

Arnsberg - Die Sanierung des Autozulieferers Honsel AG ist gescheitert. Der Leichtmetall-Spezialist aus dem sauerländischen Meschede, der mehrheitlich dem Finanzinvestor RHJ (Ripplewood) gehört, meldete am Montag Insolvenz an, wie das Amtsgericht Arnsberg bestätigte.
Honsel gießt Zylinderköpfe, Motorblöcke, Getriebegehäuse und Karosserie- und Fahrwerksteile aus Leichtmetall für große Automobilhersteller. Neben dem Stammsitz in Meschede hat das Unternehmen weitere Werke im Sauerland und in Nürnberg. Außerdem ist Honsel in Frankreich, Rumänien, Spanien, Brasilien und Mexiko aktiv.
Im Jahr 2004 hatte die RHJ International in Brüssel, eine Tochter des US-Finanzinvestors Ripplewood, die Honsel AG übernommen. Weil die Übernahme größtenteils kreditfinanziert war, litt Honsel seitdem unter einer immensen Schuldenlast.
Schwierigkeiten bereits 2009 - Gläubiger wandelten Schulden in Aktien
Im Juli 2009 hatten die Gläubiger dem Unternehmen dann 370 Millionen Euro Schulden erlassen und waren dafür mit 49 Prozent an der Honsel AG beteiligt worden. Trotz dieses "Debt-to-equity" Swaps gelang Honsel in der Folgezeit der finanzielle Befreiungsschlag nicht mehr: In den vergangenen Monaten bemühten sich nach Angaben aus Unternehmenskreisen zum Beispiel Autobauer wie Mercedes darum, Honsel durch kurzfristige Kredite noch etwas Spielraum zu verschaffen - ohne Erfolg.
Nun soll Insolvenzverwalter Frank Kebekus das Unternehmen sanieren. Die Kunden aus der Automobilindustrie sollen so weit möglich weiter beliefert werden.
Spekulationen über zunehmende Probleme bei Honsel gibt es schon länger. Erst vor vier Wochen hatte Vorstandschef Peter Harbig seinen Hut genommen. Das Unternehmen räumte nun ein, dass die Verhandlungen mit den Banken gescheitert seien.
Geld für Investitionen fehlte
Honsel ist eine der ersten Firmen, denen trotz der raschen Rückkehr der Nachfrage in der Automobilbranche gescheitert sind. Der Investitionsstau, der durch das fehlende Geld ausgelöst worden sei, habe laufende Projekte und Serienanläufe behindert, erklärte Vorstandssprecher Stefan Eck.
Insolvenzverwalter warnen seit langem vor Pleiten im Aufschwung, wenn die Unternehmen zum Kauf von neuen Anlagen, Maschinen und zur Vorfinanzierung neuer Aufträge gezwungen sind.
Honsel stellt Leichtmetallteile für Motoren, Getriebe, Fahrwerke und Karosserien für Autos und Nutzfahrzeuge her. Im Geschäftsjahr 2009/10 (Ende März) beschäftigte Honsel noch 3800 von einst 5000 Mitarbeitern und setzte nach einem Umsatzeinbruch noch 540 Millionen Euro um.
RHJ erklärte, das Unternehmen habe auch nach der operativen und bilanziellen Sanierung beträchtliche Verluste geschrieben. "Wir bedauern, dass dem Unternehmen trotz aller Bemühungen die Wende nicht gelungen ist", sagte RHJ-Chef Leonhard Fischer.
ZF Friedrichshafen bangt um Honsel-Teile
RHJ, seit 2004 Eigentümer, hatte vor gut einem Jahr 50 Millionen Euro frisches Kapital in Honsel gepumpt und musste dennoch 49 Prozent an die Gläubiger abgeben - an Banken und Investoren, die billig Schulden aufgekauft hatten. Die Verbindlichkeiten sanken damit auf 140 von 510 Millionen Euro.
Autohersteller und -zulieferer bangen nun um Honsel-Teile. Sie hatten dem Unternehmen zuletzt schon finanziell unter die Arme gegriffen. Finanzkreisen zufolge war über eine Aufteilung von Honsel verhandelt worden.
Drei andere Zulieferer, darunter ZF Friedrichshafen, sollten Teile übernehmen. ZF, die Nummer drei der Branche in Deutschland, wollte sich dazu nicht äußern. "Uns ist sehr an einer stabilen Lieferbeziehung mit Honsel gelegen", sagte ein ZF-Sprecher lediglich. Als Lieferant für Lkw-Getriebegehäuse sei das Unternehmen kaum zu ersetzen.
IG Metall: "Chance, den Finanzinvestor loszuwerden"
Der IG-Metall-Bevollmächtigte Wolfgang Werth aus Arnsberg zeigte sich von der Insolvenz wenig überrascht. "Der Haupteigner hat die Belegschaft immer im Regen stehen gelassen und kein wirtschaftliches Konzept gehabt, sondern immer nur auf das Geld von Kunden und Beschäftigten geschielt", sagte er. Die Geschäfte bei Honsel laufen nach Auskunft von Werth gut. Es werde im Fünf-Schicht-Betrieb gearbeitet. "Die Insolvenz bietet die Chance, Heuschrecken und Finanzinvestoren loszuwerden und wieder einen strategischen Investor zu finden."
Volkswagen: Ist das Zwölfmarken-Imperium noch zu steuern? Interview: Wie Konzerne ihre Lieferanten knechten
Knüppelharter Markt: Die Autohersteller profitieren von einer anziehenden Nachfrage, doch die Zulieferer leiden weiterhin unter einem knallharten Preiskampf, der die Renditen in den Keller drückt. Zulieferer wie Honsel, denen von einem Finanzinvestor zusätzlich noch eine hohe Schuldenlast aufgebürdet wurde, haben es in solch einem Markt doppelt schwer, wie eine Studie zeigt ...
... denn die Profitabilität der Branche ist auch 2009 weltweit noch auf niedrigem Niveau. Hinzu kommen Milliardenbeträge ...
... welche die Zulieferer laut einer Studie von Roland Berger in ihre Restrukturierung stecken mussten.
Dennoch schwappte in den Jahren 2007 bis 2009 eine Pleitewelle über die Branche.
Unter den Überkapazitäten in der Branche (Grafik: Überkapazitäten in Millionen Fahrzeugen) leiden nicht nur kleinere Unternehmen wie Honsel, sondern auch die größten Player der Branche, unter denen Continental und Bosch Spitzenpositionen einnehmen. Die zehn weltweit größten Hersteller sind ...
Rang 10 - Faurecia (Frankreich)
Umsatz im Automotivebereich 2009/2010: 12,948 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 17,687 Milliarden Dollar (Rang 10)
Quelle: Automobil Produktion
Rang 9 - Johnson Controls (USA)
Umsatz 2009/2010: 16,004 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 23,941 Milliarden Dollar (Rang 5)
Rang 8 - Goodyear (USA)
Umsatz 2009/2010: 16,301 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 19,488 Milliarden Dollar (Rang 9)
Rang 7 - Magna (Österreich/Kanada)
Umsatz 2009/2010: 17,367 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 23,704 Milliarden Dollar (Rang 6)
Rang 6 - Michelin (Frankreich)
Umsatz 2009/2010: 20,172 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 23,679 Milliarden Dollar (Rang 7)
Rang 5 - Aisin Seiki (Japan)
Umsatz 2009/2010: 21,028 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 20,562 Milliarden Dollar (Rang 8)
Rang 4 - Bridgestone (Japan)
Umsatz 2009/2010: 22,981 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 25,429 Milliarden Dollar (Rang 4)
Rang 3 - Continental (Deutschland)
Umsatz 2009/2010: 26,483 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 34,852 Milliarden Dollar (Rang 2)
Rang 2 - Bosch (Deutschland)
Umsatz 2009/2010: 30,261 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 38,987 Milliarden Dollar (Rang 1)
Rang 1 - Denso (Japan)
Umsatz 2009/2010: 31,252 Milliarden Dollar
Umsatz 2008/2009: 29,43 Milliarden Dollar (Rang 3)
Knüppelharter Markt: Die Autohersteller profitieren von einer anziehenden Nachfrage, doch die Zulieferer leiden weiterhin unter einem knallharten Preiskampf, der die Renditen in den Keller drückt. Zulieferer wie Honsel, denen von einem Finanzinvestor zusätzlich noch eine hohe Schuldenlast aufgebürdet wurde, haben es in solch einem Markt doppelt schwer, wie eine Studie zeigt ...
Foto: KAI-UWE KNOTH/ APKnüppelharter Markt: Die Autohersteller profitieren von einer anziehenden Nachfrage, doch die Zulieferer leiden weiterhin unter einem knallharten Preiskampf, der die Renditen in den Keller drückt. Zulieferer wie Honsel, denen von einem Finanzinvestor zusätzlich noch eine hohe Schuldenlast aufgebürdet wurde, haben es in solch einem Markt doppelt schwer, wie eine Studie zeigt ...
Foto: KAI-UWE KNOTH/ AP