Autohersteller Opel-Verkaufsgerüchte auf dünner Grundlage

GM-Flagge neben einem Opel-Logo: Für einen Opel-Verkauf gibt es kaum handfeste Anhaltspunkte
Foto: Bernd Thissen/ dpaHamburg - Trennungwünsche, zähe Verkaufsverhandlungen, plötzlicher Fallrückzieher der eigenen Konzernmutter: Der Rüsselsheimer Autohersteller Opel hat seine eigenen, unangenehmen Erfahrungen mit geplanten Verkäufen gemacht. Vor zwei Jahren wollte der Mutterkonzern General Motors (GM) Opel loswerden, weil GM kurz vor der Insolvenz stand und dringend Geld brauchte. Die Verkaufsverhandlungen mit dem aussichtsreichsten Bieter Magna zogen sich über ein Jahr hin - und verliefen letztlich ergebnislos, weil der wiedererstarkte GM-Konzern seine Europa-Tochter wegen ihrem Know-how im Kleinwagensegment doch behalten wollte.
Seit 2010 saniert GM die deutsche Tochter Opel in Eigenregie, im nächsten Jahr Opel wieder Gewinne schreiben. "Wir haben die Gewinnschwelle schneller erreicht als geplant", sagte Opel-Aufsichtsratschef Nick Reilly noch vor einem Monat im Interview mit manager magazin Online. Ab nächstem Jahr, so meinte Reilly, werde Opel nachhaltig profitabel arbeiten.
Doch nun könnte alles anders kommen als geplant. Berichten von "SPIEGEL ONLINE" und "Auto Bild" zufolge erwäge GM, Opel zu verkaufen. Als Interessenten kämen chinesische Autohersteller und Volkswagen infrage, berichteten die beiden Medien.
Die Manager in Detroit seien verärgert, dass GMs Europageschäft mit Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall weiter Verluste schreibe, berichtet "SPIEGEL ONLINE" über die möglichen Hintergründe. Alle anderen Regionen würden dagegen Gewinne einfahren.
Opel-Chef appelliert an die Mitarbeiter
"Spekulationen kommentieren wir grundsätzlich nicht", hieß es bei Opel auf Anfrage von manager magazin. In einem Schreiben an die Mitarbeiter, das manager magazin vorliegt, fand der neue Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke klare Worte.
Die Berichte seien "reine Spekulation", schrieb Stracke. Opel sei wieder auf der Erfolgsspur, beschwor Stracke in dem Schreiben. Die Marktanteile steigen seit sieben Monaten in Deutschland und Europa, im ersten Quartal habe Opel die Gewinnschwelle erreicht. Die Auftragslage sei momentan sehr gut, er sei froh über den "momentanen Erfolg und die Aufbruchsstimmung im Unternehmen". Stracke bat seine Mitarbeiter, sich nicht von den Spekulationen beeinflussen zu lassen.
Auch der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel wies die Spekulationen klar zurück. "Das ist dummes Zeug", sagte er gegenüber manager magazin Online. Hier versuche jemand, eine Entwicklung zu stören, meinte Einenkel. Erst gestern hat sich Einenkel mit der Opel-Führung endgültig auf den Abbau von 1200 Stellen im Bochumer Werk geeinigt.
In einer Sitzung interner Aufsichtsräte mit Vorstandsmitgliedern am Dienstag seien langfristige Schritte der Zusammenarbeit mit GM besprochen worden. "Das macht man nicht, wenn man im Hintergrund das Gefühl hat, dass sich doch etwas Anderes abzeichnen könnte", sagte Einenkel.
Über mangelnde Auslastung kann sich Opel derzeit jedenfalls nicht beschweren. Wegen voller Auftragsbücher hat der Autohersteller in einer Pressemitteilung Sonderschichten angekündigt. die Werksferien im Stammwerk Rüsselsheim fallen deshalb kürzer aus: statt drei Wochen werde die Frühschicht nur zwei Wochen und drei Tage pausieren, hie es heute. Danach sind dann zwei Sonderschichten geplant. Opel wird dieses Jahr 190.000 Fahrzeuge in Rüsselsheim fertigen. Ein Großteil davon entfällt auf das Mittelklassefahrzeug Insignia: Rüsselsheim schraubt in diesem Jahr 158.000 Insignias zusammen, um 14.000 mehr als im Jahr 2010.
Wenig gute Argumente für baldige Trennung
Ein klares Dementi aus Detroit zu den Spekulationen ist bisher nicht zu vernehmen. "Wir kommentieren Spekulationen in den Medien nicht", sagte ein GM-Sprecher gegenüber Nachrichtenagenturen. Doch zufrieden sind die Manager in Detroit mit der Entwicklung in Europa wohl nicht. Auf dem Genfer Autosalon hatte GM-Chef Dan Akerson gesagt, dass er gegenüber Opel "ungeduldig" sei. Mitte März ließ er dann Taten folgen. Nick Reilly, seit 2010 an der Spitze von Opel, musste überraschend an die Spitze des Opel-Aufsichtsrats wechseln. Sein Nachfolger an der Opel-Spitze wurde Karl-Friedrich Stracke, bis dahin GM-Chefentwickler.
Den Berichten von "Auto Bild" und "SPIEGEL ONLINE" zufolge wende sich das Blatt für Opel weiter zum Schlechteren. Angeblich sei das GM-Topmanagement überzeugt davon, dass der US-Autobauer nicht mehr auf Opel angewiesen sei. Sparsame Motoren und Modelle könne GM mittlerweile auch aus Korea beziehen, hieß es in den Berichten ohne Nennung einer Quelle. GMs Klein- und Kompaktwagen in Europa könnten so künftig aus Korea stammen, Opels Mittelklasseautos könnte GM durch Modelle der Konzernmarke Chevrolet ersetzen.
Ganz so schlagkräftig dürfte die Entwicklung in Korea aber zumindest für den europäischen Markt nicht sein, erfuhr manager magazin Online von Opel-Insidern. So mussten wichtige Teile für künftige Opel-Modelle, die ursprünglich aus Korea bezogen werden sollten, nochmals gründlich überarbeitet werden. Denn sie waren schlicht zu schwer und hätten Opel deshalb die Einhaltung jener strengen CO2-Ausstoßgrenzen erschwert, die ab 2012 gelten.
Zu eng verwoben für schnelle Abspaltung
So richtig Sinn hat ein Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt für GM nicht. Der US-Autohersteller hat nun einige Milliarden Euro in die Sanierung von Opel gesteckt und sollte ab 2012 die Früchte dieser Rosskur ernten können. Zudem hat GM Geld für die Entwicklung neuer Opel-Modelle springen lassen. Opel und GM sind seit Jahrzehnten eng miteinander verwoben, eine Trennung beider Konzerne ist schwierig. Bereits 2009 zeigten die letztlich gescheiterten Verkaufsverhandlungen mit dem Autozulieferer Magna, wie haarig etwa die Abgrenzung zwischen Patenten von GM und Opel in der Praxis ist.
Der vor zwei Jahren für diese Fragen zuständige Manager, der frühere Opel-Chef Hans Demant, arbeitet heute übrigens bei Volkswagen. Doch die Wolfsburger dürften wohl auch kein großes Interesse haben, sich mit einer weiteren Marke in Europa selbst Konkurrenz zu machen. Zumal Opel als Marke keine internationale Wachstumsperspektiven hat: In China ist Opel auf GM-Geheiß kaum präsent, das Geschäft in anderen Auslandsmärkten läuft erst schleppend an.
Richtig stark ist Opel nur in Europa vertreten - und dieser Automarkt stagniert gerade. Es gibt also kaum gute Argumente, warum GM Opel gerade jetzt loswerden wollte. Doch eines ist in den letzten Jahren auch klar geworden: Der amerikanische Autobauer war sich für handfeste Überraschungen noch nie zu schade. Insofern kann man die Nervosität der Opelaner verstehen - trotz aller Argumente, die gegen einen Verkauf sprechen.