Werben für TTIP Acht Auto-Alphamänner im Kampf gegen das Chlorhuhn

Ein Star-Aufgebot der wichtigsten Auto-Bosse hat die Vorteile gepriesen, die sich aus dem Freihandelsabkommen TTIP ergeben könnten. Leicht von der Hand ging ihnen das nicht - mit vielen Zahlen wollen die Car-Guys die Stimmung drehen.
Acht für TTIP: VdA-Präsident Matthias Wissmann (Mitte) hat Arndt Kirchhoff (Kirchhoff Holding, von links), Bernhard Mattes (Ford), Rupert Stadler (Audi), Dieter Zetsche (Daimler) sowie Norbert Reithofer (BMW), Matthias Müller (Porsche) und Volkmar Denner (Bosch) um sich geschart, um für das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA zu werben.

Acht für TTIP: VdA-Präsident Matthias Wissmann (Mitte) hat Arndt Kirchhoff (Kirchhoff Holding, von links), Bernhard Mattes (Ford), Rupert Stadler (Audi), Dieter Zetsche (Daimler) sowie Norbert Reithofer (BMW), Matthias Müller (Porsche) und Volkmar Denner (Bosch) um sich geschart, um für das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA zu werben.

Foto: Soeren Stache/ dpa

Berlin - Dieter Zetsche braucht diesmal etwas, bis er in Fahrt kommt. Vorsichtig legt der knapp zwei Meter große Daimler-Chef seine rechte Hand auf einem Plexiglas-Pult ab. Dort ruht sie für einige Minuten, während er routiniert seinen vorbereiteten Text herunterspult. Allzu viel Begeisterung ist in den ersten Minuten noch nicht zu greifen für das große Thema, für das eine ungewöhnliche Phalanx der Automobilindustrie gemeinsam die Werbetrommel rührt.

Dabei ist eine handverlesene Auswahl von Deutschlands wichtigsten Automanagern in der Berliner Zentrale des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) angetreten, um die Vorteile des Freihandelsabkommens TTIP zu preisen. Zetsche nimmt die Mitte der kleinen Bühne ein, rechts neben ihm steht VDA-Präsident Matthias Wissmann kerzengerade im dunklen Zweiteiler.

Flankiert werden die beiden von BMW-Chef Norbert Reithofer und Audi-Boss Rupert Stadler. Die Außenplätze teilen sich Ford-Deutschlandchef Bernhard Mattes, Arndt Kirchhoff vom gleichnamigen Autozulieferer, Bosch-Chef Volkmar Denner und Porsche-Lenker Matthias Müller.

Die acht Herren in dunklen Anzügen füllen das kleine Podium gänzlich aus, und sie haben eine ungewöhnliche Mission: Denn erstmals ergreifen Spitzenmanager der Automobilindustrie gemeinsam Partei für ein politisches Projekt - sie werben für das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA.

Die große Geste für die Fotografen wird rasch abgehandelt

Man wolle ein Ausrufezeichen setzen, drückt es VDA-Präsident Wissmann aus. Die große symbolische Geste handeln die Manager noch schnell vor Beginn der Pressekonferenz ab: Gemeinsam legen Sie ihre Hände auf einen überdimensionalen "Ja zu TTIP"-Schriftzug und lächeln in die Kameras.

Danach gibt sich die Elefantenrunde der deutschen Automobilindustrie vor allem staatstragend und ernst. Wortreich beschwören sie die großen Chancen, die das Abkommen aus Sicht der Automobilindustrie bietet. Doch selbst Daimler-Chef Dieter Zetsche, der sich sonst bei Reden gerne etwas lockerer gibt, bleibt diesmal unterkühlt.

Dabei hat ihm VDA-Präsident Wissmann die Rolle des Anführers zugedacht. Zetsche geht gleich zu Beginn aufs große Ganze und streicht erstmal die Bedeutung des US-Marktes für die hiesigen Autohersteller heraus. 14 Prozent aller deutschen Pkw-Exporte gehen jährlich in die Vereinigten Staaten, gemessen am Exportwert sind die USA das wichtigste Auto-Ausfuhrland für die Branche.

Störend sind jedoch die mühsamen unterschiedlichen Regulierungen und Vorschriften Im Endergebnis laufen sie oft auf fast identische Sicherheitsnormen hinaus - doch die Autobranche muss dennoch doppelt entwickeln, zertifizieren und beschaffen. Eine gegenseitige Anerkennung der Vorschriften würde beide Seiten voranbringen, wirbt er - und hebt nun langsam die Hand vom Pult. Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum würde Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks ein größeres Angebot bescheren.

Achtfaches Plädoyer für die Globalisierung - und nur weg vom Chlorhühnchen

Reithofer schießt sich auf das Thema Zölle ein. Längst haben die USA und die EU einen engen Produktionsverbund, der Schutz der einheimischen Industrien sei nicht mehr nötig, meint er.

Audi-Chef Stadler und Bosch-Chef Denner werben dafür, dass TTIP die Vereinbarung von gemeinsamen Vorschriften und Standards ermöglichen würde, Porsche-Chef Müller schlägt in die selbe Kerbe: Die USA und Europa hätten so die Chance, weltweit die Richtung vorzugeben. Davon würden vor allem die Kunden profitieren.

Ford-Chef Mattes wiederum warnt davor, das Europa den Anschluss verpassen könnte, wenn TTIP scheitert. Denn dann würden die USA sich wohl Richtung Pazifik orientieren. Eine Freihandelszone zwischen den beiden wichtigsten Wirtschaftsräumen böte hingegen die Chance, weltweit als Vorbild für den Welthandel zu dienen - und so die hohen Standards weltweit festzuhalten.

"Die Diskussion vom Stammtischniveau wegbringen"

Es ist ein achtfaches Plädoyer für die Globalisierung, das die TTIP-Werber hier auf die Bühne bringen. Volksnah und gut greifbar ist das über weite Strecken nicht. Man wolle die Diskussion um TTIP vom Stammtischniveau wegbringen, sagt einer der Manager später - also dafür sorgen, dass sich die Diskussion auch um Arbeitsplätze in Deutschland und nicht nur um Chlorhühnchen und Thüringer Bratwurst dreht.

Vielleicht drücken sich die Auto-Bosse auch deshalb um allzu konkrete Aussagen zu den Auswirkungen der Freihandelszone. Eine Zahl wiederholt der VDA bereits seit Monaten: Alleine durch den Wegfall der Zölle würde die Autobranche jährlich eine Milliarde sparen.

Entwicklungskosten könnten um bis zu fünf Milliarden Euro sinken

Dazu kämen noch ein größerer Kostenblock. Derzeit müssen die Autohersteller wegen unterschiedlicher Vorgaben in Europa und den USA viele Bauteile doppelt entwickeln: Blinker, Stoßstangen oder Außenspiegel unterscheiden sich nur in Nuancen. Auch für Crashtests gelten unterschiedliche Normen in den USA und Europa. Die Kosten für die doppelte Entwicklung von solchen Teilen sowie unterschiedliche Vorgaben für Crashtests bezifferte Zetsche auf etwa fünf Milliarden Euro.

Immerhin gelingt es der Runde aus Alphatieren gut, als geschlossenes Ensemble von TTIP-Proponenten aufzutreten. Keiner fällt dem anderen ins Wort, auch wenn Dieter Zetsche deutlich mehr Antworten an sich reißt als seine Konkurrenten.

Doch alle sind sich einig: TTIP bringt den Autoherstellern vor allem Vorteile und würde Arbeitsplätze sichern. Das ist das große Versprechen der Branche an die Bevölkerung - und es ist ein gewichtiges. Denn jeder siebente deutsche Arbeitsplatz ist in der Autoindustrie beheimatet.

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Etwas fehlt jedoch auf der Veranstaltung: Die Mischung zwischen Leidenschaft und Leichtigkeit, mit der die Manager sonst gerne ihre Fahrzeuge anpreisen. Nur beim sperrigen Thema Investitionsschutz, einem Lieblingsthema der TTIP-Gegner, werden die Statements in der Auto-Elefantenrunde auch mal etwas lauter. "Wenn wir Milliarden investieren, brauchen wir auch Rechtssicherheit", erklärt Zetsche klar und deutlich. Den Investitionsschutz per se könne man einfach nicht in Frage stellen.

"Wir können uns nicht vorstellen, dass die TTIP-Verhandlungen scheitern

Ein möglicher Abbruch der TTIP-Verhandlungen liegt für Zetsche außerhalb des Möglichen. "Wir können uns gar nicht vorstellen, dass die TTIP-Verhandlungen scheitern", erklärte er. "Das wäre völlig irrational und würde uns viel Schaden zufügen. Für vernünftig denkende Menschen ist das gar nicht vorstellbar."

Nah an den Sorgen von TTIP-Skeptikern, die vor einer Aushöhlung von EU-Rechtsstaatlichkeitsprinzipien warnen, sind solche Statements nicht. Über die Vorzüge ihrer Fahrzeuge zu sprechen fällt den Automanagern wohl leichter, als gekonnt Werbung für den Freihandel zu machen.

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Griffige Beispiele für die Mühsal, die Zollbestimmungen und unterschiedliche Regulierungen den Autoherstellern auferlegen, hatte keiner der Manager parat. Die wichtigsten Vertreter der deutschen Autoindustrie haben sich als Politik-Werbekollektiv versucht. So richtig geglänzt haben sie dabei nicht.

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