Auto Europa Von Staaten und Jokern

Hoffnungsträger BMW i3: Bislang kaufen nur Kunden in Japan, den USA und Frankreich Elektromobile in größeren Mengen
Foto: BMWNoch ist der Absatz sehr übersichtlich: 2956 Elektroautos verkaufte die Branche 2012 in Deutschland. Auch die Verkaufszahlen von Januar bis April 2013 deuten nicht gerade auf einen Verkaufsboom hin. Wolfgang Bernhart, Automobilexperte der Unternehmensberatung Roland Berger, sieht im Interview mit manager magazin online trotzdem nicht schwarz. Sein Index Elektromobilität lässt Raum zur Hoffnung.
mm: Herr Bernhart, im Vergleich vor allem zu Japan und teilweise auch zu Südkorea scheint das Geschäft mit der Elektromobilität hierzulande noch arg unterentwickelt. Wie schwierig wird es für die deutschen Unternehmen, diesen Rückstand aufzuholen?
Bernhart: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Schauen Sie sich zunächst die gesamte Industrie an, also inklusive Zulieferern und sogar Batterieproduzenten. Da liegen Japan und die USA deutlich vorne, und auch Korea rangiert vor der deutschen Automobilbranche. Ähnlich ist es mit dem Absatz von Elektroautos. Auch hier gilt: Japan ist die führende Nation. Ansonsten kaufen nur die Kunden in den USA und Frankreich Elektromobile in größeren Mengen.
mm: Japaner und Amerikaner als die neuen Grünen?
Bernhart: Nicht wirklich: In Japan hat sich Toyota den Markt mit dem sehr frühen Hybridmodell Prius selbst geschaffen; in den USA hat die Regierung unter Präsident Barack Obama sowohl Entwicklung als auch Produktion und Absatz mit entsprechenden Fördermaßnahmen massiv angeschoben.
mm: Wie gravierend ist die Zurückhaltung der Deutschen - inklusive der mangelnden Subventionierung durch die Bundesregierung - für die heimischen Hersteller?
Bernhart: Deutsche Autobauer verkaufen längst viel mehr Autos im Ausland als auf dem Heimatmarkt. Insofern wundert es kaum, dass sie auch weniger Elektroautos in Deutschland verkaufen. Andererseits macht es ausländische Kunden oft stutzig, wenn ein Unternehmen auf dem Heimatmarkt keine guten Verkaufszahlen vorweisen kann.
mm: Wenn Sie sich die Entwicklung der Elektromobilität insgesamt anschauen: Wo können die Deutschen mithalten?
Bernhart: Vor allem im vielleicht wichtigsten Segment unseres gemeinsam mit der Aachener Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen entwickelten Index Elektromobilität: der Technologie. Da bewerten wir zum einen die Leistungsfähigkeit und das Preis-Leistungs-Verhältnis der Autos, aber auch die Programme, mit denen die nationalen Regierungen Forschung und Entwicklung unterstützen. Gerade im Preis-Leistungsverhältnis schneiden die Angebote der deutschen Hersteller im weltweiten Vergleich sehr gut ab.
"Wir setzen die Koreaner bei der Technologie auf Rang eins"
mm: Aber wo sehen Sie die Autos der deutschen Hersteller? Mercedes lässt die Besteller seines Elektro-Smarts monatelang warten, weil die eigene Batteriefabrik zu viel Ausschuss produziert. Opel versteckt seinen technisch beeindruckenden Ampera vor den Kunden, weil die Rüsselsheimer kein Geld damit verdienen. Und BMW, Volkswagen und Audi haben noch keine Elektroautos im Handel.
Bernhart: Das mag sein. Aber erstens beweisen der Smart und der Ampera, dass es möglich ist, überzeugende Elektroautos zu bauen. Und zweitens dauert es nicht mehr lange, dann bringt BMW seinen i3 auf den Markt. Und VW wird bald den Kleinwagen up und den Bestseller Golf in Elektrovarianten präsentieren.
mm: Sie bewerten auch Autos, die noch nicht auf dem Markt sind,...
Bernhart: ...aber bald kommen werden oder zumindest bald kommen sollen. Die Koreaner zum Beispiel schaffen es offenbar noch immer nicht, die von ihnen angekündigten Fahrzeuge wirklich auf den Markt zu bringen. Wir setzen sie trotzdem bei der Technologie auf Rang eins. Die angekündigten Modelle werden international technisch führend sein. Das gilt für den Hyundai BlueWill, einen Plugin-Hybrid, der 30 bis 50 Kilometer elektrisch fahren kann; und genau so für den Kia Ray, der ohne zusätzlichen Verbrennungsmotor geplant ist.
mm: Trotzdem, nicht nur die koreanischen Hersteller halten sich zurück. Die gesamte Branche scheint in den Leerlauf geschaltet zu haben.
Bernhart: Das ist auch nachvollziehbar. Die Hersteller bekommen für Elektromobile im Durchschnitt nicht genug Geld. Insbesondere die Batterien sind noch immer sehr teuer. Verlangen die Unternehmen kostendeckende Preise, wird es für die Käufer unrentabel. Die Autos kosten dann so viel, dass Sie die Aufpreise über die gefahrenen Kilometer und den Betrieb mit billigem Strom kaum ausgleichen können. Und so stehen die Hersteller vor einem Dilemma. Einerseits will keiner Serienmodelle auf den Markt bringen, die sich weder zu Bestsellern entwickeln noch hoch profitabel sein werden. Die Folge: Unsere weltweiten Produktionsprognosen sind klar rückläufig.
mm: Andererseits...
Bernhart: ... müssten die Autokonzerne ihre Kunden mit hochwertigen und möglichst auch schicken Modellen davon überzeugen, dass Elektroautos eine echte Alternative sind. Wie wollen deutsche Automobilhersteller ansonsten die Vorgaben der EU für das Jahr 2020 erfüllen? Um einen Flottendurchschnitt von 95 Gramm CO2 pro gefahrenen Kilometer zu erreichen, benötigen sie gerade für große Modelle der Ober- und Luxusklasse mindestens Plugin-Hybrid-Antriebe.
mm: Mercedes hat gerade für die neue S-Klasse diverse Hybrid- und Plugin-Varianten angekündigt.
Bernhart: Das ist richtig, denn es dauert in der Regel eine ganze Weile, bevor Sie die Käufer von der Zuverlässigkeit einer Technologie überzeugt haben.
Zukunft der Technologie hängt von drei Jokern ab
mm: Die von Ihnen sehr hoch eingestuften Koreaner glänzen bislang auch nicht gerade mit einer breiten elektromobilisierten Modellpalette.
Bernhart: Die südkoreanische Autoindustrie profitiert sehr stark von einheimischen Elektronikkonzernen wie Samsung und LG. Dank solcher Großanbieter und deren technischer Stärke dürften die Südkoreaner bei der Batterietechnik noch länger vorne bleiben. Ähnlich ist es in Japan zum Beispiel mit Toshiba und Panasonic. Da gibt es in Deutschland wenig Vergleichbares.
mm: Bosch hatte überlegt, gemeinsam mit dem damaligen Partner Samsung ein großes Batteriewerk in Deutschland zu bauen, von hier aus zum Beispiel Volkswagen zu beliefern.
Bernhart: Das Joint Venture ist aufgelöst, Bosch hat seine Pläne mindestens bis zum Ende dieses Jahrzehnts verschoben. Es wird schwer werden, den Vorsprung der asiatischen Länder aufzuholen.
mm: Herr Bernhart, zum Abschluss Ihre Prognose: Wie wird sich die Elektromobilität weiter entwickeln in den kommenden zwölf Monaten?
Bernhart: Kurzfristig bin ich eher skeptisch. Langfristig wird sich die Technologie aber nach und nach durchsetzen. Wie schnell die Kunden und auch die Hersteller sich für Elektroautos begeistern werden, hängt auch von drei Jokern ab.
mm: Joker?
Bernhart: Zunächst der Ölpreis: Stellen Sie sich vor, zum Beispiel die US-Regierung fördert die neue Fracking-Technik massiv und stabilisiert so den Ölpreis. Der Kostennachteil alternativer Autoantriebe bliebe dann erhalten. Die zweite Frage ist: Wie sicher sind die in Autos eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien? Sollte es zu weiteren Batteriebränden in Testwagen oder Flugzeugen kommen, würden die Kunden das noch nicht richtig gewonnene Vertrauen schon wieder verlieren.
mm: Und dann ist da noch die Frage, wo die Elektromobilisten ihre Batterien überhaupt auftanken sollen, wenn sie nicht gerade in der heimischen Garage geparkt haben ...
Bernhart: ... genau, das ist Joker Nummer drei. Zwar gibt es bereits Ladesäulen. Sie sind auch technisch gut und bezahlbar. Aber die Hersteller müssten sich dringend auf ein einheitliches System einigen. Was nützt es, wenn Deutschland, Frankreich, China und Südkorea ihre Ziele klar formulieren, sich aber nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen? So bleibt es schwierig: Hohe Planungsunsicherheit und lange Amortisationsphasen sind nicht die besten Voraussetzungen dafür, viel Geld in ein einigermaßen dichtes Netz von Ladestationen zu investieren.