Premiumladen für Elektroautos Audis einsame Luxus-Lounge

Noch kein Kunden-Magnet: Audis einzige Lade-Lounge in Nürnberg.
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"So stelle ich mir Laden vor!" Anfang Januar zeigte sich Volkswagen-Chef Herbert Diess (63) in einem Video bei LinkedIn euphorisch . Gemeinsam mit Audi-Boss Markus Duesmann (52) hatte er am "Audi Charging Hub" an der Nürnberger Messe einen E-tron GT aufgeladen und lobte jetzt, die Idee einer Lounge, "um da die Zeit zu verbringen, finde ich super". Audi lockt seine Elektrokunden in Nürnberg in den ersten Stock zu Kaffee, Snacks und ein bisschen Werbung; die wohlwollenden Worte eines Vorstandsvorsitzenden sollten da Marketing-Pflicht sein. Doch die Aussage hatte Gewicht. Ein paar Monate zuvor hatte Diess das Lade-Joint-Venture Ionity für einen aus seiner Sicht wenig premium-liken Standort in der Nähe des Brenners gerüffelt ; und auch dort hält Volkswagen eine Beteiligung.
Mit der Idee des Luxus-Ladens für die Fahrer ihrer Elektroautos befassen sich Audi und Porsche schon seit anderthalb Jahren. Weit gekommen sind sie bislang nicht. Porsche-Chef Oliver Blume (54) und seine Leute planen eine Lounge an der Brenner-Autobahn, Kollege Duesmann will auch nur vorsichtig ausbauen.
Selbst die schnellsten Modelle benötigen an Schnellladern wie in Nürnberg fünf Minuten, um 100 Kilometer Reichweite aufzutanken; das Projekt des angenehmeren Wartens überzeugt zunächst. Die Resonanz falle "durchweg positiv" aus, heißt es bei Audi nach einem halben Jahr Nürnberg. Die Zahlen indes wecken Zweifel. An der Station könnten bis zu 80 E-Autos am Tag laden. Der Tagesschnitt liegt bislang aber nach Audi-Angaben bei 24, der Rekord bei 54. Jetzt sollen Zusatzangebote die Auslastung erhöhen. Eine Kooperation mit dem Lieferdienst Gorillas (Lebensmittel zur Ladesäule) und ein Besprechungsraum, so der Plan, könnten neue Kunden anlocken. Zu den Kosten für den Würfel in Nürnberg schweigt Audi. Klar ist: Rentabel ist die Pilotanlage nicht.
Wenn Audi im Herbst in Zürich und später im Jahr auch in Berlin und Salzburg Ladestationen eröffnet, wird es entsprechend weniger Luxus geben. In der Schweizer Metropole wird es nur vier Anschlüsse geben statt der sechs in Nürnberg; auf die Lounge wird gleich ganz verzichtet. Ebenfalls noch in diesem Jahr sind Standorte in Berlin und Salzburg geplant. Mit oder ohne Lounge? Unklar, vermutlich aber eher ohne. Für 2023 haben sich die Ingolstädter drei weitere, noch nicht näher definierte Standorte in Deutschland vorgenommen, 2024 sollen acht Lade-Hubs hinzukommen. Audi will sich eher auf urbane Gebiete konzentrieren, die Kollegen von Porsche auf Autobahnen.
Insgesamt dürfte der Wettbewerb im Ladegeschäft angesichts der Prognosen für den Verkauf von Elektroautos eher zunehmen; auch die Konkurrenz experimentiert mit Premiumangeboten. So ergänzt Tesla erste Supercharger-Stationen mit Lounges. Polestar testete von Februar bis April in Irschenberg an der Autobahn A8 einen "Powerstop" und lud die Kunden zu Probefahrten vor Ort.
Auch im weniger noblen Umfeld entbrennt unter den Automobilherstellern ein Wettkampf um die Ladevorherrschaft. Volkswagen ist beispielsweise Kooperationen mit Iberdrola oder BP eingegangen, die Opel-Mutter Stellantis will bis 2025 europaweit 15.000 Ladestandorte erschließen. Zu den Wettbewerbern in jenem Umfeld gehören aber auch branchenfremde Anbieter wie EnBW, Fastned oder Chargepoint.
Bei Audi hoffen sie darauf, einerseits mit dem Stromverkauf ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Vor allem aber sollen die Stationen den Automobilabsatz anzukurbeln. "Laden ist nicht unser Kerngeschäft", sagt der bei Audi zuständige Ewald Kreml. "Unser Konzept soll auch dabei helfen, dass sich Kunden für einen Audi entscheiden und nicht für einen Mercedes oder BMW."
Für den Fall, dass die Idee des angenehmeren Wartens sich am Ende nicht durchsetzt, haben die Ingolstädter jedenfalls vorgesorgt: die Konstruktion in Nürnberg lässt sich ohne größeren Aufwand wieder abbauen.