prozent des Neuwagenmarktes. Pro Abschluss verdienen wir eine Gebühr von einheitlich 350 Euro. Als Marketinggebühr mag das natürlich bei einem Kleinwagen mehr als bei einem Porsche erscheinen. Aber Händler, die gutes Online-Marketing betreiben, geben schnell mal 800 bis 1000 Euro pro Auto dafür aus. Wenn sie das unserer Gebühr gegenüberstellen, sind wir günstig.

In Deutschland gilt der Autohandel nicht als sehr online-affin. Laut mehreren Studien scheitert ein guter Teil der Autohäuser selbst noch an so banalen Dingen wie einer rechtzeitigen und präzisen Antwort auf eine E-Mail-Anfrage. Wie stellen Sie eigentlich sicher, dass das bei Ihnen präsentierten Autohäusern anders läuft?
Das ist Teil unseres Modells. Wir werden nur bezahlt, wenn Autos verkauft werden. Meine Händlerbetreuer haben ein System, bei dem die rote Fahne hochgeht, wenn Händler nicht innerhalb von acht Stunden antworten. Da bekommt erst ein Kundenbetreuer von uns einen Anruf. Und wenn der nicht drangeht, dann die Vertretung und dann der Chef. Wir schulen und trainieren die Händler, die mit Carwow arbeiten auch, was wichtig ist und zu mehr Abschlüssen führt. Wenn die Händler das nicht sicherstellen können dann macht für uns auch die Zusammenarbeit keinen Sinn.
Welches Wissen fehlt aus Ihrer Sicht noch vielen Autohäusern?
Die digitale Kompetenz ist oft wenig bis gar nicht vorhanden. Viele wissen nicht, wie sie mit einem Kunden umgehen sollen, der digital reinkommt. Sie sind unsicher, wie sie ihn ansprechen sollen. Und sie nehmen ihn oft weniger ernst als jene, die persönlich im Autohaus vorbeischauen. Das sind Strukturen, die sich nicht so schnell umstellen lassen. Am Ende geht es auch um die digitale Offenheit der Mitarbeiter. Wenn der Chef des Autohauses nicht daran glaubt, dass digitale Absatzkanäle funktionieren, dann werden es die Mitarbeiter auch nicht glauben. Viele verstecken sich da hinter alten Stereotypen. Etwa, dass es online nur um den Preis geht. Oder dass Autokäufer schon noch den persönlichen Kontakt zum Händler wollen. Daran ist natürlich einiges wahr. Aber die Händler müssen es schaffen, diese Welten zu verknüpfen. Da liegen sie noch Jahre hinter anderen Branchen zurück.