Kriselnder Autohersteller Warum der Druck auf Opel weiter steigt

Opel-Werk in Bochum: Steht schon seit langem auf der internen Abschussliste der GM-Manager
Foto: Corbis"Wir alle stellen uns darauf ein, dass wir Opel wieder auf die Erfolgsspur bringen müssen." Fast schon flehentlich klingen die Worte eines Opel-Insiders, mit denen er die Gerüchte um mögliche Werksschließungen gegenüber manager magazin online kommentiert.
Acht Tage vor Bekanntgabe seiner Jahreszahlen hat General Motors (GM) wieder seiner kriselnden Europa-Tochter Opel vor den Bug geschossen. Gegenüber dem Wall Street Journal sprach ein GM-Manager von einem "horrenden Verlust", den Opel im vierten Quartal geschrieben habe. Man habe das Gefühl, dass die Einschnitte vor zwei Jahren "nicht annähernd tief genug gingen", so der Manager weiter. Nun sollen laut dem Bericht auch Werksschließungen zur Diskussion stehen. Neben dem britischen Standort Ellesmere Port stehe auch das Werk Bochum mit 3100 Mitarbeitern zur Disposition.
Der Opel-Gesamtbetriebsrat weist dies zwar zurück und pocht darauf, dass bis Ende 2014 Kündigungen ausgeschlossen seien. Doch dass es bei Opel schon seit einigen Monaten kräftig im Gebälk knirscht, ist trotz aller Beschwichtigungsrufe aus der Opel-Zentrale kaum mehr zu überhören. Und die Zeichen mehren sich, dass GM bei Opel bald deutlich härter als bisher durchgreift.
Denn während der Autoriese GM dank guter Absatzzahlen in China und Nordamerika hohe Gewinne schreibt, kommt Opel trotz aller Sanierungsbemühungen nicht aus den roten Zahlen. Im November 2011 kassierte GM seine ursprüngliche Prognose, dass Opel im Gesamtjahr 2011 Gewinne schreiben werde. Von Januar bis September vergangenen Jahres hat GM Europe einen Verlust von 590 Millionen Dollar vor Steuern und Zinsen angehäuft, während der Gesamtkonzern im selben Zeitraum einen Gewinn von 7,1 Milliarden Dollar anhäufte. Für das Gesamtjahr 2011 dürfte GM einen Rekordgewinn von acht Milliarden Dollar ausweisen - während Opel als einzige Tochter Verluste schreiben wird.
Trotz Sanierung behielt Opel zu viele Standorte
Bereits im November nannte GM-Chef Dan Akerson das Abschneiden in Europa "nicht tragbar und nicht akzeptabel". GMs Chefstratege Steven Girsky forderte daraufhin, dass Opel einen neuen Sanierungsplan entwickeln müsse. Der alte Plan sei "offensichtlich nicht gut genug, schließlich verlieren wir weiter Geld", befand Girsky damals. Und GM-Finanzchef Dan Ammann gab auf die Frage nach einem weitergehenden Stellenabbau salomonisch zu Protokoll: "Wir schließen nichts aus, wir müssen das Gesamtbild im Auge behalten".
Opels Hauptproblem erklärt ein Insider gegenüber manager magazin online so: "Der Turnaround-Plan von Opel im Jahr 2010 basierte auf dem Verkaufsplan an Magna. Das war kein Sanierungskonzept." Im Klartext: Trotz des Abbaus von 8000 Stellen und der Schließung des Werks Antwerpen hat Opel damals zu viele Standorte behalten, um in einem schrumpfenden europäischen Automarkt zügig Gewinne zu schreiben.
Zwar gelten die GM-Werke in Europa mittlerweile als durchaus wettbewerbsfähig. Doch im europäischen Vergleich sind Werke wie Bochum mit einer Kapazität von jährlich 160.000 Fahrzeugen zu klein. " Peugeot oder Ford bauen in weniger Werken genauso viel Autos wie Opel", meint der Branchenkenner.
Opels Hauptmarkt stagniert
Eine weitere Bürde ist Opels Begrenzung auf Europa. Denn GM sieht Opel weiterhin als regionale Marke mit Hauptfokus auf Europa. Einzig und alleine in Russland verkauft Opel eine fünfstellige Anzahl an Autos. In Wachstumsmärkten wie China, Brasilien oder Indien ist Opel so gut wie gar nicht präsent.
Doch Europas Automarkt bleibt in den nächsten Jahren schwierig. Im vergangenen Jahr bekam Opel besonders die Einbrüche in den großen Märkten in Südeuropa zu spüren. In Europas zweitgrößtem Automarkt Frankreich gingen die Neuzulassungen im vergangenen Jahr um 2,1 Prozent zurück, in Italien betrug das Minus 11 Prozent. Und in Spanien brach der Neuwagenmarkt um 18 Prozent ein. Laut Zahlen des europäischen Autoverbandes ACEA hat GM von Januar bis Dezember 2011 in Europa 1,14 Millionen Autos verkauft. Das ist ein Rückgang von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und die weiterhin schwelende Schuldenkrise in Europa sorgt in diesem Jahr für gedämpfte Verkaufshoffnungen.
Die Frage sei weniger, ob ein weiteres Werk geschlossen werde - sondern eher wann, heißt es immer wieder aus Opel-Kreisen. Mit einer sofortigen Schließung eines Werkes rechnen Insider nicht. Denn ein solcher Schritt würde die Opelaner europaweit auf die Barrikaden steigen. " Dann baut Opel in diesem Jahr vielleicht nur 800.000 Autos statt wie geplant 1,25 Millionen. Und diesen Business-Case überlebt auch GMs Finanzchef Ammann nicht", heißt es aus mit den Vorgängen vertrauten Kreisen.
Personalkarussell dreht sich schnell
Dass GM aber intern auf schnelle Änderungen dringt, zeigt ein Blick auf die jüngsten Opel-Personalien. So ist GM nun mit vier hochrangigen Manager im Opel-Aufsichtsrat vertreten: Neben GMs Strategiechef Steven Girsky, GM-Finanzchef Dan Amman und dem für Internationales zuständigen GM-Manager Tim Lee sitzt seit kurzem auch Mary Barra in dem Aufsichtsratsgremium. Sie ist bei GM für das globale Design und die Produktentwicklung verantwortlich.
Vor kurzem ersetzte Opel-Chef Karl Stracke auch die bisherige Opel-Kommunikationschefin Susanne Wegerhoff mit einem weiteren GM-Mann: Der Belgier Johan Willems ist ab März neuer Vorstand für Kommunikation. Damit ist die Opel-Führungsriege nun gut mit langjährigen GM-Managern bestückt.
Noch spannender ist allerdings eine weitere Neubesetzung, die Stracke erst vor wenigen Tagen bekanntgab. Stracke hat ein neues Vorstandsressort für Geschäftsentwicklung und Unternehmensstrategie geschaffen - und für diesen Posten den 47-jährigen Thomas Sedran an Bord geholt.
Sedran arbeitete lange Jahre als Unternehmensberater. Zuletzt war er für AlixPartners tätig, einem auf Sanierungsaufgaben spezialisiertes Beratungshaus. Seit drei Jahren arbeitet Sedran bereits sehr eng mit Opel und Vauxhall zusammen, heißt es in einer Opel-Pressemitteilung. Doch dass Stracke nun ausgerechnet einen Sanierungsexperten zum Strategiechef macht, zeigt, in welche Richtung Opels Reise in nächster Zeit gehen dürfte.