
Morgenstadt 3/4 Hongkong bietet Blicke in die Zukunft
Wer die Sieben-Millionen-Stadt Hongkong einmal von einer außergewöhnlichen Seite erleben will, sollte den Central Mid-Levels Escalator benutzen, ein überdachtes Rolltreppengewirr, das die Distrikte Central und Mid-Levels miteinander verbindet. Es besteht aus über 800 Metern Fahrtreppen, auf denen man leicht eine Stunde unterwegs ist, wenn man alle ausprobiert. Das System transportiert Passagiere sehr bequem auch durch überfüllte und steile Straßen der Stadt. Bis zu drei Stockwerke hoch reichen die Rolltreppen an manchen Stellen, und so ergeben sich neben großartigen Ausblicken auf die Stadt manchmal recht private Einblicke in die Fenster der Anwohner.
Die Benutzung der Rolltreppen ist kostenlos, aber ansonsten kommt man in Hongkong nicht ohne Octopus-Karte vom Fleck. Die Smartcard, die man vorher mit Geld aufladen muss, stellt das universelle Zahlungsmittel für die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt dar.
Hongkong gehört zu den am dichtesten besiedelten Metropolregionen der Welt. Als Verkehrsknotenpunkt der Wirtschaftsregion im südlichen China verfügt es über ein gut ausgebautes Straßennetz, darüber hinaus aber auch über eine große Vielfalt von öffentlichen Verkehrsmitteln.
Das wichtigste sind wohl die Doppeldeckerbusse, die zuverlässig und preisgünstig das gesamte Territorium erschließen. Daneben hat Hongkong eine U-Bahn mit einem Streckennetz von fast 175 Kilometern Länge; je nach Tageszeit verkehren die Züge alle zwei bis vier Minuten. Wer lieber oberirdisch bleibt, kann auch die Trambahn benutzen, die allerdings nur auf einer Strecke von 23,8 Kilometern fährt, aber vor allem bei Touristen sehr beliebt ist. Diese nutzen auch die Standseilbahn zum Victoria Peak.
Darüber hinaus verkehren in Hongkong noch Stadtbahnen und im Umland die von der Kowloon-Canton Railway betriebene KCR Light Rail sowie etliche Fähren. Wer in diesem Wirrwarr von Verkehrsmitteln jedes einzeln bezahlen wollte, hätte keine Chance. Deshalb hat die Stadt im Jahr 1997 die Octopus-Karte eingeführt, mit der man überall berührungslos den Fahrpreis entrichten kann, der automatisch berechnet wird.
Welche Möglichkeiten die Octopus-Smartcard noch bietet
Mittlerweile ist diese Smartcard ein solcher Erfolg, dass sich rund 4500 Geschäfte und Unternehmen der Initiative angeschlossen haben. 95 Prozent der Stadtbewohner zwischen 16 und 65 Jahren besitzen heute eine solche Karte. Und es gibt ständig neue Ideen: Man kann nun auch sein Mobiltelefon damit bezahlen, Schlittschuhe ausleihen, in Selbstbedienungsrestaurants das Anstehen vermeiden oder Regenschirme aus einem Automaten ziehen. Das nächste Ziel der Betreibergesellschaft ist es, den Octopus-Service auf weitere Städte in China auszudehnen.
Auch in Deutschland gibt es erste Schritte in Richtung universelles Bezahlsystem für öffentliche Verkehrsmittel. So haben sich aktuell 36 Verkehrsunternehmen und -verbünde in Deutschland zusammengeschlossen, um den Kauf von Tickets über das Smartphone zu ermöglichen. HandyTicket Deutschland heißt das Projekt, das nach einer dreijährigen Probephase seit 2010 regulär in Betrieb ist.
Für den Kunden bringt es eine große Erleichterung: "Er wählt und erhält den passenden Fahrschein bequem per Mobiltelefon und informiert sich bei Bedarf über die zugehörigen Verbindungs- oder Haltestellen", sagt Dr. Torsten Gründel vom IVI, das an der Entwicklung des Systems beteiligt war. "Der Fahrgast ist damit nicht mehr an herkömmliche Verkaufsautomaten gebunden und kann, wenn er will, bereits zu Hause in Ruhe ein Ticket kaufen und ohne Wartezeiten, Kleingeldsorgen und Papierschein dann sofort in Bus oder Bahn einsteigen."
Heute in Deutschland noch ein Novum des HandyTicket-Systems, in der Stadt der Zukunft aber wohl Normalität: Man kann seinen Fahrschein bundesweit einheitlich kaufen, nachdem man sich lediglich einmalig beim Verkehrsunternehmen in der Heimatregion per Internet oder Hotline registrieren ließ.
Die regionalen Ticketsortimente umfassten 2012 bereits über 500 Produkte in mehr als 1000 Produktvarianten: sowohl Einzel- und Tageskarten, aber auch Familien- und Gruppenkarten, Kurzstreckenfahrscheine, 4er-Tickets und Streifenkarten, Zeitfahrausweise, Nachttickets, Schnellbustickets und vieles mehr.
Die Bezahlung erfolgt ebenfalls unabhängig von der regionalen Nutzung. Eine individuelle Umsatzanzeige, die Möglichkeit zum Quittungsausdruck und weitere Funktionen finden sich auf der HandyTicket-Website. Als nächster Schritt ist geplant, den mobilen Ticketverkauf zu kombinieren mit der elektronischen Navigation im Nahverkehrsbereich. Damit würde dem Kunden die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel endlich so bequem und komfortabel gemacht wie heute das Autofahren. Für den Schutz der Innenstädte ist das ein bedeutender Fortschritt.
Den Autoverkehr flüssig halten
Auf den großen Hauptschlagadern des Autoverkehrs wird es in den Städten der Zukunft ein effizientes Verkehrsmanagement geben. So wird man beispielsweise Ampeln intelligent steuern: Je nach Belastung können sie unterschiedliche Schaltfrequenzen annehmen. Auf den Straßen registrieren Messschleifen die Anzahl und Geschwindigkeit der Autos und geben diese Information an die Ampeln weiter.
Entsprechend werden automatische Informationen auf den Schilderbrücken den Verkehrsfluss auf den Autobahnen kanalisieren und vor Staus warnen.
Die technischen Voraussetzungen existieren schon heute. Es fehlt zwar in der Regel noch die politisch-organisatorische Basis, aber es gibt schon Vorbilder: Tokio beispielsweise hat zu diesem Zweck für gut 7 Milliarden Euro das zurzeit beste Verkehrsleitsystem der Welt installiert. Mehr als 17.000 Sensoren erfassen die Fahrzeuge und melden ihre Informationen an die Zentrale. Von dort aus werden Ampeln und Leuchttafeln über den Straßen gesteuert. Außerdem kann jeder die Daten kostenlos aus dem Internet abrufen oder sich auf sein Navigationsgerät laden.
Millionen Japaner haben sich mittlerweile ein solches "Car-Navi" zugelegt. Die Tokioter Polizei ist stolz darauf, dass aufgrund der besseren Verteilung der Ströme die Verkehrsdichte nicht zugenommen hat, obwohl das Verkehrsaufkommen seit 1990 um 50 Prozent gewachsen ist.
In sehr viel kleinerem Maßstab, aber ebenfalls sehr erfolgreich, arbeitet das dynamische Verkehrsleitsystem Messe-Stadion-ARENA in Nürnberg, das schon 2003 mit dem Mobilitätspreis des ADAC Bayern ausgezeichnet wurde. Machbarkeitsstudie und Vorentwurf für dieses wegweisende Leitsystem wurden vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML erarbeitet. Ziel des Projekts ist es, Staus und Verkehrsbehinderungen bei Messen und Großveranstaltungen zu reduzieren. Je nach Verkehrslage werden die Autos auf unterschiedlichen Routen zur Nürnberger Messe, zum Frankenstadion und zum Eisstadion ARENA geleitet.
Autoströme werden per Computer simuliert
"Eine dynamische Verkehrsführung macht den Verkehrsraum erheblich leistungsfähiger durch die verbesserte Ausnutzung vorhandener Infrastruktur ", sagt Katrin Scholz vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML.
Die informationstechnischen Voraussetzungen für einen reibungslosen Verkehrsfluss werden schon bald gegeben sein. Das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin ebenso wie die Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik ESK in München arbeiten beispielsweise daran, dass Autos untereinander oder mit der sie umgebenden Infrastruktur Informationen austauschen, etwa mit Ampeln oder Warnschildern.
Aber nicht nur Autoströme können im Computer simuliert und vorhergesagt werden, sondern sogar das Verhalten von Fußgängern. Das ist zum Beispiel wichtig in Fußgängerzonen, in denen manchmal ein ziemliches Gedränge herrscht.
"Betreten wir eine Fußgängerzone, ist uns meist nicht bewusst, wie sehr sich Behörden und Stadtplaner darüber den Kopf zerbrochen haben. Die effiziente Lenkung von Personenströmen ist gar nicht so einfach, und eine ungünstige Planung fällt schnell auf", sagt Dr. Eva Eggeling von Fraunhofer Austria Research GmbH. "Damit in Zukunft die einfachere Planung stark frequentierter Plätze möglich ist, beteiligen wir uns bei dem Projekt mPed+ daran, eine Software zur detailgenauen Simulation von Fußgängerströmen zu erstellen."
Das Vorhaben kombiniert umfassende und detaillierte Simulationsmodelle in einem Gesamtmodell. Damit erhalten Verkehrsbetreiber und -planer umfangreiche Informationen über Personenströme in komplexen öffentlichen Verkehrsnetzen, mit zahlreichen Stationen und Verbindungen.
Parallel zu den Leitsystemen außerhalb werden die Fahrzeuge in der Morgenstadt auch im Inneren intelligente Systeme besitzen, die sie um Staus herum oder auf möglichst wenig belastete Straßen lenken. Das FIRST-Team, das auch in Hefei tätig ist, beteiligt sich beispielsweise an der Entwicklung eines neuen Standards zur Gewinnung und Übertragung von Verkehrsinformationen. Der alte TMC-Standard - die Abkürzung steht für Traffic Message Channel -, mit dessen Hilfe Navigationsgeräte mit Staumeldungen versorgt werden können, wird demnächst abgelöst vom TPEG-Standard der Transport Protocol Experts Group. Dieser Service wird Autofahrer umfangreicher und präziser informieren als bisher, weil die Verkehrsdaten an beliebig vielen Punkten generiert und mit aktuellen Informationen über Wetter bzw. den öffentlichen Nahverkehr kombiniert werden können.
Das intelligente Fahrzeug findet einen Parkplatz
Jede Fahrt endet mit einem Parkvorgang. Und selbst wenn die Reise reibungslos verlief, wird das Parken, vor allem in den überfüllten Städten, oft zum Problem. Zur aktuellen Information über die Verkehrssituation werden deshalb bald auch Daten über freie Parkplätze gehören. Das Navigationssystem kann dann den Fahrer nicht nur bis zum Ziel führen, sondern ihm auch einen freien Parkplatz in dessen Nähe melden.
So wurde beispielsweise im Rahmen des Projekts Cologne Parkinfo Ende der 90er Jahre erforscht, wie man den Autofahrer über die Parksituation in der Kölner Innenstadt informieren kann, entweder schon vor Fahrtantritt zu Hause über Internet oder im Fahrzeug über das Navigationssystem. Es sollte sogar eine Reservierung von Parkplätzen möglich sein. Auch die Bezahlung der Parkgebühr wollte man erleichtern und den Betrag von der Kreditkarte abbuchen. Nach der Erprobungsphase wurde das Projekt nicht fortgesetzt, aber die Online-Information über die aktuelle Auslastung der städtischen Parkhäuser gehört in Köln wie in vielen anderen Großstädten seither zum selbstverständlichen Service.
In der Regel ist die Bewirtschaftung der Parkplätze durch Profitinteressen getrieben, nicht durch ökologische Gesichtspunkte. Und Parkplätze in der Innenstadt bringen eben am meisten Geld.
Park-and-ride-Zonen an ihrem Rand können das Parkplatzproblem allerdings entschärfen und zur Luftreinhaltung beitragen. "Aber auch in Zukunft werden viele Menschen noch mit ihrem Auto in die Innenstädte fahren wollen, deshalb wäre es schön, wenn man die Parkhäuser aus dem Stadtbild verbannen und sie unterirdisch bauen könnte", sagt IVI-Forscher Ulf Jung. "Denkbar sind automatische, modulare Anlagen, bei denen man das Auto an der Eingangsschleuse abgibt."
Das Parkhaus transportiert das Auto automatisch in die Tiefe
Der Fahrer fährt im Eingangsbereich des Parkhauses auf eine Transportpalette, die im Boden eingelassen ist - ähnlich wie bei einer Autowaschanlage wird er in die Spur geführt. Ist er ausgestiegen, transportiert das System das Auto auf der Palette automatisch in das Parkhaus hinein und stellt es in einer Art Hochregallager ab.
Diese Technologie bietet zahlreiche Vorteile: Parkende Autos verschwinden vom Straßenbild, es gibt wieder mehr Platz für die Anwohner. Auch sind die Autos vor Vandalismus geschützt.
Elektro- und Hybridfahrzeuge können im Parkhaus betankt werden: In der Palette befindet sich eine Ladestation, deren Ladekabel entweder vom Fahrer oder künftig auch automatisch in den Tankanschluss gesteckt werden kann. Das automatische Parkhaus, das Forscher am IML entwickelt haben, ist einsatzbereit; ein erster Bau mit integrierter Ladeinfrastruktur und dezentralen Stromerzeugungskomponenten ist bereits in Planung.
Viele Metropolen werden dem Beispiel Tokios oder Pekings folgen, Parkplätze zu rationieren und für viel Geld zu vermieten. "Man erwirbt damit das Recht, nicht nur ein Auto zu besitzen, sondern es auch parken zu dürfen", beschreibt Professor Uwe Clausen, Leiter IML in Dortmund, die Situation pointiert. "Der Trend in den Städten wird dahin gehen, dass der private Autoverkehr massiv verteuert wird", glaubt er. "Damit wird es für den Einzelnen interessant, die Preise für den öffentlichen Nahverkehr mit der Nutzung des eigenen Wagens zu vergleichen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie schnell eine Verhaltensänderung der Verkehrsteilnehmer sichtbar wird."