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Elektroautopionier: Mit welchen Stromern Tesla auffährt

Foto: Tesla Motors

Konkurrenz für BMW und Co. Wie gefährlich ist Tesla?

Elektroautobauer Tesla schreibt schwarze Zahlen und hat sich in die erste Liga des US-Luxuswagensegments katapultiert. Firmenchef Elon Musk wildert damit im Hoheitsgebiet von BMW, Mercedes und Audi. Auf Dauer kann das die deutschen Platzhirsche nicht kalt lassen.
Von Nils-Viktor Sorge und Wilfried Eckl-Dorna

Hamburg - Tesla-Chef Elon Musk gibt sich gern als großer Verehrer deutscher Autos. "Eine der erlesensten Luxuslimousinen der Welt" sei die S-Klasse von Mercedes, lobte der Chef des kalifornischen Elektroauto-Bauers gerade die Schwaben, die an Tesla beteiligt sind. Und so garantiert Musk Käufern seines Model S nach drei Jahren einen Restwert, der sich exakt an dem der Stuttgarter Prestige-Limousine orientiert.

Die respektvolle Haltung des Milliardärs steht allerdings im krassen Gegensatz zu seinen hochfliegenden Plänen, bald 100.000 Autos im Jahr zu bauen und damit insbesondere die deutschen Premiumhersteller zu ärgern. Dass Musk Worten oft Taten folgen lässt, zeigt er erneut dieser Tage. Im ersten Quartal hat Tesla mehr Autos verkauft als erwartet, die Firma schreibt schwarze Zahlen. Die nächste Zwischenetappe - 20.000 Autos im laufenden Jahr - dürfte Tesla locker schaffen. "Wir sind praktisch ausverkauft", sagt der Chef.

In Stuttgart, München oder Ingolstadt jucken die Erfolgsmeldungen aus dem Silicon Valley offiziell niemanden. Er glaube nicht an das Elektroauto, betonte zuletzt erneut Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch. Und was sind schon 20.000 oder 100.000 Autos, wenn auch im Premiumsegment? Und wie soll es ein Start-up aus Palo Alto auch langfristig mit den Heerscharen deutscher Autoingenieure von BMW , Daimler  oder Audi  aufnehmen?

"Ein Automobilunternehmen, das unter 100.000 Einheiten verkauft, wird sich schwer tun und ist letztlich immer auf Dritte angewiesen, die finanzielle Unterstützung gewähren können", wiegelte auch Porsche-Chef Matthias Müllerim Interview mit manager magazin online ab, allerdings bevor Tesla die eigene Profitabilität verkündete. Einen Markt für Premiumelektroautos sieht Müller eher nicht. "Die Frage ist, wie viele Käufer wirklich bereit sind, aus ökologischen Gründen erheblich mehr Geld auszugeben."

In Kalifornien liegt Tesla bereits weit vorn

Doch sind es ökologische Gründe, die Käufer zuletzt für Tesla begeistert haben? Offenbar nur zum Teil. Die einflussreichen US-Zeitschriften Motor Trend und Automobile Magazine, die das Model S zum Auto des Jahres 2013 kürten, begründeten die Wahl vor allem mit außerordentlichen Fahreigenschaften der 87.000-Dollar-Limousine mit bis zu 480 Kilometern Reichweite, die einen Porsche Panamera in der vergleichbaren Preisklasse oder auch mal einen BMW M5 abhängt .

Auch das Kriterium Sportlichkeit hat wohl seinen Anteil daran, dass das Model S im US-Markt für Luxuslimousinen inzwischen in einer Liga mit den dominierenden deutschen Herstellern spielt. Etwa 2000 Stück liefert Tesla derzeit monatlich in den USA aus. BMW verkaufte aus der 5er-Reihe im März 5300 Fahrzeuge, Mercedes 4000 Wagen der E-Klasse - bei beiden Modellen ging der Absatz im ersten Quartal entgegen dem allgemeinen Trend zurück. Audi legte beim A6 dagegen zu - im März auf 1750 Stück.

In Kalifornien, dem größten US-Markt, verkauft Tesla Branchenkennern zufolge etwa jedes zweite Model S, das mit den Deutschen dort bereits um die Spitzenposition streitet. "Die kalifornischen Kunden sind sehr technikaffin", sagt Autoexperte Wolfgang Bernhart von der Unternehmensberatung Roland Berger. Teure Elektroautos passten gut in das von der IT-Branche geprägte Umfeld - nicht zuletzt, weil die Stromer sich mit intelligenter Software gut vom Smartphone aus überwachen lassen.

Elektro-Konkurrenz für Tesla ist weit und breit nicht in Sicht

"Wenn sich die Elektroautos in Kalifornien gut verkaufen, ist es denkbar, dass sich der Erfolg auf den Rest des Landes ausbreitet", sagt US-Autoexperte Tom Libby vom Automarkt-Datenspezialisten Polk. Die Vorreiterrolle habe sich schon bei Hybriden gezeigt.

Vor dem Model S hatte hat es kein Elektroauto in einem Segment auf Augenhöhe mit etablierten Herstellern gebracht. "Im Premiumsegment befriedigen Elektroautos das Bedürfnis nach Individualität", sagt Bernhart.

"Kunden sind offenbar bereit, dafür etwas mehr zu bezahlen. Es ist eine Nische entstanden, die nicht mehr bloß mit dem Mikroskop zu erkennen ist", sagt Bernhart, der aber noch keine direkten Auswirkungen für die deutschen Premiumhersteller erkennen kann.

Laut US-Experten wächst der amerikanische Markt für Premium-Elektroautos jedoch weiter. In den kommenden drei Jahren werde der Absatz von 14.500 auf 71.000 steigen, erwarten die Marktspezialisten von LMC Automotive.

Einzig BMW-Chef Reithofer ist optimistisch in Sachen E-Autos

Welche Rolle die deutschen Hersteller dabei spielen werden, ist offen. "Wenn sich Elektro-Luxusautos in den USA etablieren, müssen BMW, Mercedes oder Lexus nachziehen", sagt Polk-Mann Libby.

Die meisten deutschen Konzernverantwortlichen geben sich zurückhaltend. Einzig BMW-Chef Norbert Reithofer wies jüngst darauf hin, dass sich bei der Elektromobilität in Kalifornien einiges tue. Reithofer ist allerdings auch daran interessiert, dass das Thema wieder etwas Schwung bekommt - im Herbst stellt BMW seinen ersten Elektrowagen, den kompakten i3 vor.

Immerhin setzen alle deutschen Hersteller im Luxussegment auf Plug-in-Hybride. Gerade hat Porsche eine Steckdosen-Version des Panamera vorgestellt. Doch bei reinen Batteriefahrzeugen bleibt Tesla allein auf weiter Flur. "Es zeichnet sich nicht ab, dass weitere reine Elektroautos in dem Segment auf den Markt kommen", sagt Bernhart.

Die Frage ist aber, ob der Elektropionier das Tempo halten kann. Noch lebt der Autobauer von seinem großen Bestand an Reservierungen. Auf die entscheidende Frage nach den Neubestellungen antwortet das Unternehmen erst im Mai. Zuletzt hatte ein verheerender Fahrbericht der New York Times  Stornierungen provoziert. Musk warf dem Autor vor , er habe die Batterie des Model S absichtlich leer gefahren, um ein Foto mit Abschleppwagen machen zu können.

Zugute kommt Tesla derzeit die starke US-Nachfrage nach Luxusfahrzeugen, meint Jörn Buss, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman. In den Krisenjahren sei der Absatz von Luxuslimousinen deutlich eingebrochen, erklärt Buss, der seit zwölf Jahren in Detroit arbeitet.

Geht Teslas Internet-Vertriebsstrategie auf?

Nun wandere der Markt wieder nach oben. "Das hilft Tesla auf jeden Fall", sagt er. Die Auslieferung von 2000 Fahrzeugen pro Monat und das Erreichen der Gewinnzone seien positive Entwicklungen, meint er. Doch es sei noch zu früh, um Tesla tatsächlich auf Augenhöhe mit deutschen Luxuslimousinen zu sehen.

"Das sind noch alles kleine Nadelstiche", meint auch Christoph Stürmer vom Beratungsunternehmen IHS Automotive. Noch könne man nicht davon sprechen, dass Tesla in seinem Segment etwa Mercedes verdränge. Teslas Model S sei ein Fahrzeug, dass man sich kaum als Erstfahrzeug kaufe - sondern eher als Ergänzung.

Zu bürgerlichem Wohlstand in den USA gehören auch mehrere Fahrzeuge pro Haushalt. Einen Tesla leiste man sich etwa anstelle eines schicken Sportwagen - zusätzlich zum bereits vorhandenen Geländewagen mit Verbrennungsmotor.

Das 87.000-Dollar-Zweitfahrzeug

In einem Punkt sind BMW, Mercedes und Audi den Kaliforniern zudem weit voraus. Die deutschen Autohersteller haben über Jahrzehnte ein dichtes, USA-weites Händlernetz aufgebaut, über das Service und Wartung der verkauften Fahrzeuge läuft.

Als Startup kann Tesla da nicht mithalten. Zumal sich Tesla dabei für einen eigenen Weg entschieden hat. Die Luxus-Stromer werden nicht über bereits etablierte Händler vertrieben, sondern ausschließlich in Tesla-eigenen Showrooms gezeigt und über das Internet verkauft. Und die liegen auch nicht in Industriegebieten am Rand von Städten, sondern sind in noblen Shoppingcentern zu finden.

Für Teslas Vorgehen gibt es gute Gründe. Denn Elektroautos bestehen aus weniger Teilen als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und sind deshalb auch wartungsärmer. Da Autohändler vor allem an Reparaturen verdienen, haben sie wenig Interesse am Verkauf von Stromern.

"Tesla könnte vom eigenen Erfolg überrollt werden"

Trotzdem hat sich Tesla bereits rechtlichen Ärger mit den etablierten US-Händlerketten eingehandelt. Denn sie fühlten sich von Tesla übergangen. Zudem gibt es in den USA gesetzliche Regelungen, die einem Automobilhersteller den eigenen Vertrieb seiner Fahrzeuge erschweren.

Tesla hat sich jedoch vor Gericht durchgesetzt, denn die Kalifornier haben eine Lücke gefunden. Da sie eine komplett neue Marke sind, gibt es bisher auch kein Händlernetzwerk, argumentierte Tesla - und damit auch keine Benachteiligung von Autoverkäufern.

Die Richter sind dieser Argumentation für das Erste gefolgt. Doch sollte Tesla wie geplant stark wachsen, dürfte es wohl weitere Auseinandersetzungen vor Gericht geben. "Die Vertriebsorganisation von Tesla ist eine der großen Risiken", meint Autoexperte Stürmer. "Es besteht die Gefahr, dass Tesla vom eigenen Erfolg überrollt wird".

Eine funktionierende Handelsorganisation ist einer der Knackpunkte für den langfristigen Erfolg, meint Stürmer. Diese Aufgabe sei neben einer funktionierenden Massenproduktion eine der großen Herausforderungen, die Tesla nun bewältigen müsse.

Musks jüngster PR-Coup geriet zum Flop

Vor diesem Hintergrund erscheint Musks jüngster PR-Coup nicht ganz so schillernd wie von ihm selbst erhofft. Mit verheißungsvollen Tweets hatte er für eine Telefonkonferenz geworben; aufregende Nachrichten seien zu erwarten - nur um dann das neue Leasing-Programm des Autobauers vorzustellen. Möglicherweise soll dieses einen dringend benötigten Schub bei Neukunden bringen, auch wenn Musk sich zufrieden über die Nachfrage äußerte.

Aus Sicht von Experten muss Tesla mittelfristig 40.000 Wagen im Jahr verkaufen, um die Entwicklung von künftigen Projekten zu finanzieren - darunter ein Modell für den Massenmarkt, das es mit dem BMW 3er aufnehmen soll. Und auch dann dürfe sich das Unternehmen keinen Fehler leisten, sagt Morgan-Stanley-Analyst Adam Jonas.

Musks Truppe muss nun beweisen, dass sie die vollmundigen Versprechen ihres Chefs weiterhin halten können. Einfach wird das nicht. Doch die bisherigen Erfolge dürfte den deutschen Premiumherstellern durchaus zu denken geben.

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