Microsoft-Deutschland-Zentrale in München
Foto: DPAVor kurzem hatte Daimler mit Microsoft eine stärkere Zusammenarbeit bei Clouddiensten vereinbart, nun verkündete der weltgrößte Autohersteller Volkswagen Ähnliches: Die Wolfsburger werden mit Microsoft künftig umfangreicher als bislang geplant bei Clouddiensten aus dem Internet kooperieren.
Die auf Microsoft-Technik beruhende Volkswagen Automotive Cloud wird künftig nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in China angeboten, wie Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess und Microsoft-Chef Satya Nadella in Berlin ankündigten,
Volkswagen will künftige Auto-Generationen - vor allem die vollelektrische Modellfamilie ID - voll vernetzen und seinen Kunden digitale Mehrwertdienste anbieten. Der ID werde das erste Fahrzeug sein, das die Automotive Cloud nutze. "2020 wird er in Europa auf den Markt kommen. Im gleichen Jahr startet in China die Produktion", sagte VW -Chef Diess. In den USA werde ein Mitglied der ID-Familie von 2022 an vom Band rollen.
Bei ihren ersten Projekten für vernetzte Fahrzeugdienste wollen sich VW und Microsoft - wenig überraschend - auf Kommunikations- und Navigationslösungen sowie auf personalisierte Dienste fokussieren. Volkswagen hat sich für Microsoft entschieden, weil der Software-Konzern nicht mit VW um die Aufmerksamkeit des Fahrers buhle, erklärte Diess.
In dem via Internet übertragenen Gespräch mit Nadella erläuterte der VW-Chef auch die großen Herausforderungen, vor denen sein Konzern stehe. VW entwickle sich zu einer Software-Firma. "Das ist aber ein langer Weg", gab Diess zu. "Unsere Software-Fähigkeiten sind noch begrenzt, das ändert sich aber gerade." Volkswagen müsse zusätzliche Software-Kapazitäten schnell aufbauen. "Bei der Hardware sind wir schon ziemlich gut und spielen international in der ersten Liga. Die spannende Frage wird sein, ob wir bei der Software-Entwicklung auch so gut werden."
Umfassende Software-Updates sind für VW eine "ganz neue Welt"
Vor zwei Tagen hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche in einer Podiumsdiskussion mit Nadella einen ähnlich warnenden Ton für die Autobranche angeschlagen. Die Branche werde in zehn Jahren völlig anders aussehen, es werde eine Reihe völlig neuer Wettbewerber geben. "Wenn wir weiterhin nur das tun, was wir so gut gemacht haben, sind wir erledigt", warnte Zetsche. Es sei kein Naturgesetzt, dass Daimler ewig bestehe.
Diess gab nun gegenüber Nadella auch einen Einblick, vor welchen großen Schwierigkeiten Volkswagen in Zukunft stehe. So werde der Autobauer in Zukunft auch umfassende Software-Updates für die Fahrzeuge mit neuen Funktionen anbieten. "Das ist aber eine ganz neue Welt für uns," so Diess. Der Konzern muss dafür ein System entwerfen, dass tägliche oder sogar stündliche Updates verträgt.
Microsoft könne VW dabei viel helfen - auch weil der IT-Konzern bereits selbst eine starke Veränderung durchgemacht habe. In der Smartphone-Welt bräuchten die Hersteller manchmal mehrere Anläufe, bis ein Update richtig funktioniere. "Das können wir uns nicht leisten", so Diess.
Nadella sagte, Microsoft könne viel von der Automobil-Branche lernen, beispielsweise wenn es um den Betrieb von kritischen Systemen gehe. "Unternehmen wie Volkswagen können aber auch von der Software-Branche lernen, etwa was beispielsweise das Tempo der Veränderungen angeht."
Microsofts Auto-Dienste unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von Wettbewerbern wie etwa Android Auto oder Apple Car Play, hob Nardella hervor. Sein Unternehmen biete eine Plattform, auf der andere ohne Abhängigkeiten aufbauen sollten. "Ich will, dass unsere Partner mit unserer Hilfe unabhängig von Microsoft werden", so Nardella.
Dazu passt ja auch, dass Microsoft für Volkswagen kein Exklusivpartner ist. Die Wolfsburger kooperieren bei ihren Digitalisierungsplänen auch mit dem deutschen Spezialisten Diconium. Außerdem hat VW vom schwedischen Rivalen Volvo die Mehrheit am Telematikspezialisten WirelessCar übernommen. Der Automobilhersteller Audi , der zum VW-Konzern gehört, ist außerdem am Berliner Navigationsspezialisten Here beteiligt.
Neben Microsoft drängt mit Google ein weiterer klassischer Player der IT-Industrie in den Automobil-Markt. Apple wurden auch lange Zeit Pläne nachgesagt, massiv in die Automobil-Welt einzusteigen. Der iPhone-Hersteller hat sein "Project Titan" zuletzt aber wieder zurückgefahren.
Es wird der Startschuss für Volkswagens große Elektro-Offensive: Knapp 44 Milliarden Euro will der Konzern bis 2023 in Zukunftsthemen wie Elektroautos, autonomes Fahren und internetbasierte Mobilitätsdienste investieren. Das ist rund ein Drittel der Gesamtausgaben in den kommenden fünf Jahren. Für die letzte Fünf-Jahres-Periode 2018 bis 2022 hatte die Summe noch 34 Milliarden Euro betragen.
Volkswagen will damit das Innovationstempo erhöhen - und prüft die Beteiligung an einer Batteriefertigung. Der Aufsichtsrat entschied nun auch, welche Standorte welche Aufgaben übernehmen sollen: In Deutschland werden die Werke Zwickau, Emden und Hannover für die Produktion von Elektrofahrzeugen umgebaut. Bis 2025 sollen sämtliche Konzernmarken 50 neue, vollelektrische Modelle an den Start bringen - mit den folgenden Fahrzeugen will VW in die neue E-Ära starten.
Im kommenden Jahr will die Kernmarke VW die Serienproduktion des ersten Modells der neuen Elektroauto-Familie ID starten. Intern wird der Wagen als ID. Neo bezeichnet. Für den Kompaktwagen, der mit 4,10 Metern Länge etwas kürzer als ein VW Golf wird, verspricht VW einen Einstiegspreis auf dem Niveau eines vergleichbaren Golf-Dieselmodells (also wohl unter 25.000 Euro). Mit stärkstem Akku soll er zwischen 500 und 600 Kilometer weit mit einer Akkuladung kommen.
Der Neo, das erste Modell auf Basis der neuen Volkswagen-Elektroautoplattform MEB, wird zuerst im sächsischen Werk in Zwickau gebaut. Die Fabrik wird dafür für rund 1,3 Milliarden Euro umgerüstet. Die ersten Modelle sollen 2019 produziert werden, in den Handel kommt das erste Modell der ID-Familie Anfang 2020. Parallel zum Neo soll in Zwickau kurz drauf eine vom Neo abgeleitete E-Kompaktlimousine der Konzernmarke Seat vom Band laufen.
Voraussichtlich Ende 2020 soll das zweite Modell der ID-Familie in den Handel kommen: Ein Elektro-Crossover, der intern die Bezeichnung ID. Crozz trägt. Der bislang gezeigte Prototyp war 4,6 Meter lang, die Batterie im Konzeptwagen versprach rund 500 Kilometer Gesamtreichweite. Aber daran kann sich bis zum Marktstart noch etwas ändern. Zum möglichen Startpreis des Modells ist noch nichts bekannt.
Geplant ist aber wohl auch auf dem Crozz basierender Elektro-SUV für die Konzernmarke Audi, der ebenfalls in Zwickau vom Band laufen soll.
Volkswagen arbeitet mehreren Berichten zufolge auch an einem Elektro-Einstiegsmodell auf MEB-Basis in Größe des VW Polo, das unter 20.000 Euro kosten soll. Die Aufsichtsräte haben offenbar grünes Licht für das intern vorerst "MEB Entry" genannte Modell gegeben. Auf den Markt soll der E-Kleinwagens frühestens 2022 kommen, vom Band läuft er zuerst im VW-Werk Emden. Das Werk wird für die Elektroauto-Herstellung umgerüstet und soll künftig E-Kleinwagen und E-Limousinen mehrerer Marken fertigen.
Für 2022 plant VW auch den Produktionsstart eines Elektro-Busses in Tradition des VW Bulli. Prototypen des intern ID. Buzz genannten Fahrzeug hat VW bereits auf mehreren Automessen gezeigt.
Der Buzz-Prototyp ist rund 5 Meter lang und 2 Meter hoch - Beobachter rechnen aber damit, dass die Serienversion etwas kleiner ausfallen wird. Die ID Buzz-Prototypen hatten satte 374 PS Systemleistung an Bord. Ob es diese Werte in die Serie schaffen, ist noch nicht ausgemacht. Gebaut werden soll der elektrische Bulli-Erbe unter anderem im Nutzfahrzeugwek Hannover, das dafür umgebaut wird.
Auch eine Elektro-Limousine der Mittelklasse hat VW in Planung - das intern unter ID Aero firmierende Fahrzeug soll der Passat der Zukunft werden. Gebaut werden soll der Wagen unter anderem im VW-Werk in Emden, Fachmedien-Berichten zufolge soll er rund 4,8 Meter lang werden und innen Oberklasse-Platzverhältnisse bieten. Er soll 2023 auf den Markt kommen. Eine auf dem Genfer Autosalon gezeigte Studie namens ID Vizzion (im Bild) gibt erste Hinweise auf ein mögliches Design ...
... doch die 5,11 Meter Länge und das Innenleben des ID. Vizzion weisen eher in Richtung eines weiteren VW-Elektromodells, dessen Marktstart für 2024 erwartete wird: Das von den Wolfsburgern als ID. Lounge bezeichnete Oberklassemodell, das wohl größte Modell der ID-Familie werden dürfte. Anders als die Vizzion-Studie erwarten Beobachter aber eher ein Elektro-SUV in der Serienversion. Der Vizzion-Prototyp hatte einen 111 kWh großer Akku an Bord, der für bis zu 665 Kilometer Reichweite gut sein soll.